12.09.2023, 18:48
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Ich stieß, ein Pilger, von Italiens Küste
Ich stieß, ein Pilger, von Italiens Küste,
Ein zartes Saitenspiel in meiner Hand;
Mich zog ein hohes, freudiges Gelüste
Zur Stätte, wo das Kreuz der Sühne stand.
O hehrer Tag, da Salem ich begrüßte,
Das Felsengrab erspäht’ im Lichterbrand,
Den heil’gen Staub mit brünst’gen Lippen küßte
Und Thränen nur als Zoll der Andacht fand!
Hier war’s, wo noch in frommer Pilger Schaaren
Des Einen Christenstamms, des vielverzweigten,
Getrennte Reiser all vereinigt waren.
Von Allen, die das Haupt zur Erde neigten,
In allen Zungen, die bislang erklungen,
Ward hier des Graberstand’nen Ruhm gesungen!
In der Grabeskirche
Nur eine Nacht in weiter Tempelrunde,
Auf Golgatha, dem Felsensühnaltar!
Der Andachtschauer macht, der Ernst der Stunde
Dir das Geheimnis der Erlösung klar.
Die Reue strömt aus jeder Seelenwunde,
In ganzer Blöße stellt der Mensch sich dar;
Doch des Versöhnungstodes froher Kunde
Entquillt Genesung mild und wunderbar.
Dein Fuß, er bebt, in’s Marmorgrab zu treten,
Im Heiligsten des Heiligthums zu beten
Die Lippe selbst in hehrster Stille zagt.
Du schlummerst selig an des Grabes Stufen,
Bis wach dich ernste Möncheschöre rufen,
Und durch das Tempelthor der Morgen tagt.
Die Via Dolorosa
Dort schrie die feile Menge: “Kreuzigt Ihn!”
Und wusch der Römer frevelnd seine Hände,
Hier floß der edlen Frauen Mitleidsspende,
Hier sah die Mutter Ihn, die Dulderin.
Dies ist der Weg, und Golgatha sein Ende,
Den Jesus mit dem Kreuze mußte ziehn!
An tausenjährgen Malen rankt sich hin
Die schmerzlichste, die heiligste Legende. –
Wenn über euch die bleichen Sterne schweben,
Die vom Verrätherkuß euch Kunde geben,
Und ihr kein fremdes Athmen rings verspürt:
Dann wandelt diesen Weg, den Er geschritten,
Der an dem Kreuz den Opfertod erlitten, -
Es bleibt ein steinern Herz nicht ungerührt.
Die Oelbäume im Gethsemane
„Wir sah’n den Fall Jerusalem’s, das Feuer,
Das jenes Tempels Wunderbau verzehrte,
Die Not, so Mütter mit dem Beil bewehrte
Zu schlachten, was dem Schooß und Herzen theuer:
Uns schauderte, das Weh war ungeheuer;
Und als seldschuken rasten mit dem Schwerte,
Als Feuer, Pest und Hunger wiederkehrte,
Da schnitt durch’s alte Mark ein Schmerz, ein neuer.
Doch keiner glich dem tiefern Mitgefühle
Zur Zeit, als Jesus in der Abendkühle
Den größten Seelenkampf hier ausgestritten.
Wir steh’n als jener Stund’ uralte Zeugen,
Wir sah’n ihn blutend sich zur Erde beugen
Und litten bebend mit, was er gelitten.
Das Thal Josaphat
O Thal des Schweigens, tiefgefurchtes Tal
Der Schatten, Gräbertal! Wann wird es tagen?
Wann zu des Weltgerichtes großem Fragen
Die Gräber öffnen der Posaunen Schall? –
Am steilen Abhang liegen Mal an Mal;
Die Schritte hemmt ein ehrfurchtvolles Zagen,
Ein ernstes Wort hat jedes Grab zu sagen,
Des Lebens Hochflut stockt an seinem Wall.
Ihr starrt mich, off’ne Grabeshöhlen, an.
Der frech den Schlußstein hat hinweggerissen,
Verfiel wohl selbst schon euren Finsternissen.
Ein kleines Thal, kann’s Größeres umfahn?
Hier ruht ein Volk mit glänzender Geschichte,
Hier weh’n die Schauder kommender Gerichte.
