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Normale Version: Sonette aus dem Orient ( von 1864 ) Terra sancta (63)
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Sonette aus dem Orient
von 1864


Ich liebe dich, du Land der Prophezien

Ich liebe dich, du Land der Prophezien!
Obgleich die Patriarchen, Kön’ge, Richter
Und deine Heldenfrauen, Sänger, Dichter
Nur noch im Geist an mir vorüberziehen;

Obgleich dein eigen Volk, Undanks geziehen,
Ein Fremdling dir geworden, kein Errichter
Des alten Bund’s ersteht, kein Normen-Sichter
Im Haus Jehova’s liegt auf seinen Knieen.

Du meiner Sehnsucht sonniges Gestade!
Du bist Jehova’s Land, das Land der Gnade,
Das Land der Bibel, wundervolle Siege,

Der Strafgerichte, der Prophetenmahnung,
Der tausendjährigen Messiasahnung, -
Des Heilands Grab und meines Glaubens Wiege!



Mir gab von dir das erste Buch schon Kunde,
Mein Geist, noch kaum erwacht, hat dich geschaut;
Dir galt des Knaben früher Sehnsuchtslaut,
Ein Lallen war dein Nam’ im Kindesmunde.

Wie anders tagst du mir in dieser Stunde,
Als meine Phantasie dich aufgebaut!
Obzwar, wie einst, derselbe Himmel blaut,
Versiegt sind längst der Segensquellen Spunde.

Verschlossen ist der Garten ird’scher Wonnen,
Verstummt sind all’ die weißen Plätscherbronnen,
Und kahl die Rebenhügel, Myrthenhöh’n,
So üppig einst und stolz und jugendschön!

O sieh’, auch Berge altern, erdgegründet,
Wenngleich die Bibel gar ihr Lob verkündet!


Karmel

“Zu Pferd, zu Pferd!” – Entkommen kaum den Wellen,
Besteigen Rosse wir zu steilem Ritte
Bei Fackelschein, in fremder Männer Mitte,
Erregend ringsumher der Hunde Bellen.

Laternen leiten die bedächt’gen Schritte
Durch’s Dunkel, das die Sterne karg erhellen;
Maulthiere traben hinterdrein mit Schellen,
Und lautes Gellen wecken ihre Tritte.

Ein Saumpfad führt hinan zum Ruheporte.
„Ein Streifen! Siehe, Mauern nah und näher!“
„Ach, weiße Turbantücher, müder Späher!“

Doch endlich öffnet sich die Klosterpforte; -
Die Mönche bringen, schlafberaubt, das Beste,
Und Feigen dar und harte Brotesreste.


Nazareth

I.


War das ein Ritt! Bei jedem Tritt ein Beben,
Ob sicher ihn das Pferd gethan, der Reiter
Sich halten könn’ im Sattel! Rings umgeben
Von Finsternis, das Schweigen als Begleiter!

Erst machte Tagesglut die Zunge kleben,
Ein Mädchen war sodann der Schreckbereiter,
Weil raubberüchtigt; Sümpfe drohten weiter,
D’raus mußte jähen Rucks das Roß sich heben.

Dann volle Nacht! Der Pfad abschüssig, steinig,
Oft spannbreit kaum, das arme Tier mattbeinig
Auf schrägen Platten, wahren „Teufelsbrücken“!

„Ein Lichterkranz!“ Wie groß war das Entzücken!
„Ein Minareth, erhellt im Rhamazan!“ –
Bald hielten d’rauf vor dem Hospiz wir an.


II.

Die Mönche heben uns vom Pferderücken
Und leiten uns hinan die dunklen Stufen;
Ein Bruder eilt herbei, mit trautem Rufen
Uns freudig an sein deutsches Herz zu drücken.

Und laues Wasser stand bereit in Kufen,
Und weiße Betten mehrten das Entzücken;
Geschäftig, uns zu laben, zu beglücken,
Ein gastlich Mahl uns Möncheshände schufen.

