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Das Tanzlied
#1
Das Tanzlied

I.


Von fern Musik, anschwellend, klar und rein.
Sie füllt mit ihren Stimmen alle Wälder,
schwebt über weiche Wiesen, goldne Felder
und trägt den Zauber auch in dich hinein.

Geniessend duldest du die süsse Pein.
Dass sie sich völlig nun mit dir vermähle,
durchdringt sie deine unberührte Seele
und wirkt in dir, wie schwerer, junger Wein.

Und unerlöst, wie hinter dunkeln Gittern,
wo eines neuen Lebens Hauch sie wittern,
die angespannten Glieder leise zittern.

Und plötzlich bricht der Wald sein banges Schweigen:
Im Takt der Töne sich die Zweige neigen.
Du atmest auf und du beginnst den Reigen.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#2
II.

Du schwebst im Takte seliger Gesänge
auf abendstiller Erde leicht dahin
als wär kein Wesen sonst seit Anbeginn
und tief in deiner Brust erbrausen Klänge.

Doch nie verirrst du dich in ein Gedränge.
Du bist allein. Du bist die Welt, der Sinn!
Du bist der Rhythmus! Du bist Königin!
Du bist Bewegung, Schönheit und bist Menge,

und deine Füsse haften nicht auf Erden.
Es lebt das All in deinen Handgebärden!
Du bist für jedes Ding das trunkne Ohr.

Zum Himmel hast die Blicke du gerichtet,
und alle Werke sind für dich gedichtet,
und deine Seele jubelt: Auf! Empor!
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#3
III.

Ermattet sinkst du auf die Erde nieder,
zu weit ins Blaue sich dein Blick verlor.
Noch immer liegt der Klang dir tief im Ohr,
und die Musik im Herzen hebt sich wieder.

Aufs Neue ist gelöst der Bann der Glieder,
und deine Lichtgestalt schwebt wie zuvor,
nur stiller, ruhevoller durch das Tor
der nahen Nacht, geschmückt mit duft'gem Flieder.

Gelassen ziehst du deine ew'gen Kreise
dahin, dahin auf unsichtbarem Gleise,
allmählich tauchest du im Schatten ein.

Die Füsse wollen ihren Dienst versagen
und wollen deinen Körper nicht mehr tragen -
Du fühlst es plötzlich: Grenzenlos allein ...
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#4
IV.

Zum leisen Schreiten wandelt sich dein Tanz,
und zögernd kommen auf des Feldes Mitte
zum Stillstand deine plötzlich schweren Schritte.
Auf deiner Stirne ruht ein fremder Glanz,

und um dein Haupt ringt sich ein Dornenkranz.
Dein Auge starrt, wie wenn es Schmerzen litte.
Es ist, als ob von deiner Schulter glitte
das Kleid der Freude, und als ob sie ganz

dich fliehen wollte und dich stumm verlassen
und treulos weiterwandern weisse Strassen,
und welke Trauer schleicht sich in dein Herz -

Das ew'ge Schicksal hast du vorempfunden,
und duldend trägst du seine roten Wunden
und neigst dein Haupt und bist auch gross im Schmerz.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#5
V.

Und wieder klinget eine Saite an,
nur leise, tief von innen, schmerzdurchlebt,
und deine qualerfüllte Seele bebt
und richtet ihre Blicke himmelan.

Und weiter trägt auf vorgeschriebner Bahn
dein Fuss dich hin. Und deine Seele hebt
den armen Leib, dass er mit ihr entschwebt,
und nicht mehr fühlest du den dumpfen Wahn,

der dich an diese dunkle Erde kettet,
mit Steinen in das gleiche Grab dich bettet -:
Du flügelst auf aus kaltem Mutterschoss,

des Erdreichs dumpfe Schwere überwindend
und mit dem Urgeist deinen Geist verbindend
und schwebest selig, aller Fesseln los.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#6
VI.

Mit einem Sinn, der über allen Sinnen,
empfindest du des Lebens dunkles Sein.
Nichts ist mehr aussen, alles flutet innen,
mit vollen Eimern tief in dich hinein.

Und neugestärkt, verklärter, stumm beginnen
die Füsse ihren alten, ew'gen Reih'n.
Die blauen Fernen leis vorüberrinnen,
es spiegelt sich in dir des Himmels Schein.

Es ruht in dir das Fernste, Längstvergangne,
von Geisteskräften mächtig Eingefangne
in einer Fülle, die du selbst nicht weisst,

die, aufgerufen, sich verhundertfältigt,
und plötzlich rufst du, gross, doch überwältigt:
"Nun bin ich Frucht! Empfange meinen Geist!"
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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