Vom Oelberg
„O welche Steine, Meister! Welch’ ein Bau!“
Des Tempels Anblick macht die Jünger trunken;
Doch Christus spricht, in Traurigkeit versunken,
Vom Auge träuft des Mitleids Thränenthau:
„O weh des Greuels, den im Geist ich schau’!
Schon jetzo hegst du der Verheerung Funken,
Bald wird kein Stein mehr ob dem andern prunken,
Verödung heißt dein Antlitz, wüst und rauh.
Jerusalem, Prophetenmörderin!
Hab ich nicht oft die Flügel ausgespannt
Der Henne gleich, wenn sie die Kücklein schützt?
Du willst nicht unter meinen Fittich fliehn,
Du steinigst, die von Gott zu dir gesandt,
Des Heiles Frist, du hast sie nicht benützt.“
Magdalena
Zum Mahle lud den Heiland einst mit süßen,
Mit Gleißnerworten Einer auch von Jenen,
Die sich gerecht vor Gottes Augen wähnen
Und geizen nach des Marktes Gunst und Grüßen.
Da warf ein Weib dem Meister sich zu Füßen,
Benetzet sie mit ihren heißen Thränen
Und trocknet sie mit ihres Haares Strähnen
Und salbt und küsset sie mit brünst’gen Küssen.
Argwöhnt der Wirth: Hm, ist mein Gast Prophet,
So weiß er, daß ihm naht ein sündhaft Weib,
Was stößt er sie nicht gleich von seinem Leib?
Spricht Christus, der sein faules Herz durchspäht:
„Ihr wird, die viel geliebt, auch viel vergeben“ –
Und sagt zum Weib: „Du sollst in Frieden leben.“
Der Friedenskönig
Der Friedenskönig kommt herangezogen,
Jerusalem, empfange David’s Sohn!
Der Rücken eines Füllens ist sein Thron,
Und Palmen neigen sich zum Siegesbogen.
Die Freudenbotschaft ist vorausgeflogen,
Es rauscht und strömt aus allen Thoren schon,
Vom Tempel widerhallt der Jubelton,
Im Thalbett stauen sich des Volkes Wogen.
Und Festgewande breiten auf den Pfad,
Die weit voraus dem Weltbefreier wandern,
Und grüne Reiser streuen hin die Andern.
Die Menge ruft, es ruft die Sion-Stadt:
Dein König, Israel! er kommt, der Hehre!
Dem Gottgesandten Preis und Ruhm und Ehre!
Bethseba
Jerusalem, das schlummernde zu wecken,
Die Sonne hell vom Oelberg niedersah:
Schon glänzt die Opferhöhe Morija,
Doch in den Gärten dämmern noch die Hecken.
Da hebt sich weiß aus kühlen Marmorbecken,
Mit reizevollen Gliedern Bethseba,
Erlauscht der erste Strahl, denn siehe da,
Die Büsche zögern, solche Pracht zu decken.
Von stolzer Zinne seiner Veste schaut
Den jungen Tag der königliche Sänger
Und schaut Urias’ Weib vom Bad bethau’t.
Der König glüht und sinnt... „der Mann verderbe!“
Und sann und schrieb und zauderte nicht länger:
„Urias gib den Feinden preis, er sterbe!“
Salomon und die Königin von Saba
Nach Salem zog mit Knechten, Dromedaren,
Und goldnen Schätzen Saba’s Königin,
Manch dunkles Wort erwog sie her und hin,
In Räthseln wollte sie sich offenbaren.
Doch Sonne Weisheit scheucht der Nebel Schaaren
Und deß hat König Salomon Gewinn,
Sie läßt des Weibes liebendzagen Sinn
Im Herzen ihn der Herrscherin gewahren.
Die Fürstin staunt ob seines Hauses Macht,
Ob seiner Knechte Thun und reicher Tracht
Und ob des Tempels Majestät und Pracht:
„Dein Ruhm, von dem ich glaubte, daß er trüge,
Vor deiner Weisheit ist er Neid und Lüge;
Denn keine Zunge preist dich zur Genüge.“
Joas
Es saust ein Wettersturm von Sion aus
Zerschmetternd Haine, Tempel und Altäre;
Und daß der Rache Glut den Greul verzehre,
Zückt rothen Feuers Blitz aus dem Gebraus.
