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Wegwarte
#1
Bot. Cichorium intybus

Noch wartet sie am Wege, blaubeblümt.
O Wandrer, lasse sie nicht unbeachtet!
Weit älter als du selbst und hoch gerühmt,
ward einst als Wunderblume sie betrachtet.

Der Wunder Schönstes wird dem Gast geschenkt,
der jakobstags sie sucht bei Sternenglanze
und mit dem Zauberwort sie leis bedenkt,
das einzig rührt den Sinn der Wunderpflanze.

Ein Hirschgeweih zur Hand, gräbt er sie aus,
berührt mit ihr, wen längst er wollt’ betören.
Kein Wesen widersteht dem blauen Strauß,
es wird, es muss den lieben Gast erhören:

So findet Tauber Taube, Taube Tauber,
so findet Taube Taube, Tauber – Zauber.
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#2
(27.10.2010, 12:25)Francesco schrieb: Bot. Cichorium intybus

Noch wartet sie am Wege, blaubeblümt.
O Wandrer, lasse sie nicht unbeachtet!
Weit älter als du selbst und hoch gerühmt,
ward einst als Wunderblume sie betrachtet.

Der Wunder Schönstes wird dem Gast geschenkt,
der jakobstags sie sucht bei Sternenglanze
und mit dem Zauberwort sie leis bedenkt,
das einzig rührt den Sinn der Wunderpflanze.

Ein Hirschgeweih zur Hand, gräbt er sie aus,
berührt mit ihr, wen längst er wollt’ betören.
Kein Wesen widersteht dem blauen Strauß,
es wird, es muss den lieben Gast erhören:

So findet Tauber Taube, Taube Tauber,
so findet Taube Taube, Tauber – Zauber.
hallo Francesco

das freute mich, die Wegwarte hier verdichtet zu sehen. von den, der Pflanze zugeschriebenen, Zauberkräften wusste ich bisher nicht. meine Großmutter hat früher Kaffeeersatz aus den getrockneten Wurzeln gemahlen.

die Pflanze war häufig auf den Wegen zum Auwald zu finden. ich schlenderte oft da durch. einmal war ein kleiner Fink mit dem Fuß an einer ihrer verästelten Stängelgabeln hängen geblieben, so dass ich ihn fast schon in der Hand hatte, aber er konnte sich noch selbst befreien. ich glaube es war ein Stieglitz gewesen. daran hab ich mich beim Lesen deines Textes erinnert.

zwei Stellen störten mich bei der Rezeption.
- das altertümliche „ward“ in Z4.
- die Formulierung „lieben Gast“ in den Terzetten.

das „ward“ liesse sich leicht ausmerzen mit einem schlichten „war“.

Vorschlag für die drittletzte Zeile:
Kein Wesen widersteht dem blauen Strauß,
es wird, es muss den Blumenwirt/Blumengast erhören:


auch das dreimalige „Wunder“ fiel mir auf und ich fragte mich ob beim dritten nicht „blauen Pflanze“ schöner käme. oder so:
das einzig rührt den Sinn der Blauen Pflanze.
(als Reverenz vor der Blauen Blume der Romantik).

denn diesen Zauber habe ich sehr wohl in deinen 14 Zeilen finden können, Francesco. sehr schön deshalb auch für mich die Gegenüberstellungen im Couplet. da startet Tauber versus Taube und es endet nach allen Variationen durch die Geschlechterpaarungen mit dem evozierten Zauber. hat mir sehr gefallen..

Gruß
Alcedo
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#3
Ja, die Wegwarte!

Wie der botanische Name nahelegt ist sie auch die Wildform des Chicoreé.
Erst vor kurzem ist mir ein Infoblatt der Verbraucherzentralen in die Hände gefallen mit einer Tabelle zu heimischem Gemüse, in der zu sehen ist, wann man frische Freilandware bekommt, wann Gewächshausware und wann Lagerwage.
Eigentlich ein löbliches Ansinnen, aber zum Chicorée ist der Tabelle zu entnehmen, dass er ganzjährig nur als Lagerware erhältlich ist. Da muss ich noch ein bisschen drüber nachdenken...

