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Sonettenkranz zu Van Gogh
#1
Mit dem letzten Posting zu van Gogh ist nun auch ein Sonettenkranz zu den Bildern fertig geworden.
Ich denke, dass es Sinn macht ihn hier auch einmal komplett vorzustellen. Die Bilder sind bei den jeweiligen Einzel-Treads zu finden.


Van Gogh
Ein Sonettenkranz


01 - Landschaft mit Korngarben
und aufgehenden Mond


Ihr Werden ist schon im Moment enthalten,
als sie danieder liegen, abgemäht
von scharfer Sense, gleichmäßig und steht.
Die Äcker und die Berge rings erkalten
im Abendwind, doch warm erscheint der Mond.
Die Höfe in den Hügeln wollen schlafen.
Der Mond ist hell, doch seine Strahlen warfen
sie kühl zum vollgestellten Horizont

zurück. Dort steht wie eine Brandungswelle
der Bergkamm, eingefrorn im Überschlage.
Es ist ein Kreislauf, beinah eine List,

lässt man sich doch gern täuschen auf die Schnelle.
Das Licht des neuen Morgendämmerns ist
so wie erst kurz vorm Niedergang der Tage.


02 - Der Schnitter


So wie erst kurz vorm Niedergang der Tage
die Sonne lax den Himmel übergießt
mit ihrem Gold, so unbedingt zerfließt
der Weizen Halm für Halm zum Lichtmeer, vage

die Linie wo sich die Ähren brechen.
Mit Gleichmut sinken Reih um Reihe hin;
Es liegt fast etwas Tröstliches darin,
kommt man so auf des Schnitters Werk zu sprechen,

auf seine schwere aber frohe Mahd,
die ganz Bewegung ist, und Kraft, und Tat, -
Ein goldnes Handwerk, das im Überschwang

entgegen nimmt das volle Korn der Welt.
.....Solange Frucht noch neue Saat enthält,
.....folgt Blütezeit und Reife Erntedank.


03 - Die Kartoffelsetzer

Folgt Blütezeit und Reife Erntedank?
Die Bauern treibt heut nur ihr Tagwerk um.
Mit klammen Händen und den Rücken krumm
stehn sie im Feld. Die Feuchtigkeit macht krank.

Doch es ist Zeit die Knollen auszubringen,
in die zwei Handbreit, die der Spaten sticht.
Die Scholle teilt sich mühsam und zerbricht
zu fetten Brocken. Muffig nasskalt dringen

den Bauern Gicht und Grippe in die Glieder,
doch Reih um Reihe, wieder, immer wieder
ihr Wiegeschritt bis Sonnenuntergang.
Ob bis zum Tag des Herrn das Wetter hält?
Erdrückend überfällt von West die Welt
ein ungestümer tiefer Himmelstrank.


04 - Sternennacht


Ein ungestümer tiefer Himmelstrank
durchatmet frisch den Nord. - Den Wind zu zügeln
verbergen sich die Häuser hinter Hügeln;
nur eine Kirchturmspitze, spitz und schlank

ertastet sich das All, hat Teil am hohen
Gesang, der aus den ersten Sphären klingt.
Doch noch lebendigerer Nachhall schwingt:
Im Vordergrund steigt die Zypressenlohe;

Sie überragt wie eine Kathedrale
das Kirchspiel, das verschlafen liegt im Tal.
Darüber sich die Himmelsscharen jagen;
Ein Sternentaumel, der dort kreisst und kreisst.
Ein Mond mit aufgeräumten Höfen leis,
hält sich dem heimeligen Dorf die Waage.