Der König eifert für Jehova’s Haus,
Zermalmt die Götzen mit des Zornes Schwere
Und schwingt die Axt und herrscht ihr zu: Verheere!
Und lischt den Opferbrand, das Rauchwerk aus.
Er hat auf Neu mit alter Herrlichkeit
Das Heiligthum geschmückt und öffnet weit
Leviten, Priestern, allem Volk das Thor.
Und sieh’, es hebt sich unter Psalmensang,
Trompetenschall und süßem Harfenklang
Der Hekatomben Sühnungsrauch empor! -
Rückkehr in die Heimat
Auf Morija liegt siebzigjähr’ger Schutt,
Der Schutt von Salomonis Tempelhallen,
Doch fernher Trümmer eines Volkes wallen
Zum heilgen Berg mit neugewecktem Mut.
Ein Altar steht, es rauscht die Opferglut
Und horch, schon jubeln Babylons Vasallen,
Vergessen ist die Knechtschaft, Allen, Allen
Ist ja die Heimat lieb, Jehova gut!
Und sieh’, ein neuer Tempel will erstehen;
Die Schaaren jubeln, die den Grundriß sehen,
Vor Opferfreude, Stolz und Zuversicht.
Nur wen’ge, so die früh’re Pracht geschaut,
Des Volkes Greise weinen überlaut:
„Das ist Jehova’s altes Wohnhaus nicht!“
Jeremia’s Klage
Auf Trümmern einsam sitzt im Witwenharme,
Die, reich an Volk, der Lande Fürstin war;
Die Tochter Sion’s wühlt im losen Haar,
Geschändet und gefesselt stöhnt die Arme:
„Wo weilt mein Hort, entführt vom Feindesschwarme?
O nimm, der du vorüberziehst, gewahr,
Ob je so groß ein Schmerz, so rührend gar?
Ach keiner weilt, daß mein er sich erbarme!
Jehova brach im Zorn die heil’gen Mauern,
Die Pfade, die um Tempel führten, trauern,
Kein Priester naht zum Opfer, zum Gebet.
Ich hieß des Erdenrundes Stolz und Wonne,
Die Herrin, strahlend in der Schönheit Sonne –
Jetzt schüttelt, wer mich schaut, das Haupt und geht.“
Joatham’s Parabel
Die Bäume wollten einen König haben,
Und dachten erst den Oelbaum zu erheben;
Der sprach: „Soll ich mein mildes Fett hingeben,
An dem die Menschen sich und Götter laben?“
Der Feigenbaum, der hieß sie fürbaß traben:
„Was fordert ihr von mir mein süßes Leben?
Mich lüstet wenig über euch zu schweben,
Zählt meine Frucht nicht zu den besten Gaben?“
„Ich fühle mich geehrt;“ – so sprach die Rebe –
„Doch lieb’ ich meinen gold’nen Saft und strebe
Nicht Amt und Kronen an, noch bunte Zier.“
Der Dornbusch sprach, ihm kam die wahl zu Statten:
Bequemt euch willig unter meinen Schatten,
Sonst geht verzehrend Feuer aus von mir.“
Aus Salomon’s hohem Liede
Erheb’ dich, meine Freundin, meine Schöne!
Der Winter floh, die Regen sind vergangen,
Und tritt hervor ins allgemeine Prangen,
Daß deine Schönheit Lenzesschönheit kröne.
Es sproßt und blüht, soweit die Blicke langen,
Die Taube girrt ein zärtliches Gestöhne,
Erschließ dein Ohr den süßesten der Töne,
So viel’ aus zarten Vogelkehlen drangen.
Die Rebe weint und würzt die linden Lüfte,
Die junge Feige schwillt und athmet Düfte,
Die Welt ist all’ getaucht in Farb’ und Licht.
Verlaß, mein Täubchen, deine Felsenklüfte,
Verlaß dein Nest, beschirmt von Klippen dicht,
Und laß mich schaun dein lichtes Angesicht.
