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Städtebilder (12) - ZaunköniG - 02.01.2024 Städtebilder I. - Brescia Wie locken mich all deine Lieblichkeiten, Du schönes Brescia! Nur noch einmal schauen Möcht’ ich Morettos fürstlich-holde Frauen Und all die werte Kunst versunkner Zeiten. Wie durch ein Märchen glaubt’ ich hinzuschreiten In totenstillen Gassen, an den grauen Palästen hin; nur das Geschrei der Pfauen Drang über Gartenmauern mir zur Seiten. Doch wo die alten Tempeltrümmer grüßen Aus dunkler Feigen Laub, trat ich hinein Und sah die schönste der Viktorien thronen. Lang ruht’ ich andachtsvoll zu ihren Füßen. O Göttin, warum mußt du ehern sein! Ein Kranz aus solcher Hand – wie würd’ er lohnen! II. - Mailand Daß du modern und halb französisch seist, Vom Edelrost Italiens reingescheuert, Ein blankes Klein-Paris, ward mir beteuert; Echt sei hier nur, daß man Risotto speist. Und doch, entschwand auch der gewalt’ge Geist, Der deine Adelshäupter einst befeuert, Im Kampf mit Östreich hast du ihn erneuert, Den Ruhm, daß nichts dich von Italien reißt. Wo nur dein Name klingt, wird zweier Werke Gedacht, zu ew’gen Zierden dir errichtet, Wie schönre nie italischen Geist erprobten. Einst schuf des Lionardo heil’ge Stärke, Das andre hat dein edler Sohn gedichtet: Das wundervolle Buch der zwei Verlobten. III. - Turin Groß, still und einsam, wie ein schlichter Held, Der, wenn er kühn bestanden schwere Proben, Mit kümmerlichem Dank beiseit geschoben, Sich stolz zurückzieht vom Geräusch der Welt, So ruhst du. Deine Gassenadern schwellt Kein frisches Lebensblut mit muntrem Toben. Ernst blickt hernieder die Superga droben, Wo deine Fürsten sich die Gruft bestellt. Stumm und verödet ragt dein Königsschloß, Das Adlernest, aus dem zu Kampf und Siege Aufflog Savoyens Aar mit trotz’gen Flügeln. Doch wie er glorreich auch zur Sonne schoß, Niemals vergißt er seiner Jugend Wiege Im neuen Horst dort auf den sieben Hügeln. IV. - Genua Handlung ist der Welt allmächtiger Puls. Platen Dein Puls, du stolzes Genua, ist erschlafft. Noch sieht man herrlich dich im Halbrund thronen, Als gält’s dem hehren Schauspiel beizuwohnen Siegreicher Flotten, hoher Heldenkraft. Doch statt zu handeln, treibst du Handelschaft. Heut gelten Aktien statt der Staatsaktionen, Die Schiffe bringen Waren fremder Zonen, Nicht mehr Trophä’n, dem Sarazen entrafft. Vom Geist der Zeit hast du dich bänd’gen lassen. Ward doch die Bühne, die ihn spiegelt, heute Ein Markt, wo täglich sich die Kurse wandeln. Das höchste Kunstgesetz sind volle Kassen, Und sehr verstimmt es die soliden Leute, Läßt ein Charakterkopf nicht mit sich handeln. V. – Pisa Beati i matti! Gius. Giusti. Le memorie di Pisa Weich ist die Luft an deinem stillen Fluß, Und Heil und Lindrung suchen hier die Kranken. Wohl macht der schiefe Turm mit dem Gedanken Vertraut, daß Irdisches zur Erde muß. Hier fand einst Galileo, Schluß an Schluß Tiefsinnig kettend, in der Ampel Schwanken Des Pendels Norm, und aus den Blütenranken Des Camposanto weht’s wie Geistergruß. Doch freudig, auch von Ernst und Tod umfangen, Blüht junge Kraft. Hier war’s, wo muntre Scharen Beim „Ussero“ mit meinem Giusti schwärmten; Wo sie das Lied von den drei Farben sangen Und, wenn sie nachts voll süßen Weines waren, „Selig die Toren!“ durch die Gassen lärmten. VI. - Siena Ich sah dich hellgeschmückt vom jungen Lenz, Du höchstgetürmte von Toskanas städten, Und Blütenbanner friedenvoll umwehten Die einst’ge Nebenbuhlin von Florenz. Dein Ruhmesanrecht – nur der Forscher kennt’s. Der Wettstreit ruht; du bist zurückgetreten. Doch Aug und Herz der Künstler und Poeten Befreiten der Jahrhunderte Sentenz. Hier folg’ ich gerne jener Heil’gen Spuren, Die rührend edel Welt und Himmel maß Mit reinstem Blick begnadeter Naturen. Und wer, der jemals sie geschaut, vergaß Die andern Wunderwerke dieser Fluren, Die wonnigen Gestalten Sodomas! VII. - Parma (Correggios Madonna della