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Gefangenschaft : 2. Gericht
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Heimat
So schön, so süß, so heilig ist kein Wort,
daß Menschenmund damit nicht Mißbrauch triebe
und Menschenschrift es nicht entstellend schriebe,
bis von den Wurzeln her sein Sinn verdorrt.
Wenn das dem Hauchwort Heimat, diesem Hort
der deutschen Sprache, doch erlassen bliebe!
Geschwätz von Heimattreue, Heimatliebe
nimmt allen Duft der beiden Silben fort.
Gefühl, das in Gemüthes Tiefe wohnt,
wird öffentlich zu Phrasenkitsch gedrechselt
und höchste Treu' mit Undank schnöd belohnt:
die Treue derer, die man heimatlos -
indem man Heimat mit Besitz verwechselt -
zu nennen sich erfrecht, in Frechheit groß.
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Vaterland
Den Geist in spanische Stiefel einzuzwängen
wird Mühe sonder Maßen aufgewandt.
So sucht man auch des Kraftworts Vaterland
Sinn und Bedeutung künstlich zu verengen.
Vergebne Müh', Sehnsucht zurückzudrängen,
die, nicht in alter Grenzen Haft gebannt,
Begriffe weit und immer weiter spannt,
gehorchend größeren Zusammenhängen!
Wem kann ein unnatürlich Zwerggebild,
das Haß und Angst der Kriegspsychose schufen,
als Vaterland genügen, wenn es gilt,
emporzusteigen die verwehrten Stufen
zu höherer Einheit? Nur Erfüllung stillt
den Drang in Frieden. Stamm und Sprache rufen.
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Nation
Es wäre auf dem Weg in beßre Zeiten
der erste Schritt, der dringendste Entschluß,
der Einigung, die kommen wird und muß,
nicht länger Hindernisse zu bereiten.
Will man dem einen Volk ein Recht bestreiten,
in dessen unbestrittenen Genuß
die andern sind? Will neidischer Verdruß
verblendet neuerdings zum Kriege schreiten?
Der Sprache und des Blutes starke Bande,
umfassend ein geschlossenes Gebiet,
bestimmen dies Gebiet zum Vaterlande,
allwo das Unabwendbare geschieht:
daß nach der Zwietracht Schmach, des Haders Schande
die Nation in ihm das ihre sieht.
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Ein Gleiches
Die Nation soll werden, ein natürlich
gewachsener Körper, dem kein Glied mehr fehlt,
von einer großen Seele Kraft beseelt,
der Kraft bewußt, doch mehr nicht als gebührlich;
denn Überhebung fordert unwillkürlich
den Haß heraus, der da und dort noch schwelt
und schon auf neue Helfersflammen zählt
für neuen Brand - so sagt man doch figürlich.
Trotz allem soll sie werden, die Nation,
so frei wie deutsch, nicht anderen zu Leide,
nicht Prahlobjekt für einen frühern Thron,
noch - Gott behüte! - Kampfobjekt für beide,
nach außen und in Innern frei von Fron,
in schlichtem, stolzem, selbstgewebtem Kleide.
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Ein Drittes
Die Nation soll werden und bestehen.
Bestehen wird sie, findet sie den Mut,
das reine, dauernde Gedankengut
des Sozialismus nicht nur klar zu sehen,
nein, auch entschlossen seinen Weg zu gehen,
den Weg, auf dem in starken Glaubens Glut
des Volks, der Völker Hoffnungsglück beruht,
den Weg zu welterlösendem Geschehen.
Vorbildlich so, gereinigt von den Nestern
der Rückschrittsbrut in weitestem Verstande,
vom Alpdruck frei des Vorgestern und Gestern,
sei die Nation im großen Vaterlande
mit gleichen Rechten Schwester unter Schwestern,
ein wirkend Glied in höherem Verbande.
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Berufen und auserwählt
Das Volk des Denkers, dessen Geistesschächten
des Geistes dreifache Kritik entsprang;
das Volk des Dichters, dem der Wurf gelang,
in tiefstes Spiel mit überirdischen Mächten
den Menschen ewig-gültig einzuflechten;
das Volk des Töners, dessen Sturm und Drang
in einer Neunten zu den Sternen klang;
das Volk der ungezählten Großen, Echten:
das deutsche Volk erwarte seine Stunde!
Der Rechte eingedenk, die ihm gebühren,
berufen, frei zu stehn auf freiem Grunde,
sei es ihm fern, an fremdem Recht zu rühren.
Im Geist des Fortschritts in der Völker Bunde
mitschaffend, wär' es auserwählt, zu führen.
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Völkerbund
Es wäre falsch, den Völkerbund zu ächten,
weil er bisher des öfteren versagte:
zu groß ist der Gedanke, der es wagte
zu hoffen, daß die Staaten höhern Rechten
der Völker und der Menschheit Opfer brächten,
zu schön der Wunschtraum, daß ein Morgen tagte,
da auf dem Erdkreis, den kein Krieg mehr plagte,
die Kontinente für einander dächten.