Gut Grün!
ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#4
(13.01.2018, 22:25)Francesco schrieb:
(17.04.2016, 09:35)Alcedo schrieb: hallo Francesco

das freute mich, die Wegwarte hier verdichtet zu sehen. von den, der Pflanze zugeschriebenen, Zauberkräften wusste ich bisher nicht. meine Großmutter hat früher Kaffeeersatz aus den getrockneten Wurzeln gemahlen.

die Pflanze war häufig auf den Wegen zum Auwald zu finden. ich schlenderte oft da durch. einmal war ein kleiner Fink mit dem Fuß an einer ihrer verästelten Stängelgabeln hängen geblieben, so dass ich ihn fast schon in der Hand hatte, aber er konnte sich noch selbst befreien. ich glaube es war ein Stieglitz gewesen. daran hab ich mich beim Lesen deines Textes erinnert.

zwei Stellen störten mich bei der Rezeption.
- das altertümliche „ward“ in Z4.
- die Formulierung „lieben Gast“ in den Terzetten.

das „ward“ liesse sich leicht ausmerzen mit einem schlichten „war“.

Vorschlag für die drittletzte Zeile:
Kein Wesen widersteht dem blauen Strauß,
es wird, es muss den Blumenwirt/Blumengast erhören:


auch das dreimalige „Wunder“ fiel mir auf und ich fragte mich ob beim dritten nicht „blauen Pflanze“ schöner käme. oder so:
das einzig rührt den Sinn der Blauen Pflanze.
(als Reverenz vor der Blauen Blume der Romantik).

denn diesen Zauber habe ich sehr wohl in deinen 14 Zeilen finden können, Francesco. sehr schön deshalb auch für mich die Gegenüberstellungen im Couplet. da startet Tauber versus Taube und es endet nach allen Variationen durch die Geschlechterpaarungen mit dem evozierten Zauber. hat mir sehr gefallen..

Gruß
Alcedo

Hallo Alcedo,

herzlichen Dank für deinen ausführlichen Kommentar!

Zu deinen Kritikpunkten:

Ward in 1.4 hatte ich bewusst gewählt. Dieses schöne alte und ursprüngliche Präteritum von werden, das leider der allgemeinen sprachlichen Einebnungstendenz mehr und mehr zum Opfer fiel, passt m.E. gut in die beschriebene Zauberwelt um die Wegwarte.

Auch an dem lieben Gast in 3.4 möchte ich gern festhalten. Der Gast ist ja ein von der Wegwarte herbeigesehnter, ein lieber Gast. Außerdem geht es in dem Text auch um Liebe, kommt aber nur an dieser Stelle, unmittelbar vor dem Finalcouplet zu Wort.

Zum dreimaligen Wunder: Dein Vorschlag zu 2.4 das einzig rührt den Sinn der Blauen Pflanze würde dann zu einem dreimaligen blau führen (vgl. blaubeblümt in 1.1 und dem blauen Strauß in 3.3).
Wunder als Leitmotiv für das ganze Sonett – vielleicht lässt sich die dreimalige Nennung unter diesem Aspekt doch rechtfertigen?
Ich werde darüber noch einmal nachdenken.

Besonders gefreut, Alcedo, habe ich mich über deine Worte zum Couplet meines Sonetts.
Ganz herzlichen Dank!

Gruß
Francesco
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#5
sie blühen grad wieder überall, die Wegwarten mit ihrem Blau.

hallo Francesco

danke für die Erläuterungen zu deiner Arbeitsweise.

gerade weil es um „Liebe“ geht, würde ich das Adjektiv beim „lieben Gast“ vermeiden. mir erscheint es hier in diesem Text zu explizit. auch jetzt, wenn ich das nach längerer Zeit wiederlese, driftet mir der Text an der Stelle deshalb ab ins Triviale.
vielleicht „jungen Gast“ nehmen, oder vielleicht fällt dir doch noch was besseres ein.

und ja, dieses Couplet ist herrlich, das kann ich nur erneut bestätigen.

Gruß
Alcedo
Come build in the empty house of the stare
- Yeats -
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