Jehova
Jehova donnert, der Gewaltige,
Entlang die Wasser rollt des Donners Schwere,
Die Tiefen schütternd schallt von Meer zu Meere
Des Donn’rers Stimme, die nachhaltige.
Und Flammen sprühend, tausendfaltige,
Durchdröhnt sein Ruf die Wüste, daß sie gähre,
Befruchtet kreis’ und groß aus sich gebäre
Gebirg’ und Hügel, vielgestaltige.
Jehova’s Stimme, die den Wald entblättert,
Und die die Cedern Libanons zerschmettert,
Macht Berge gleichwie junge Kälber springen.
Erhaben, furchtbar ist Jehova’s Stimme,
Und alles Leben bebt vor seinem Grimme,
Wenn er durch’s Mark sie läßt der Erde dringen.
An Babels Flüssen saßen wir als Knechte
An Babels Flüssen saßen wir als Knechte,
Im Herzen siechte hoffnungsloses Sehnen,
Vom Auge troffen ungezählte Thränen,
Und krampfhaft ballt’ im Grimme sich die Rechte.
O, Fluch dem tempelräub’rischen Geschlechte!
Darf’s auch geknechtet unsre Seelen wähnen?
„Singt, Mägdlein, rührt an eurer Harfen Strähnen.
Bekränzt das Haupt und salbt das Haargeflechte!
Entfernt von Sion Saitenspiel und Singen,
Ehvor verlernt die Rechte sich zu heben
Und bleibt die feile Zung’ am Gaumen kleben!
An Babel’s Weiden uns’re Harfen hingen,
Mitklagend sie zuweilen nur erwachten,
Wenn unsrer Heimat, Salem’s wir gedachten.
Davidscher Psalm
Wo berg’ ich mich vor Deiner Augen Helle?
O Herzenkundiger! Du weißt das Wort,
Bevor es von des Schweigens dunklem Port’
Ausfährt, getragen von der Rede Welle.
Erhöb’ ich mich zu Deiner Himmel Schwelle,
Dich, Herrlicher, Dich fänd’ und schaut’ ich dort;
Und hätt’ ich in den Abgrund mich gebohrt,
Du folgtest mir mit der Gedanken Schnelle.
Entflöh ich auf der Morgenröthe Schwingen
Und hielte Rast am fernsten Meeressaum,
Nicht könnt’ ich los von Deiner Hand mich ringen.
Und leiht die Nacht mir ihres Dunkels Dichte:
Vor Dir zerfließt die Finsterniß wie Schaum,
Und Nacht ist Licht vor Deinem Angesicht.
Die Weisheit
Sprüch. 8
Bevor die Erde hing im Ätherraum,
Auf Säulen sich erhob der Himmelsbogen;
Bevor der Sonne lichte Pfeile flogen,
Und schimmert’ ihres Pfühles Rosenflaum;
Noch war kein Damm gesetzt dem Wogenschaum,
Der Erde Höh’n die Grenze nicht gezogen,
Noch stand kein Baum, von gold’ner Frucht gebogen,
Noch quoll kein Born hervor zum Waldessaum:
Da war schon ich, von Ewigkeit geboren,
Die zur Vertrauten sich der Herr erkoren,
Die Tag für Tag auch seine Wonne war.
Ich hüpft und spielt’ auf seinem Erdenkreise,
Der Menschenkinder Zucht und kluge Weise
War meine Sorg’ und Kurzweil immerdar.
Vanitas
Pred. 1.
Die Sonne darf nicht ändern ihre Bahn,
Sie lechzt nach Ruh’ und kann sie nicht erreichen;
Die Winde mögen nord- und südwärts streichen,
Sie langen wieder bei dem Ausgang an.
Vom Land in’s Meer, vom Meer auf’s Land sodann!
Das Wasser darf von dieser Norm nicht weichen;
Im steten Wechsel von Geburt und Leichen
Spinnt sich das Leben weiter, wie’s begann.
Was jetzt besteht, schon einmal war es da,
was jetzt geschieht, schon einmal so geschah,
Und der Vergessenheit rollt Alles zu.
Was mühst du dich, mein stolzes Menschenkind?
Sieh zu, wie nichtig deine Werke sind,
Im Meer des Einerlei’s – Ein Tropfen du!
