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Sonette - in 12 Runden zu 14 Gedichten - 10 In meinem Spiegel
#1
In meinem Spiegel

Dornröschen


Dornröschen gleicht, solang er selbst am Leben,
Des wahren Dichters Kunst in unsern Zeiten,
solang Mäcen’ nicht ihre Schritte leiten,
Nicht Fürsten sie an Höf’ und Throne heben.

Das stärkste Können heut’, das reinste Streben
Begräbt der Dornbusch seichter Wirklichkeiten,
Ein Gönner muß – als Prinz – ihn erst durchschreiten,
Das Licht des Tags der lichten Maid zu geben.

O meine Kunst, Dornröschen, seit zehn Jahren
Dir selbst nur blühend, doch der Welt verloren,
Wann kommt dein Prinz und zeigt dich seinem Volke?

Mir ist, als rief’ ein Gott mir aus der Wolke:
Verzehrt dich Sehnsucht schon nach weißen Haaren?
Dein Prinz – er ist noch nicht einmal geboren!


.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#2
Ganymedes

Von aller Knaben schönstem lehrt die Mythe,
Den Eltern hab’ ein Adler ihn entwendet,
Den einst der Gott der Götter ausgesendet,
Für ihn zu rauben diese Menschenblüte.

Denn um die Gunst des Herrlichen sich mühte,
Der sonst sie seine Frauen bloß gespendet,
Vor eines Knaben Schönheit stand geblendet,
Der sonst in Liebe nur zum Weib erglühte.

Das durfte einst die Gottheit selber wagen,
Vor jenem schönen Volke der Hellenen,
Das noch als Muster gilt in unsern Tagen.

Und rufst du heute: Liebe jedem Schönen!
So fehlt nicht viel, daß sie ans Kreuz dich schlagen
Und dich mit Dorn und Ketzermütze krönen.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#3
Narkissos

Ein Wunderwerk an Angesicht und Leibe,
Läßt doch umsonst von Fraun du dich umwerben,
Selbst Echo muß im Durst nach dir verderben,
Denn keine Liebe hegt dein Herz zum Weibe.

Da blickst ins wasser du zum Zeitvertreibe
Und schaust dein Bild, und – o der Qual, der herben! –
In Sehnsucht nach dir selber mußt du sterben,
Daß nur der Blum’ dereinst dein Name bleibe.

Dir gleicht, Narziß, das seltsame Geschlechte
Der Männer, die in Schönheit nur versunken
Von Jünglings Art, doch nicht der Weiber Knechte.

O laß, Kultur, in ihren Liebesfunken
Die Duldung wehn, gib ihnen Menschenrechte,
Sonst sterben sie, an eigner Schönheit trunken!
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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