Doch eh’ wir uns zum Mahle setzten nieder
Und auf den Diwan streckten unsre Glieder
Und uns’re Schuhe zogen von den Füßen:

Erscholl auf Aller Mund ein frommes Grüßen:
„Gegrüßt sei du, du Hochgebenedeite!
Maria, gib uns ferner dein Geleite.“

III. – Mons tremoris

In seiner Vaterstadt, im Bethaus steht
Der Heiland, seine Neider in der Runde;
Da fährt dies Wort aus seinem heil’gen Munde:
„Nichts gilt im Vaterlande der Prophet.“

Und sieh’, die sich versammelt zum Gebet,
Die Priester rotten sich zum Mörderbunde,
Verhalt’nen Grimm entfesselt dsiese Stunde,
Zur Gräuelstätte wird ein Fels erspäht. –

Den Sohn erblickt zum Sturze vorgeführt
Auf nahem Berge sie, der Mütter Zier;
Maria bebt und wundervoll! gerührt
Erbebt der ungeheur’re Berb mit ihr; -

Und „Berg des Schreckens“ wird er noch genannt,
Vom Schrecken, den das Mutterherz empfand.


Bethlehem

I.


Wir stiegen in die Felsengrotte nieder,
Aus der das Heil der Welt emporgestiegen.
Wer wollte nicht das Knie zur Erde biegen,
Durchrieselt Andachtschauer seine Glieder?

Hier mußt’ auf Stroh der junge Heiland liegen,
Der einstens kehrt mit Macht und Hoheit wieder;
Hier weht ein Nachhall jener Engeldlieder
Vom Licht, das kam ob langer Nacht zu siegen! –

In stummer Ehrfurcht lagen auf den Steinen
Zwei Männer, die das Ackerland bebauen;
Mir wollt’ ihr Antlitz, biedergut zu schauen,
Wie das der frommen Hirten gar erscheinen.

Wie Brüdern drückt’ ich ihnen warm die Hände,
Als ihre tiefe Andacht war zu Ende.


II.

O heil’ge Nacht, so wundermild entglommen!
Gleich Sternenaugen möcht’ ich dich durchwachen.
Wohl solch ein Stern gebot, sich aufzumachen,
Den fernen Kön’gen, und hieher zu kommen;

In solcher Nacht erschollen wohl den Frommen,
Bemüht das Weidefeuer zu entfachen,
Die Engelschöre, die das Schweigen brachen,
Und machte Himmelsglanz ihr Herz beklommen.

Auf Fluren gießt der Mond sein Silberlicht,
Wo einst die Moabitin Aehren las,
Um David sich des Vaters Heerde schaarte. –

Das Klosterdach war eine Sternenwarte:
Ich sah hinab, hinaus, hinauf ohn’ Unterlaß;
Wie lang ich träumend schaute, weiß ich nicht.


III.

Bei Christen und selbst Türken hoch in Ehren
Im Thale steht die Riesenterebinthe,
Die einst, als Schirmdach Kühlung zu gewähren,
Der Mutter mit dem Jesukindlein diente.

Nie wird der Baum des grünen Laubs entbehren,
Nie altert seine Kraft im Mark und Splinte;
Der schnellste Reiter kann sich nicht erwehren, -
Er steigt vom Pferd und legt von sich die Flinte.

Die Wanderrast ist unter diesem Baum
So wonnig, lind, wie nirgend eine mehr;
Du träumest unvergeßlich süßen Traum,
Zu scheiden wird dir unerklärlich schwer;

Von Mälha’s Rosengärten wendest du
Den Blick nach „der Marienruhe“ zu.


Ruth

I.


Naemi

“Noch tritt auf Moabiterland dein Fuß;
Nicht weiter, Ruth! Lenk’ heimwärts deine Schritte;
Was lockt dich fremdes Volk und fremde Sitte?
Sieh, Orpha ging mit meinem Segenskuß.

Ich bin verarmt und kinderlos und muß
Um Mitleid fleh’n in meines Volkes Mitte.
O laß von mir! Du weißt nicht, was ich litte,
Befiehl’ einst Kummer dich und Überdruß.“

Ruth

„O laß, wohin du gehst, mit dir mich eilen,
Und dort, wo du verweilst, auch mich verweilen;
Laß, Mutter! selbst dein spätes Grab mich theilen. –

Laß Jacobs Haus zur Heimat mich erkiesen,
Jehova sei, dein Gott, von mir gepriesen
Und Schwesterliebe deinem Volk erwiesen!“


II.

