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Städtebilder (12)
#1
Städtebilder


I. - Brescia


Wie locken mich all deine Lieblichkeiten,
Du schönes Brescia! Nur noch einmal schauen
Möcht’ ich Morettos fürstlich-holde Frauen
Und all die werte Kunst versunkner Zeiten.

Wie durch ein Märchen glaubt’ ich hinzuschreiten
In totenstillen Gassen, an den grauen
Palästen hin; nur das Geschrei der Pfauen
Drang über Gartenmauern mir zur Seiten.

Doch wo die alten Tempeltrümmer grüßen
Aus dunkler Feigen Laub, trat ich hinein
Und sah die schönste der Viktorien thronen.

Lang ruht’ ich andachtsvoll zu ihren Füßen.
O Göttin, warum mußt du ehern sein!
Ein Kranz aus solcher Hand – wie würd’ er lohnen!


II. - Mailand

Daß du modern und halb französisch seist,
Vom Edelrost Italiens reingescheuert,
Ein blankes Klein-Paris, ward mir beteuert;
Echt sei hier nur, daß man Risotto speist.

Und doch, entschwand auch der gewalt’ge Geist,
Der deine Adelshäupter einst befeuert,
Im Kampf mit Östreich hast du ihn erneuert,
Den Ruhm, daß nichts dich von Italien reißt.

Wo nur dein Name klingt, wird zweier Werke
Gedacht, zu ew’gen Zierden dir errichtet,
Wie schönre nie italischen Geist erprobten.

Einst schuf des Lionardo heil’ge Stärke,
Das andre hat dein edler Sohn gedichtet:
Das wundervolle Buch der zwei Verlobten.


III. - Turin

Groß, still und einsam, wie ein schlichter Held,
Der, wenn er kühn bestanden schwere Proben,
Mit kümmerlichem Dank beiseit geschoben,
Sich stolz zurückzieht vom Geräusch der Welt,

So ruhst du. Deine Gassenadern schwellt
Kein frisches Lebensblut mit muntrem Toben.
Ernst blickt hernieder die Superga droben,
Wo deine Fürsten sich die Gruft bestellt.

Stumm und verödet ragt dein Königsschloß,
Das Adlernest, aus dem zu Kampf und Siege
Aufflog Savoyens Aar mit trotz’gen Flügeln.

Doch wie er glorreich auch zur Sonne schoß,
Niemals vergißt er seiner Jugend Wiege
Im neuen Horst dort auf den sieben Hügeln.


IV. - Genua
    Handlung ist der Welt allmächtiger Puls. Platen


Dein Puls, du stolzes Genua, ist erschlafft.
Noch sieht man herrlich dich im Halbrund thronen,
Als gält’s dem hehren Schauspiel beizuwohnen
Siegreicher Flotten, hoher Heldenkraft.

Doch statt zu handeln, treibst du Handelschaft.
Heut gelten Aktien statt der Staatsaktionen,
Die Schiffe bringen Waren fremder Zonen,
Nicht mehr Trophä’n, dem Sarazen entrafft.

Vom Geist der Zeit hast du dich bänd’gen lassen.
Ward doch die Bühne, die ihn spiegelt, heute
Ein Markt, wo täglich sich die Kurse wandeln.

Das höchste Kunstgesetz sind volle Kassen,
Und sehr verstimmt es die soliden Leute,
Läßt ein Charakterkopf nicht mit sich handeln.


V. – Pisa
              Beati i matti!
              Gius. Giusti. Le memorie di Pisa



Weich ist die Luft an deinem stillen Fluß,
Und Heil und Lindrung suchen hier die Kranken.
Wohl macht der schiefe Turm mit dem Gedanken
Vertraut, daß Irdisches zur Erde muß.

Hier fand einst Galileo, Schluß an Schluß
Tiefsinnig kettend, in der Ampel Schwanken
Des Pendels Norm, und aus den Blütenranken
Des Camposanto weht’s wie Geistergruß.

Doch freudig, auch von Ernst und Tod umfangen,
Blüht junge Kraft. Hier war’s, wo muntre Scharen
Beim „Ussero“ mit meinem Giusti schwärmten;

Wo sie das Lied von den drei Farben sangen
Und, wenn sie nachts voll süßen Weines waren,
„Selig die Toren!“ durch die Gassen lärmten.
 

VI. - Siena


Ich sah dich hellgeschmückt vom jungen Lenz,
Du höchstgetürmte von Toskanas städten,
Und Blütenbanner friedenvoll umwehten
Die einst’ge Nebenbuhlin von Florenz.

Dein Ruhmesanrecht – nur der Forscher kennt’s.
Der Wettstreit ruht; du bist zurückgetreten.
Doch Aug und Herz der Künstler und Poeten
Befreiten der Jahrhunderte Sentenz.

Hier folg’ ich gerne jener Heil’gen Spuren,
Die rührend edel Welt und Himmel maß
Mit reinstem Blick begnadeter Naturen.

Und wer, der jemals sie geschaut, vergaß
Die andern Wunderwerke dieser Fluren,
Die wonnigen Gestalten Sodomas!