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Ich stieß, ein Pilger, von Italiens Küste
Ich stieß, ein Pilger, von Italiens Küste,
Ein zartes Saitenspiel in meiner Hand;
Mich zog ein hohes, freudiges Gelüste
Zur Stätte, wo das Kreuz der Sühne stand.
O hehrer Tag, da Salem ich begrüßte,
Das Felsengrab erspäht’ im Lichterbrand,
Den heil’gen Staub mit brünst’gen Lippen küßte
Und Thränen nur als Zoll der Andacht fand!
Hier war’s, wo noch in frommer Pilger Schaaren
Des Einen Christenstamms, des vielverzweigten,
Getrennte Reiser all vereinigt waren.
Von Allen, die das Haupt zur Erde neigten,
In allen Zungen, die bislang erklungen,
Ward hier des Graberstand’nen Ruhm gesungen!
In der Grabeskirche
Nur eine Nacht in weiter Tempelrunde,
Auf Golgatha, dem Felsensühnaltar!
Der Andachtschauer macht, der Ernst der Stunde
Dir das Geheimnis der Erlösung klar.
Die Reue strömt aus jeder Seelenwunde,
In ganzer Blöße stellt der Mensch sich dar;
Doch des Versöhnungstodes froher Kunde
Entquillt Genesung mild und wunderbar.
Dein Fuß, er bebt, in’s Marmorgrab zu treten,
Im Heiligsten des Heiligthums zu beten
Die Lippe selbst in hehrster Stille zagt.
Du schlummerst selig an des Grabes Stufen,
Bis wach dich ernste Möncheschöre rufen,
Und durch das Tempelthor der Morgen tagt.
Die Via Dolorosa
Dort schrie die feile Menge: “Kreuzigt Ihn!”
Und wusch der Römer frevelnd seine Hände,
Hier floß der edlen Frauen Mitleidsspende,
Hier sah die Mutter Ihn, die Dulderin.
Dies ist der Weg, und Golgatha sein Ende,
Den Jesus mit dem Kreuze mußte ziehn!
An tausenjährgen Malen rankt sich hin
Die schmerzlichste, die heiligste Legende. –
Wenn über euch die bleichen Sterne schweben,
Die vom Verrätherkuß euch Kunde geben,
Und ihr kein fremdes Athmen rings verspürt:
Dann wandelt diesen Weg, den Er geschritten,
Der an dem Kreuz den Opfertod erlitten, -
Es bleibt ein steinern Herz nicht ungerührt.
Die Oelbäume im Gethsemane
„Wir sah’n den Fall Jerusalem’s, das Feuer,
Das jenes Tempels Wunderbau verzehrte,
Die Not, so Mütter mit dem Beil bewehrte
Zu schlachten, was dem Schooß und Herzen theuer:
Uns schauderte, das Weh war ungeheuer;
Und als seldschuken rasten mit dem Schwerte,
Als Feuer, Pest und Hunger wiederkehrte,
Da schnitt durch’s alte Mark ein Schmerz, ein neuer.
Doch keiner glich dem tiefern Mitgefühle
Zur Zeit, als Jesus in der Abendkühle
Den größten Seelenkampf hier ausgestritten.
Wir steh’n als jener Stund’ uralte Zeugen,
Wir sah’n ihn blutend sich zur Erde beugen
Und litten bebend mit, was er gelitten.
Das Thal Josaphat
O Thal des Schweigens, tiefgefurchtes Tal
Der Schatten, Gräbertal! Wann wird es tagen?
Wann zu des Weltgerichtes großem Fragen
Die Gräber öffnen der Posaunen Schall? –
Am steilen Abhang liegen Mal an Mal;
Die Schritte hemmt ein ehrfurchtvolles Zagen,
Ein ernstes Wort hat jedes Grab zu sagen,
Des Lebens Hochflut stockt an seinem Wall.
Ihr starrt mich, off’ne Grabeshöhlen, an.
Der frech den Schlußstein hat hinweggerissen,
Verfiel wohl selbst schon euren Finsternissen.
Ein kleines Thal, kann’s Größeres umfahn?
Hier ruht ein Volk mit glänzender Geschichte,
Hier weh’n die Schauder kommender Gerichte.
