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Sonette um Anton Wildgans - ZaunköniG - 15.11.2024 Sonette um Anton Wildgans I. Gruss ins Jenseits Du, der Du nimmermehr auf Erden weilst, Lass Dir ein Wort dankbarer Liebe sagen, Der Du die Wunden, die der Tag geschlagen, mir immer wieder sänftigst und verheilst. Wenn Du der Menschen Sein und Tun durcheilst In Deinem Werk, als ob Dich Flügel tragen, In Deinen allzu kurzen Erdentagen Weisheit und Lehre meisterlich verteilst, Dann bist Du ganz der wahre Richter-Dichter, Wie Du gewollt, blickst in der Menschen Seelen, Scheidest die reinen Herzen vom Gelichter Und weisst zu urteiln und weisst auszuwählen. Die Bösen trifft Dein Zorn und Dein Verdammen, Die Guten trägst Du himmelwärts in Flammen. . RE: Sonette um Anton Wildgans 02 - ZaunköniG - 21.03.2025 II. Musik der Kindheit Klein-kleiner Knabe, ängstlich, blass und schlotternd, Gingst Du zur Schule, - grauer Wintermorgen, Dumpfe Beklemmung und des Lernens Sorgen Gingen mit Dir. - Dann standst Du bang und stotternd Vor Deinen Lehrern, die in Schmutz verlotternd, Ihr heilig Amt vom blinden Zufall borgen Und geben Pflicht statt Herz. - Kein rosig Morgen Erhellt den Weg Dir, kindlein, blass und schlotternd. Doch während Tag um Tag all' dies geschah, erschloss in Deiner Seele sich die Blüte Der Poesie. Dem Höchsten kamst Du nah, Das uns der Ew'ge schenkt in seiner Güte: Auf Erden weilen, Mensch sein unter diesen, - Und gottwärts ragen mit dem Wuchs des Riesen. . RE: Sonette um Anton Wildgans 03 - ZaunköniG - 27.03.2025 III. Tanzstunde, Kinderball und erste Liebe Und sie hiess Annie. Bei Madame Crombé Bist Du ihr wohl zum ersten Mal begegnet. Dann kam der Kinderball, so reich gesegnet, Und doch gefolgt von so viel bitter'm Weh. So klein und schon so reif, das zarte Reh, und so zum Lieben, - aus den Augen regnet Des Mitleids Nass. Gesegnet sei, gesegnet Die künft'ge Mutter! - Glänzt wohl heut' schon Schnee Auf ihrem Scheitel? Und sind, ihn zu küssen, Auch Lippen da? - So, wie Du es erblickt, Das Gnadenbild, das Dir von Gott geschickt, Hiess gütig Schicksal es, verweilen müssen. Sein süss Erinnern hielt Dich in der Ferne Von allem Schmutz und zeigte Dir die Sterne. . RE: Sonette um Anton Wildgans 04 - ZaunköniG - 29.03.2025 IV. Helldunkle Jugend Verdunkelt Haus und Sein. In bitt'rer Qual Der kranke Vater auf dem Siechenbette, Und Du, - so jung -, mit unsichtbarer Kette Geschmiedet an die Hölle, - ohne Wahl. In Vaters Antlitz blickst Du, bleich und fahl, Bebenden Herzens, ob der Arzt ihn rette, Und fragst Dich schaudernd: wer gewinnt die Wette? Tod oder Leben, - noch dies eine Mal? Doch während Dir das Herze blutend zuckt, Bäumt sich die Jugend Dir in Leib und Seele, Und sieh', die Sonne, die durch's Fenster guckt, Zeigt Dir den Weg, auf dem man fort sich stehle, Du fliehst zu Tanz und Lachen, Glück und Lieben, - Und schon hat Dich Dein Herz zurückgetrieben. . RE: Sonette um Anton Wildgans 05 - ZaunköniG - 31.03.2025 V. Im Landhaus zu Mödling Hier warst Du ganz Du selbst. Dein freier Blick Glitt über Blum' und Wiesen, über Bäume, Versunken in die bilderreichen Träume, Die Dir beschied Geschick und Missgeschick. Wie lockend legte um den Hals den Strick Die Stadt Dir, flötend: Bleibe doch und säume, Ich schenk' Dir Glück und Freude. - Leere Schäume! Du flohst, erkennend: Alles Bluff und Trick. Doch hier in Deinem Heim, auf Deinem Grund, Inmitten Gotteshaus und Gotteserde, Tat Deine Seele letzte Weisheit kund Und hiess Dich durch ihr schöpferisches "Werde!", Das Lied vom Glück und Leid der Menschen singen Und so - gottnah' - unsterbliches vollbringen. . RE: Sonette um Anton Wildgans 06 - ZaunköniG - 04.04.2025 VI. In Mönichkirchen Geliebte Landschaft! Träumerische Ferne! es schlägt das Herz, es weitet sich die Brust, Der Sturzbach rauscht zu Tal. Und unbewusst Rührst Du die Leier und besingst die Sterne. Da lockt der hohe Wald, den Du so gerne Durchschritt'st in Wanderers und Sängers Lust, Noch eh' ihm ferne bleiben Du gemusst, Da siech schon war Dein Leib zu tiefst im Kerne. Hier war es, wo in Glücks- und Leidenstagen Du jauchzen konntest, weinen, spotten, richten Und trösten, lieben und der Nachwelt sagen Unsterblich Wort in ewigen Gedichten. Den Menschen fern und ferne ihrer Rotte Wardst Du hier zur Natur und fast zum Gotte. . RE: Sonette um Anton Wildgans 07 - ZaunköniG - 10.04.2025 VII. Während des Weltkrieges Wie littest Du in dieser finstern Zeit, Da Wahn die Menschheit in den Krieg getrieben, Da ganz vergessen war das Wörtchen Lieben, Da Schlechtigkeit und Ungerechtigkeit Die ganze Welt in bluterfülltem Streit Zur Hölle wandelte, da vorgeschrieben So Hass wie Mord, da allen bösen Trieben Die Erde unterworfen weit und breit! Da tönte Deine Stimme durch die Lande Wie Gottes Wort, Du riefest die Verbrecher Als Richter auf, die Wucherer und Schächer, Und die aus Machtgier sprengten alle Bande. Auf Sieg nicht war, was damals Du gedichtet, Nein auf Gerechtigkeit allein gerichtet. . RE: Sonette um Anton Wildgans 08 - ZaunköniG - 12.04.2025 VIII. Im Burgtheater Zweimal hast Du's gewagt, zweimal gewonnen, Zweimal verloren das verweg'ne Spiel, Du stürzt Dich in die Bahn, gelangst ans Ziel, Streckst aus den Arm, - und alles ist zerronnen. Aus Dichters Werkstatt, diesem heil'gen Bronnen, Zogst Du zur Burg. Des schwanken Schiffes kiel Entzog Dich alle dem, was Dir so viel Bedeutete, was Deines Lebens Sonnen. Was war der Grund, warum Du, kranker Mann, Dich zweimal opfertest, die heil'ge Fahne Zweimal ergriffst in Deinem heil'gen Wahne, Der alles von sich warf und nichts gewann? Den Menschen wolltest Du, streitbarer Hüne, Den Sinn des Lebens deuten von der Bühne. . RE: Sonette um Anton Wildgans 09 - ZaunköniG - 16.04.2025 IX. Gedichte Band der Gedichte, Freund auf meiner Bahn, Wie oft in grauen Sunden meines Lebens Floh ich zu Dir, und niemals war's vergebens, Du nahmst mich auf in Deinen schwanken Kahn Und trugst mich, treuer, liebevoller Schwan, An's ferne Ufer reinen Dichterstrebens, Allwo Dein Lied des Läuterns und Erhebens Mich heilte von so manchem ird'schen Wahn. Ein Einz'ger war es, der mich so verführt Mit seiner heil'gen Kunst und seiner Leier, Dem jede Stunde Andacht war und Feier. Der mich beglückt, verwandelt und gerührt. - Kind Wiens und des Parnasses, die Dich kennen, Sie werden Dich der Dichtkunst Schubert nennen. . RE: Sonette um Anton Wildgans 10 - ZaunköniG - 20.04.2025 X. Armut O Vaterhaus, für And're Freud' und Glück, Für Dich nur Siechtum, Düsternis und Enge, - Trüber Gesellen finsteres Gedränge, - Aufwühlendes, erschütternd Trauerstück. Und doch, wenn die Gedanken sich zurück Dir wandten, der Du draussen in der Menge, Sahst Du den Mann, der für Dich ohne Strenge Im Tiefsten war, wie er des Schicksals Tück' Rührend und lächelnd trug, ein Gnadenbild, Und wie der stille Held, - trotz schwerstem Lose, Das ihm beschieden, - gleich wie eine Rose Di seine Liebe gab, verklärt und mild. So heilig war er, dass er selbst belehrte Die harte, fremde Mutter und bekehrte. . |