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Sonette um Anton Wildgans
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Sonette um Anton Wildgans
I. Gruss ins Jenseits
Du, der Du nimmermehr auf Erden weilst,
Lass Dir ein Wort dankbarer Liebe sagen,
Der Du die Wunden, die der Tag geschlagen,
mir immer wieder sänftigst und verheilst.
Wenn Du der Menschen Sein und Tun durcheilst
In Deinem Werk, als ob Dich Flügel tragen,
In Deinen allzu kurzen Erdentagen
Weisheit und Lehre meisterlich verteilst,
Dann bist Du ganz der wahre Richter-Dichter,
Wie Du gewollt, blickst in der Menschen Seelen,
Scheidest die reinen Herzen vom Gelichter
Und weisst zu urteiln und weisst auszuwählen.
Die Bösen trifft Dein Zorn und Dein Verdammen,
Die Guten trägst Du himmelwärts in Flammen.
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Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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II.
Musik der Kindheit
Klein-kleiner Knabe, ängstlich, blass und schlotternd,
Gingst Du zur Schule, - grauer Wintermorgen,
Dumpfe Beklemmung und des Lernens Sorgen
Gingen mit Dir. - Dann standst Du bang und stotternd
Vor Deinen Lehrern, die in Schmutz verlotternd,
Ihr heilig Amt vom blinden Zufall borgen
Und geben Pflicht statt Herz. - Kein rosig Morgen
Erhellt den Weg Dir, kindlein, blass und schlotternd.
Doch während Tag um Tag all' dies geschah,
erschloss in Deiner Seele sich die Blüte
Der Poesie. Dem Höchsten kamst Du nah,
Das uns der Ew'ge schenkt in seiner Güte:
Auf Erden weilen, Mensch sein unter diesen, -
Und gottwärts ragen mit dem Wuchs des Riesen.
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III.
Tanzstunde, Kinderball und erste Liebe
Und sie hiess Annie. Bei Madame Crombé
Bist Du ihr wohl zum ersten Mal begegnet.
Dann kam der Kinderball, so reich gesegnet,
Und doch gefolgt von so viel bitter'm Weh.
So klein und schon so reif, das zarte Reh,
und so zum Lieben, - aus den Augen regnet
Des Mitleids Nass. Gesegnet sei, gesegnet
Die künft'ge Mutter! - Glänzt wohl heut' schon Schnee
Auf ihrem Scheitel? Und sind, ihn zu küssen,
Auch Lippen da? - So, wie Du es erblickt,
Das Gnadenbild, das Dir von Gott geschickt,
Hiess gütig Schicksal es, verweilen müssen.
Sein süss Erinnern hielt Dich in der Ferne
Von allem Schmutz und zeigte Dir die Sterne.
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IV.
Helldunkle Jugend
Verdunkelt Haus und Sein. In bitt'rer Qual
Der kranke Vater auf dem Siechenbette,
Und Du, - so jung -, mit unsichtbarer Kette
Geschmiedet an die Hölle, - ohne Wahl.
In Vaters Antlitz blickst Du, bleich und fahl,
Bebenden Herzens, ob der Arzt ihn rette,
Und fragst Dich schaudernd: wer gewinnt die Wette?
Tod oder Leben, - noch dies eine Mal?
Doch während Dir das Herze blutend zuckt,
Bäumt sich die Jugend Dir in Leib und Seele,
Und sieh', die Sonne, die durch's Fenster guckt,
Zeigt Dir den Weg, auf dem man fort sich stehle,
Du fliehst zu Tanz und Lachen, Glück und Lieben, -
Und schon hat Dich Dein Herz zurückgetrieben.
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V.
Im Landhaus zu Mödling
Hier warst Du ganz Du selbst. Dein freier Blick
Glitt über Blum' und Wiesen, über Bäume,
Versunken in die bilderreichen Träume,
Die Dir beschied Geschick und Missgeschick.
Wie lockend legte um den Hals den Strick
Die Stadt Dir, flötend: Bleibe doch und säume,
Ich schenk' Dir Glück und Freude. - Leere Schäume!
Du flohst, erkennend: Alles Bluff und Trick.