VII. - Parma
              (Correggios Madonna della Scodella)


Des Himmels höchste Wölbung zu erfliegen
Ist deiner Engel Jubelsturm geglückt,
Und wieder liebtest du, dem Licht entrückt
In spielend süßer Dämmrung dich zu wiegen.

Auch der Gefühle Zwielicht, drin verschwiegen
Die Seele schwelgt, hat deinen Sinn entzückt;
So schufst du die Madonna reizgeschmückt,
Wert, daß die Himmel ihr zu Füßen liegen.

Noch ist sie irdisch ganz. Im Palmenwäldchen
Ruht sie behaglich an der schönsten Stelle,
Bei ihr das Götterkind, das sie geboren.

Die Schale füllt dem blonden Huldgestältchen
Ein Engel aus improvisierter Quelle,
Indes die Mutter lächelt traumverloren.


VIII. - Ancona

Für schlechtriechende Gassen entschädigt und des Sciroccos drückende Luft
der Triumpfbogen am Molo Trajans. Platen.


Zeigst du dich denn noch immer deutschen Dichtern
Im schlimmsten Licht? Es wälzte Nebelmassen
Auch mir Scirocco durch die schmutz’gen Gassen,
Und selbst der Bau Trajans stand grau und nüchtern.

Was fabelt hier von schönen Fraungesichtern
Das Reisebuch? Zu diesen fieberblassen,
Verkommnen Weibern will das Lob nicht passen;
Als ahnten sie’s, so geh’n sie stumm und schüchtern.

Doch ferne sei’s, von deinem trübsten Tage
Auf all die hellen, die die blühn, zu schließen
Und Leopardis Heimatflur zu schelten,

Gleich ihm, dem hohen Genius der Klage,
Dem, was ihm selbst versagt war zu genießen,
das Glück der welt, als Irrwahn mußte gelten.


IX. - Mantua

Kommst du nach Mantua, wirst du dir vor allen
Giulios berühmte Freskenwelt betrachten,
Sternbilder, Bachanal, Gigantenschlachten,
Und den Palast del Te erstaunt durchwallen.

Hast du an dreister Sinnenkraft Gefallen,
Magst du bewundern sein gewaltig Trachten
Und doch im stillen wohl nach Edlerm schmachten,
Das in der Seele weckt ein Widerhallen.

Dann flüchte zum Archivio notarile,
Wo Wand und Deckenraum Mantegna schmückte,
Mit der Gonzaga Bildern sie belebend.

Hier blüht die Kunst noch rein im schlichten Stile,
Eh’ Virtuosenhochmut sie berückte,
Der Erbschaft Raffaels sich überhebend.


X. - Venedig

Nun ist entthront die stolze Wellenbraut,
Die einst den trotz’gen Nacken bog dem Meere.
Nicht wird sie mehr auf goldner Prachtgaleere
Dem ungestümen Freier angetraut.

Doch in der Lenznacht, wenn mit Donnerlaut
Die Springflut steigt, dann ist’s, als ob die Hehre
Wehrlos dem Element zu eigen wäre,
Auf das sie tags so kühl herniederschaut.

Hoch über die Piazzetta schwillt die Flut
Und braust herein, ersäufend alle Gassen,
Und um San Marco plätschert Ruderschlag.

Das Meer umwirbt die Braut mit Liebeswut,
Doch nur die Füße darf es ihr umfassen
Und schleicht beschämt von dannen lang vor Tag.


XI. - Verona

Und so entläßt dich, wie sie dich empfangen,
Italiens schöne Tochter an der Schwelle,
Auf daß nach ihrer Mutter Sonnenhelle
Du sehnlich immer müssest heimverlangen.

All ihre Lieblichkeit und stolzes Prangen
Grüßt dich noch einmal aus des Stromes Welle;
Was dir der Süden bot, an dieser Stelle
Ist’s wie im Auszug dir vorbeigegangen.

Amphitheater, Dom, Arkaden, Plätze
Voll Marktgewühls und ausgelaßner Schreier,
Ja ein Triumphtor selbst ward nicht vergessen;

Der Mal- und Bildkunst unerschöpfte Schätze,
Glutaugen, leuchtend unter schwarzem Schleier,
Und jenes Giusti-Gartens Prachtzypressen.


XII. – Riva

Tu adesso riposa, vil maledetto, che
sei venuto dall’ alta montagna per
venir qua giu abbasso a rompere il
disopra della porta senza diritto!



Ich stieg von Riva jenen Pfad hinan,
Den breitgebahnten, nach dem Ledrotale,
Durch den in Katarakten der Ponale
Sich stürzt; und eh’ ich noch die Schlucht gewann,

Fand ich ein Haus am Weg. Ein Stück daran
War frisch gemauert über dem Portale,
Daneben trug die alte Wand, die kahle,
Die Kohleninschrift, die der Zorn ersann:

„Du halt nun Ruh, vermaledeiter Wicht,
Der du vom Hochgebirg zu dieser Mauer
Kamst, wider Recht den Türsturz einzubrechen!“

O Vater Shakespeare, dein Kothurn ist nicht
Zu hoch für sie! Wo lernte dieser Bauer
Wie deine Könige und Helden sprechen?


.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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