Vom Oelberg
„O welche Steine, Meister! Welch’ ein Bau!“
Des Tempels Anblick macht die Jünger trunken;
Doch Christus spricht, in Traurigkeit versunken,
Vom Auge träuft des Mitleids Thränenthau:
„O weh des Greuels, den im Geist ich schau’!
Schon jetzo hegst du der Verheerung Funken,
Bald wird kein Stein mehr ob dem andern prunken,
Verödung heißt dein Antlitz, wüst und rauh.
Jerusalem, Prophetenmörderin!
Hab ich nicht oft die Flügel ausgespannt
Der Henne gleich, wenn sie die Kücklein schützt?
Du willst nicht unter meinen Fittich fliehn,
Du steinigst, die von Gott zu dir gesandt,
Des Heiles Frist, du hast sie nicht benützt.“
Magdalena
Zum Mahle lud den Heiland einst mit süßen,
Mit Gleißnerworten Einer auch von Jenen,
Die sich gerecht vor Gottes Augen wähnen
Und geizen nach des Marktes Gunst und Grüßen.
Da warf ein Weib dem Meister sich zu Füßen,
Benetzet sie mit ihren heißen Thränen
Und trocknet sie mit ihres Haares Strähnen
Und salbt und küsset sie mit brünst’gen Küssen.
Argwöhnt der Wirth: Hm, ist mein Gast Prophet,
So weiß er, daß ihm naht ein sündhaft Weib,
Was stößt er sie nicht gleich von seinem Leib?
Spricht Christus, der sein faules Herz durchspäht:
„Ihr wird, die viel geliebt, auch viel vergeben“ –
Und sagt zum Weib: „Du sollst in Frieden leben.“
Der Friedenskönig
Der Friedenskönig kommt herangezogen,
Jerusalem, empfange David’s Sohn!
Der Rücken eines Füllens ist sein Thron,
Und Palmen neigen sich zum Siegesbogen.
Die Freudenbotschaft ist vorausgeflogen,
Es rauscht und strömt aus allen Thoren schon,
Vom Tempel widerhallt der Jubelton,
Im Thalbett stauen sich des Volkes Wogen.
Und Festgewande breiten auf den Pfad,
Die weit voraus dem Weltbefreier wandern,
Und grüne Reiser streuen hin die Andern.
Die Menge ruft, es ruft die Sion-Stadt:
Dein König, Israel! er kommt, der Hehre!
Dem Gottgesandten Preis und Ruhm und Ehre!
Bethseba
Jerusalem, das schlummernde zu wecken,
Die Sonne hell vom Oelberg niedersah:
Schon glänzt die Opferhöhe Morija,
Doch in den Gärten dämmern noch die Hecken.
Da hebt sich weiß aus kühlen Marmorbecken,
Mit reizevollen Gliedern Bethseba,
Erlauscht der erste Strahl, denn siehe da,
Die Büsche zögern, solche Pracht zu decken.
Von stolzer Zinne seiner Veste schaut
Den jungen Tag der königliche Sänger
Und schaut Urias’ Weib vom Bad bethau’t.
Der König glüht und sinnt... „der Mann verderbe!“
Und sann und schrieb und zauderte nicht länger:
„Urias gib den Feinden preis, er sterbe!“
Salomon und die Königin von Saba
Nach Salem zog mit Knechten, Dromedaren,
Und goldnen Schätzen Saba’s Königin,
Manch dunkles Wort erwog sie her und hin,
In Räthseln wollte sie sich offenbaren.
Doch Sonne Weisheit scheucht der Nebel Schaaren
Und deß hat König Salomon Gewinn,
Sie läßt des Weibes liebendzagen Sinn
Im Herzen ihn der Herrscherin gewahren.
Die Fürstin staunt ob seines Hauses Macht,
Ob seiner Knechte Thun und reicher Tracht
Und ob des Tempels Majestät und Pracht:
„Dein Ruhm, von dem ich glaubte, daß er trüge,
Vor deiner Weisheit ist er Neid und Lüge;
Denn keine Zunge preist dich zur Genüge.“
Joas
Es saust ein Wettersturm von Sion aus
Zerschmetternd Haine, Tempel und Altäre;
Und daß der Rache Glut den Greul verzehre,
Zückt rothen Feuers Blitz aus dem Gebraus.