05 - Bauernkate in Cordeville
bei Auvers-sur-Oise


Hält sich dem heimeligen Dorf die Waage,
was andern Ortes aus den Angeln kippt? -
Der Hof schmiegt sich in die geschützte Lage,
als ob er nur von dem Gewitter nippt,
das sich im Nachbarort zusammenbraut.
Der Wind frischt merklich auf, als wollt' er grade
die Betten schütteln - und der Himmel blaut.
allmählich kühlt er auch die Süd-Fassade,

Die Wipfel, die sich wild zerzausen lassen,
steh'n schwarz wie Rauch, dicht hinterm First hervor.
Daneben: sonn'beschienene Terrassen -

und gegenüber, als Allegorie
steht einsam, still ein Baum in weiter Flur.

Die blauen Schatten; ruhig treiben sie.. .


06 - Landschaft bei Saint Remy

Die blauen Schatten: Ruhig treiben sie
die Hügel auf und ab. Am Himmel bauscht
sich eine Wolke und das Grasmeer rauscht
im leichten Wellenspiel vor Saint Rémy.

Die Sonnenflecken treiben übers Feld
wie auf der Flucht. Berg, Wiese, Himmel haben
bei van Gogh nur eine Handvoll Farben.
Noch weiß man nicht, wie lang das Wetter hält;

gesättigt legt sich schon das fette Grün,
verstreute Hütten schmiegen sich in das
Gefälle. In die Sommerfrische schlich
sich eine Ahnung; Eine Brise, feucht,
liegt auf der Wiese, die die Halme scheucht,
an weichen Hängen aufwärts, Strich an Strich.


07 - Landschaft mit flanierendem Paar unter der Mondsichel


An weichen Hängen aufwärts, Strich an Strich,
zieht sich die Wiese und hebt an zu träumen.
Ein Paar geht zwischen den gedrungnen Bäumen,
ganz achtlos und beschäftigt nur mit sich.

Der Abend senkt sich, doch gemach, gemach;
Die Schatten haben uns noch nicht erreicht.
Das Grün des Grases leuchtet, satt und weich
und selbst der Dämmerhimmel tuts ihm nach,

nimmt seine Farben auf; - Wie Wolken bauschen
sich vollbelaubt die Kronen der Oliven.
Kein Blätterrauschen. - Bald verlischt das Licht.

Es schimmert hoch ein offner Mond, zu tauschen
die Sonne gegen Sterne aus den Tiefen,
wo die Geschäftigkeit des Tages wich.


08 - Caféterasse in Arles


Wo die Geschäftigkeit des Tages wich
verlischt nun Licht um Licht. Mit den Flaneuren
zerstreuen sich die Abendstunden, hören
die Uhr'n zu ticken auf. Hier vorne, dicht
geschmiegt in die Markise gleißt ein Licht,
wie eine Weisung ins gelobte Land.
Die Stühle steh'n der Straße zugewandt
und laden ein: Sei Gast und labe Dich
an leichtem Pyrenäenwein und Brie.
Und wenn es Limonade wäre,
wär's auch egal. Es zählt die Atmosphäre.

Gern zahlt man für ein Lächeln seinen Zehnt,
wo sich Behagen in die Nachtluft dehnt.
Da schwimmt ein Leuchten durch die Himmel,
.............................................................Sieh!


09 Zypressen mit zwei Frauen

Da schwimmt ein Leuchten durch die Himmel! Sieh
wie sich die Wolken an den Winden messen.
Die Wolken bauschen sich, auch die Zypressen;
Sie schütteln sich, als ob wer „Rührt euch!“ schrie.

Die Fläche schafft van Gogh nur aus Kontur
und lässt sie durch den Pinselschwung erwachen.
Die ganze Szene will sich locker machen,
als Dank dem Sonntag oder der Natur.

Vor den Zypressen: Schemen von zwei Leuten -
zwei Frauen, wie man gut erkennen kann,
doch hat das für das Bild nichts zu bedeuten.

Sieh, eine Woge kommt im Kornfeld an,
das nun die Einheit der Natur beweist,
wie sich dies satte Goldgelb aufwölbt, kreist.


10 - Sonnenblumen I.