Doch hier in Deinem Heim, auf Deinem Grund,
Inmitten Gotteshaus und Gotteserde,
Tat Deine Seele letzte Weisheit kund
Und hiess Dich durch ihr schöpferisches "Werde!",
Das Lied vom Glück und Leid der Menschen singen
Und so - gottnah' - unsterbliches vollbringen.
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VI.
In Mönichkirchen
Geliebte Landschaft! Träumerische Ferne!
es schlägt das Herz, es weitet sich die Brust,
Der Sturzbach rauscht zu Tal. Und unbewusst
Rührst Du die Leier und besingst die Sterne.
Da lockt der hohe Wald, den Du so gerne
Durchschritt'st in Wanderers und Sängers Lust,
Noch eh' ihm ferne bleiben Du gemusst,
Da siech schon war Dein Leib zu tiefst im Kerne.
Hier war es, wo in Glücks- und Leidenstagen
Du jauchzen konntest, weinen, spotten, richten
Und trösten, lieben und der Nachwelt sagen
Unsterblich Wort in ewigen Gedichten.
Den Menschen fern und ferne ihrer Rotte
Wardst Du hier zur Natur und fast zum Gotte.
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VII.
Während des Weltkrieges
Wie littest Du in dieser finstern Zeit,
Da Wahn die Menschheit in den Krieg getrieben,
Da ganz vergessen war das Wörtchen Lieben,
Da Schlechtigkeit und Ungerechtigkeit
Die ganze Welt in bluterfülltem Streit
Zur Hölle wandelte, da vorgeschrieben
So Hass wie Mord, da allen bösen Trieben
Die Erde unterworfen weit und breit!
Da tönte Deine Stimme durch die Lande
Wie Gottes Wort, Du riefest die Verbrecher
Als Richter auf, die Wucherer und Schächer,
Und die aus Machtgier sprengten alle Bande.
Auf Sieg nicht war, was damals Du gedichtet,
Nein auf Gerechtigkeit allein gerichtet.
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VIII.
Im Burgtheater
Zweimal hast Du's gewagt, zweimal gewonnen,
Zweimal verloren das verweg'ne Spiel,
Du stürzt Dich in die Bahn, gelangst ans Ziel,
Streckst aus den Arm, - und alles ist zerronnen.
Aus Dichters Werkstatt, diesem heil'gen Bronnen,
Zogst Du zur Burg. Des schwanken Schiffes kiel
Entzog Dich alle dem, was Dir so viel
Bedeutete, was Deines Lebens Sonnen.
Was war der Grund, warum Du, kranker Mann,
Dich zweimal opfertest, die heil'ge Fahne
Zweimal ergriffst in Deinem heil'gen Wahne,
Der alles von sich warf und nichts gewann?
Den Menschen wolltest Du, streitbarer Hüne,
Den Sinn des Lebens deuten von der Bühne.
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IX.
Gedichte
Band der Gedichte, Freund auf meiner Bahn,
Wie oft in grauen Sunden meines Lebens
Floh ich zu Dir, und niemals war's vergebens,
Du nahmst mich auf in Deinen schwanken Kahn
Und trugst mich, treuer, liebevoller Schwan,
An's ferne Ufer reinen Dichterstrebens,
Allwo Dein Lied des Läuterns und Erhebens
Mich heilte von so manchem ird'schen Wahn.
Ein Einz'ger war es, der mich so verführt
Mit seiner heil'gen Kunst und seiner Leier,
Dem jede Stunde Andacht war und Feier.
Der mich beglückt, verwandelt und gerührt. -
Kind Wiens und des Parnasses, die Dich kennen,
Sie werden Dich der Dichtkunst Schubert nennen.
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X.
Armut
O Vaterhaus, für And're Freud' und Glück,
Für Dich nur Siechtum, Düsternis und Enge, -
Trüber Gesellen finsteres Gedränge, -
Aufwühlendes, erschütternd Trauerstück.
Und doch, wenn die Gedanken sich zurück
Dir wandten, der Du draussen in der Menge,
Sahst Du den Mann, der für Dich ohne Strenge
Im Tiefsten war, wie er des Schicksals Tück'
Rührend und lächelnd trug, ein Gnadenbild,
Und wie der stille Held, - trotz schwerstem Lose,
Das ihm beschieden, - gleich wie eine Rose
Di seine Liebe gab, verklärt und mild.
So heilig war er, dass er selbst belehrte
Die harte, fremde Mutter und bekehrte.
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