Der König eifert für Jehova’s Haus,
Zermalmt die Götzen mit des Zornes Schwere
Und schwingt die Axt und herrscht ihr zu: Verheere!
Und lischt den Opferbrand, das Rauchwerk aus.
Er hat auf Neu mit alter Herrlichkeit
Das Heiligthum geschmückt und öffnet weit
Leviten, Priestern, allem Volk das Thor.
Und sieh’, es hebt sich unter Psalmensang,
Trompetenschall und süßem Harfenklang
Der Hekatomben Sühnungsrauch empor! -
Rückkehr in die Heimat
Auf Morija liegt siebzigjähr’ger Schutt,
Der Schutt von Salomonis Tempelhallen,
Doch fernher Trümmer eines Volkes wallen
Zum heilgen Berg mit neugewecktem Mut.
Ein Altar steht, es rauscht die Opferglut
Und horch, schon jubeln Babylons Vasallen,
Vergessen ist die Knechtschaft, Allen, Allen
Ist ja die Heimat lieb, Jehova gut!
Und sieh’, ein neuer Tempel will erstehen;
Die Schaaren jubeln, die den Grundriß sehen,
Vor Opferfreude, Stolz und Zuversicht.
Nur wen’ge, so die früh’re Pracht geschaut,
Des Volkes Greise weinen überlaut:
„Das ist Jehova’s altes Wohnhaus nicht!“
Jeremia’s Klage
Auf Trümmern einsam sitzt im Witwenharme,
Die, reich an Volk, der Lande Fürstin war;
Die Tochter Sion’s wühlt im losen Haar,
Geschändet und gefesselt stöhnt die Arme:
„Wo weilt mein Hort, entführt vom Feindesschwarme?
O nimm, der du vorüberziehst, gewahr,
Ob je so groß ein Schmerz, so rührend gar?
Ach keiner weilt, daß mein er sich erbarme!
Jehova brach im Zorn die heil’gen Mauern,
Die Pfade, die um Tempel führten, trauern,
Kein Priester naht zum Opfer, zum Gebet.
Ich hieß des Erdenrundes Stolz und Wonne,
Die Herrin, strahlend in der Schönheit Sonne –
Jetzt schüttelt, wer mich schaut, das Haupt und geht.“
Joatham’s Parabel
Die Bäume wollten einen König haben,
Und dachten erst den Oelbaum zu erheben;
Der sprach: „Soll ich mein mildes Fett hingeben,
An dem die Menschen sich und Götter laben?“
Der Feigenbaum, der hieß sie fürbaß traben:
„Was fordert ihr von mir mein süßes Leben?
Mich lüstet wenig über euch zu schweben,
Zählt meine Frucht nicht zu den besten Gaben?“
„Ich fühle mich geehrt;“ – so sprach die Rebe –
„Doch lieb’ ich meinen gold’nen Saft und strebe
Nicht Amt und Kronen an, noch bunte Zier.“
Der Dornbusch sprach, ihm kam die wahl zu Statten:
Bequemt euch willig unter meinen Schatten,
Sonst geht verzehrend Feuer aus von mir.“
Aus Salomon’s hohem Liede
Erheb’ dich, meine Freundin, meine Schöne!
Der Winter floh, die Regen sind vergangen,
Und tritt hervor ins allgemeine Prangen,
Daß deine Schönheit Lenzesschönheit kröne.
Es sproßt und blüht, soweit die Blicke langen,
Die Taube girrt ein zärtliches Gestöhne,
Erschließ dein Ohr den süßesten der Töne,
So viel’ aus zarten Vogelkehlen drangen.
Die Rebe weint und würzt die linden Lüfte,
Die junge Feige schwillt und athmet Düfte,
Die Welt ist all’ getaucht in Farb’ und Licht.
Verlaß, mein Täubchen, deine Felsenklüfte,
Verlaß dein Nest, beschirmt von Klippen dicht,
Und laß mich schaun dein lichtes Angesicht.