Wie sich dies satte Goldgelb aufwölbt, kreist,
wahrhaftig im Erblühen und vergehen,
wird auch noch manches andre Bild entstehen.
Nimm jedes einzelne als ein Beweis
für meine Freude, die genauso strahlt
und Dich in meinem Heim willkommen heißt.

Sie sind noch etwas skizzenhaft; Du weißt.
Ich habe sie in einem Zug gemalt
bevor sie welken. Kräftig und doch sacht,
hab ich sie mehr gelebt als denn gemacht
Beinahe fügen sie sich selbst zusammen:
Hier nur getupft und dort ein kurzer Schwenk, -

Ich staune selbst, wie aus dem Handgelenk
die Striche leichterhand das Bild entflammen.


11 Unter Bäumen

Die Striche leichterhand das Bild entflammen:
Sie bilden gleichermaßen Sonnenflecken
und Blütenteppich. Efeuranken recken
sich nach den Bäumen. Zweie stehn zusammen,

Halt suchend, sich einander anzulehnen...
Was mögen dort für zarte Blumen blühn,
im Dickicht von wucherndem Immergrün,
wo soch doch alle nach der Sonne sehnen?

Doch blaue Schatten holen sie schon ein...
Ist es am Ende gar kein Blütenflor,
was Vincents dicke Tupfer dort gestalten?

Soll's nur das Spiel von Licht und Schatten sein?
Sei's drum. Ich stelle mir dort lieber vor,
wie sich die blauen Blumen sacht entfalten.


12 Stillleben mit Feldblumen und Rosen

Wie sich die blauen Blumen sacht entfalten,
wie Schmetterlinge schwerelos, so prasst
der Mohn mit seinem Rot wie Feuerblast.
Fast wie die gegensätzlichen Gewalten

von Tag und Nacht, die auch im Hintergrund
Fortsetzung finden. Margueriten zeigen
ein Feuerwerk an Energie und steigen
hoch aus dem Strauß heraus. Lebhaft und bunt

ist das Bukett, wie 's uns entgegenblickt,
doch ist 's der Blick zu Boden, der uns lehrt,
dass alles endet. - Stumm, in sich gekehrt,

vom Wasser abgeschnitten und geknickt,
zeigt uns ein jeder Rose welker Geist,
wie jeder Pinselstrich ins Zentrum weist.


13 Sonnenblumen II.

Wie jeder Pinselstrich ins Zentrum weist,
als sei der Blütenkelch ein Glutbassin,
versammeln sich dort Goldglanz und Satin.
Vereinzelt lodern Blüten auf, doch meist

hält jede ihre Glut ganz eng bei sich.
Die Sonnentage sind darin gespeichert,
zu einer Farb- und Leuchtkraft angereichert.
Die Sommersaaten reifen dicht an dicht

und ganz als ob dies Blütengold nicht reicht,
ist noch der Hintergrund gelb ausgemalt.
Die Wärme kommt nicht von den offnen Flammen -

Die Blütenblätter im Vergleich zu leicht,
weil nur zum Teil auch jeder Kranz dort strahlt.
Hier ruhen alle Kräfte dicht beisammen.


14 Der rosa Obstgarten

Hier ruhen alle Kräfte dicht beisammen:
Die Sonne, die durch Blütenflocken leuchtet,
der letzte Regen, der das Gras durchfeuchtet
zurückgelassen hat. Unmerklich kamen

die Frühlingsboten. Plötzlich sind sie da!
Ein Lichtfest, das sich nicht mehr halten lässt...
Kahl zeigt der Nachbarbaum noch sein Geäst;
der startet etwas später in das Jahr.

Blau scheint hindurch, die letzten Zirren flüchten.
Der Lenz, der zaghaft aus dem Winkel kroch,
hat nun den Raum, sich endlich zu entfalten.

Das satte Sommergrün mit schweren Früchten
gleicht einer fernen Phantasie, und doch:
Ihr Werden ist schon im Moment enthalten.






.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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