Scodella) Des Himmels höchste Wölbung zu erfliegen Ist deiner Engel Jubelsturm geglückt, Und wieder liebtest du, dem Licht entrückt In spielend süßer Dämmrung dich zu wiegen. Auch der Gefühle Zwielicht, drin verschwiegen Die Seele schwelgt, hat deinen Sinn entzückt; So schufst du die Madonna reizgeschmückt, Wert, daß die Himmel ihr zu Füßen liegen. Noch ist sie irdisch ganz. Im Palmenwäldchen Ruht sie behaglich an der schönsten Stelle, Bei ihr das Götterkind, das sie geboren. Die Schale füllt dem blonden Huldgestältchen Ein Engel aus improvisierter Quelle, Indes die Mutter lächelt traumverloren. VIII. - Ancona Für schlechtriechende Gassen entschädigt und des Sciroccos drückende Luft der Triumpfbogen am Molo Trajans. Platen. Zeigst du dich denn noch immer deutschen Dichtern Im schlimmsten Licht? Es wälzte Nebelmassen Auch mir Scirocco durch die schmutz’gen Gassen, Und selbst der Bau Trajans stand grau und nüchtern. Was fabelt hier von schönen Fraungesichtern Das Reisebuch? Zu diesen fieberblassen, Verkommnen Weibern will das Lob nicht passen; Als ahnten sie’s, so geh’n sie stumm und schüchtern. Doch ferne sei’s, von deinem trübsten Tage Auf all die hellen, die die blühn, zu schließen Und Leopardis Heimatflur zu schelten, Gleich ihm, dem hohen Genius der Klage, Dem, was ihm selbst versagt war zu genießen, das Glück der welt, als Irrwahn mußte gelten. IX. - Mantua Kommst du nach Mantua, wirst du dir vor allen Giulios berühmte Freskenwelt betrachten, Sternbilder, Bachanal, Gigantenschlachten, Und den Palast del Te erstaunt durchwallen. Hast du an dreister Sinnenkraft Gefallen, Magst du bewundern sein gewaltig Trachten Und doch im stillen wohl nach Edlerm schmachten, Das in der Seele weckt ein Widerhallen. Dann flüchte zum Archivio notarile, Wo Wand und Deckenraum Mantegna schmückte, Mit der Gonzaga Bildern sie belebend. Hier blüht die Kunst noch rein im schlichten Stile, Eh’ Virtuosenhochmut sie berückte, Der Erbschaft Raffaels sich überhebend. X. - Venedig Nun ist entthront die stolze Wellenbraut, Die einst den trotz’gen Nacken bog dem Meere. Nicht wird sie mehr auf goldner Prachtgaleere Dem ungestümen Freier angetraut. Doch in der Lenznacht, wenn mit Donnerlaut Die Springflut steigt, dann ist’s, als ob die Hehre Wehrlos dem Element zu eigen wäre, Auf das sie tags so kühl herniederschaut. Hoch über die Piazzetta schwillt die Flut Und braust herein, ersäufend alle Gassen, Und um San Marco plätschert Ruderschlag. Das Meer umwirbt die Braut mit Liebeswut, Doch nur die Füße darf es ihr umfassen Und schleicht beschämt von dannen lang vor Tag. XI. - Verona Und so entläßt dich, wie sie dich empfangen, Italiens schöne Tochter an der Schwelle, Auf daß nach ihrer Mutter Sonnenhelle Du sehnlich immer müssest heimverlangen. All ihre Lieblichkeit und stolzes Prangen Grüßt dich noch einmal aus des Stromes Welle; Was dir der Süden bot, an dieser Stelle Ist’s wie im Auszug dir vorbeigegangen. Amphitheater, Dom, Arkaden, Plätze Voll Marktgewühls und ausgelaßner Schreier, Ja ein Triumphtor selbst ward nicht vergessen; Der Mal- und Bildkunst unerschöpfte Schätze, Glutaugen, leuchtend unter schwarzem Schleier, Und jenes Giusti-Gartens Prachtzypressen. XII. – Riva Tu adesso riposa, vil maledetto, che sei venuto dall’ alta montagna per venir qua giu abbasso a rompere il disopra della porta senza diritto! Ich stieg von Riva jenen Pfad hinan, Den breitgebahnten, nach dem Ledrotale, Durch den in Katarakten der Ponale Sich stürzt; und eh’ ich noch die Schlucht gewann, Fand ich ein Haus am Weg. Ein Stück daran War frisch gemauert über dem Portale, Daneben trug die alte Wand, die kahle, Die Kohleninschrift, die der Zorn ersann: „Du halt nun Ruh, vermaledeiter Wicht, Der du vom Hochgebirg zu dieser Mauer Kamst, wider Recht den Türsturz einzubrechen!“ O Vater Shakespeare, dein Kothurn ist nicht Zu hoch für sie! Wo lernte dieser Bauer Wie deine Könige und Helden sprechen? . |