Jehova
Jehova donnert, der Gewaltige,
Entlang die Wasser rollt des Donners Schwere,
Die Tiefen schütternd schallt von Meer zu Meere
Des Donn’rers Stimme, die nachhaltige.
Und Flammen sprühend, tausendfaltige,
Durchdröhnt sein Ruf die Wüste, daß sie gähre,
Befruchtet kreis’ und groß aus sich gebäre
Gebirg’ und Hügel, vielgestaltige.
Jehova’s Stimme, die den Wald entblättert,
Und die die Cedern Libanons zerschmettert,
Macht Berge gleichwie junge Kälber springen.
Erhaben, furchtbar ist Jehova’s Stimme,
Und alles Leben bebt vor seinem Grimme,
Wenn er durch’s Mark sie läßt der Erde dringen.
An Babels Flüssen saßen wir als Knechte
An Babels Flüssen saßen wir als Knechte,
Im Herzen siechte hoffnungsloses Sehnen,
Vom Auge troffen ungezählte Thränen,
Und krampfhaft ballt’ im Grimme sich die Rechte.
O, Fluch dem tempelräub’rischen Geschlechte!
Darf’s auch geknechtet unsre Seelen wähnen?
„Singt, Mägdlein, rührt an eurer Harfen Strähnen.
Bekränzt das Haupt und salbt das Haargeflechte!
Entfernt von Sion Saitenspiel und Singen,
Ehvor verlernt die Rechte sich zu heben
Und bleibt die feile Zung’ am Gaumen kleben!
An Babel’s Weiden uns’re Harfen hingen,
Mitklagend sie zuweilen nur erwachten,
Wenn unsrer Heimat, Salem’s wir gedachten.
Davidscher Psalm
Wo berg’ ich mich vor Deiner Augen Helle?
O Herzenkundiger! Du weißt das Wort,
Bevor es von des Schweigens dunklem Port’
Ausfährt, getragen von der Rede Welle.
Erhöb’ ich mich zu Deiner Himmel Schwelle,
Dich, Herrlicher, Dich fänd’ und schaut’ ich dort;
Und hätt’ ich in den Abgrund mich gebohrt,
Du folgtest mir mit der Gedanken Schnelle.
Entflöh ich auf der Morgenröthe Schwingen
Und hielte Rast am fernsten Meeressaum,
Nicht könnt’ ich los von Deiner Hand mich ringen.
Und leiht die Nacht mir ihres Dunkels Dichte:
Vor Dir zerfließt die Finsterniß wie Schaum,
Und Nacht ist Licht vor Deinem Angesicht.
Die Weisheit
Sprüch. 8
Bevor die Erde hing im Ätherraum,
Auf Säulen sich erhob der Himmelsbogen;
Bevor der Sonne lichte Pfeile flogen,
Und schimmert’ ihres Pfühles Rosenflaum;
Noch war kein Damm gesetzt dem Wogenschaum,
Der Erde Höh’n die Grenze nicht gezogen,
Noch stand kein Baum, von gold’ner Frucht gebogen,
Noch quoll kein Born hervor zum Waldessaum:
Da war schon ich, von Ewigkeit geboren,
Die zur Vertrauten sich der Herr erkoren,
Die Tag für Tag auch seine Wonne war.
Ich hüpft und spielt’ auf seinem Erdenkreise,
Der Menschenkinder Zucht und kluge Weise
War meine Sorg’ und Kurzweil immerdar.
Vanitas
Pred. 1.
Die Sonne darf nicht ändern ihre Bahn,
Sie lechzt nach Ruh’ und kann sie nicht erreichen;
Die Winde mögen nord- und südwärts streichen,
Sie langen wieder bei dem Ausgang an.
Vom Land in’s Meer, vom Meer auf’s Land sodann!
Das Wasser darf von dieser Norm nicht weichen;
Im steten Wechsel von Geburt und Leichen
Spinnt sich das Leben weiter, wie’s begann.
Was jetzt besteht, schon einmal war es da,
was jetzt geschieht, schon einmal so geschah,
Und der Vergessenheit rollt Alles zu.
Was mühst du dich, mein stolzes Menschenkind?
Sieh zu, wie nichtig deine Werke sind,
Im Meer des Einerlei’s – Ein Tropfen du!
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