So fruchtbar ist der irdische Planet,
um zwei Milliarden reichlich zu ernähren;
nur weil kein ordnendes Gesetz besteht,
herrscht da noch Überfluß und dort entbehren.
In diesem Punkt, um den sich alles dreht,
müßte der Bund der Völker sich bewähren.
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Menetekel
Wenn aber die Gesellschaft der Nationen
sich blos als Bund der Herrschenden betrachtet,
der Massen Elend souverän mißachtet
und Reverenz erweist den Millionen
des Wucherkapitals der blauen Bohnen
und jeglichen Geräts, das Menschen schlachtet;
wenn sie nicht schafft, wonach Verzweiflung schmachtet,
ein hülfreich friedliches Beisammenwohnen;
wenn sie, statt alles Handeln, alles Denken
auf Besserung des Daseins hinzulenken,
des allgemeinen Rückschritts Rüstung stützt:
dann wird nach einem neuen Gang der Waffen
der Massen Wille neue Ordnung schaffen.
Ein Sturm wird sein, vor dem kein Zauber schützt.
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Des Zornes Pfeife
Du unverbesserlicher Utopist,
ist dir die Lust noch immer nicht vergangen,
Träumen von Weltbeglückung nachzuhangen,
um deretwillen du hier seßhaft bist?
Nun hält dich Rachgier schon geraume Frist,
sich selbstbefriedigend, in ihren Zangen.
Es rührt sich nichts. Du bist und bleibst gefangen,
solang dich Bosheit vorbedacht vergißt.
Derweilen ist es warm geworden. Schwüle
beschwert den Atem und des Hauses Wanzen
sind aufgewacht aus Winterschlafeskühle.
Schal schmeckt der Krug. Du darfst dich nach dem Ganzen
nicht wundern, wenn Gedanken und Gefühle
ein Tänzchen nach des Zornes Pfeife tanzen.
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Trostbücher
Zorn hinter Mauern stößt auf taube Türen,
gerechte Flüche bleiben leerer Schall.
Sei wieder Philosoph! Auch deinen Fall,
den kleinen, wird die Zeit zu ende führen.
Klein ist dein Fall. Um das so recht zu spüren,
zugleich zum Trost, lies nach im Mémorial
de Sainte-Hélène! Dann kann dein Leiden all,
das nichtige, dich künftig nicht berühren.
Und noch ein Trostbuch, Gorkis Mutter, harrt
auf deinem Tischchen. Trotzige Gestalten,
fanatisch gläubig in ihr Ziel vernarrt,
vorbildlich tüchtig im Zusammenhalten,
in Kerkern fröhlich, werden Gegenwart:
Eroberer der welt, die nicht veralten.
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Pfingsten
Pfingsten sind da, des Geistes blühend Fest,
so lieblich draußen, hier gedrängte Qual,
mehr noch denn andre Feste öd und schal,
weil just vom Geist sich nichts erwarten läßt.
Sogar ans Lesen gehst du wie gepreßt,
als wäre Kost des Geistes so frugal
wie dein hinabgewürgtes Mittagsmahl,
und endlos dünkt dich dieses Sonntags Rest.
Die Tür springt auf. Es ist der Kontrollor:
Geschwind zusammenpacken! Sie sind frei!
Gleich gehen wir! - Wer nie den Kopf verlor,
begreift den Taumel nicht. Auf eins-zwei-drei
schnürst du dein Bündel, tanzt und lallst dir vor:
O Welt! O Weib! O Kind! O Glück! O Mai!
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Neues Schicksalssprüchlein
Wie schwelgt ein Herz in töricht wirrem Gruße
so nah geglaubter Herrlichkeit entgegen!
Kein Zweifel darf sich nüchtern mahnend regen,
für kühles Denken fehlen Lust und Muße.
Doch gibt es Erdenfreuden ohne Buße
und ohne Neid der Hölle Himmelssegen?
Folgt nicht dem Glück selbst auf geheimsten Wegen
Enttäuschung unerbittlich auf dem Fuße?
So mußt auch du mit etlichen Genossen
das neue Schicksalssprüchelein vernehmen:
die Untersuchung ist nicht abgeschlossen;
denn mildere Gesetzesstellen kämen
noch in Betracht. Und pudelhaft begossen
mußt du zum "Heinrich" wieder dich bequemen.
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Möglichkeiten
Der grüne Autobus setzt seine Last
pfingsfestlich ab im wohlbekannten Haus
der Hermandad. Man forscht dich greifend aus,
ob du nicht Konterbande hast.
Ein Raum, der mehrere Bewohner faßt,
ist bald gefüllt. Wo will das nun hinaus?
Folgt neue Marter überstandnem Graus?
Ist Hoffnungsfreude unnützer Ballast?
Wir diskutieren beide Möglichkeiten:
Freiheit ist eine, wenn auch ziemlich mager,
weil Späheraugen jeden Schritt begleiten,
so Freiheit doch; die andere der Schlager
der schlimmen Operette dieser Zeiten,
das lächelnde Gespenst: Anhaltelager.
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