Die Moabitin schlich nach Boas’ Tenne,
Im Herzen Bangen und Noemi’s Rath;
Sie späht nach des Geliebten Ruhestatt –
Leichtgläubig Herz, nicht allzuschnell entbrenne!

Sie glaubt nicht, daß sie’s über sich gewänne,
Bis – aufgedeckt sie Boas’ Füße hat:
Sie bebt, wie schuldig einer Missethat,
Und wünscht, daß Erd’ und Meer von ihm sie trenne.

„Wer bist du? sprich!“ – „O Herr, sieh’ deine Magd!
O breite schützend deinen Fittig aus
Und zürne nicht, wenn ich zu viel gewagt!“

„Getrost, mein Kind! Und harre still zu Haus’;
Ich eil’ ins Bogenthor der Stadt noch heut’,
Zu thun, was Recht und Sitte mir gebeut.“


Tiberias

I.


O Sonne! gieße deine goldnen Strahlen
Auf diesen See als schön’rer Vorzeit Gruß,
Daß Licht und Schatten noch ein Leben malen;
Zu Silberadern mache Bach und Fluß.

Einst glichen üpp’gen Brüsten diese fahlen,
So weichgeformten Höh’n an Überfluß;
Jetzt prägt sich düster aus an jenem kahlen
Gebirg’ des Überdauerns Überdruß.

Tiberias! Wo sind die Schwesterstädte:
Bethsaida, Kapernaum und Magdala,
Die Vaterstadt der schönen Büßerin? –

Wenn ihn die Bibel nicht verewigt hätte,
Der schönste See, er läg’ verschollen da; -
Es schwebt kein Segel mehr darüber hin.


II.

Als sich vom Purpurpfühl die Sonn’ erhob,
Hatt’ ich der Veste Trümmer schon erklommen;
Zum Flammenmeere war der See entglommen,
Und Funken jeder Schlag der Wellen stob.

Und süßem Sammelfleiße lag ich ob.
Die hochgeschürzten Mädchen, die gekommen
Zu schöpfen, blickten schalkhaft und beklommen,
Als lichte Muscheln ich vom Sande hob.

Nach heißem Quellenbade ruht’ ich aus
Und saß auf einer Säul’ am stillen Strand,
Die einst geschmückt Herodis stolzes Haus.

Die kurze maienlinde Sternennacht,
Die mich mit wachen Augen träumend fand,
Glich einem riesigen Juwelenschacht.


III.

Wir hielten plötzlich uns’re Traber an
Und schwangen uns vom heißen Bügel nieder;
Zu weichem Pfühl für reitensmüde Glieder
War reich an hohen Gras der weite Plan.

Das Meer des Aethers mit den gold’nen Kahn,
Es spiegelt sich im Seegewoge wieder,
Und wonnig hebt die Seele das Gefieder
Im Angesichte Tabors himmelan.

Ei sieh’, es wogt kein Saatfeld in der Runde,
Und dennoch wiegen sich drei Ähren hier,
Entsprossend jährlich neu demselben Grunde!

Dich wandelt’s wie ein schönes Wunder an,
Wird noch vom Dragoman die Kunde dir:
Hier speis’te Christus einst fünftausend Mann.


IV.

Ein Beduine folgte seinem Pflug
Mit nacktem Fuß, gegürtet um die Lenden;
Er zog die Furchen, ohne sich zu wenden
Nach uns’rem trachtenfremden Pilgerzug.

Vom Pferde, das mich durch die Eb’ne trug,
Gestiegen, langt’ ich kühn mit beiden Händen
Nach seinem Pflug; er ließ es gern bewenden,
Kaum daß er ruhig, was ich wolle, frug.

Die Scholle brechend sprach ich Segen d’rein:
„O Land, das einst von Milch und Honig floß,
O werde wieder reich und schön und groß!

Wann wird der Sektenzwist beendet sein?
Wann gleicht ihr, Hügel, üpp’gen Fohlen wieder?
Wer reißt von Morija den Halbmond nieder?!“


Am Jordan

I.


Auf müden Pferden müde Wandrer saßen
Und Beduinen dienstbereit zur Seite.
Die Sonne gab uns brennendes Geleite
Auf wüsten Strecken, welche wir durchmaßen;

Die dürre Zung’ entbehrte jedes Nassen,
Es trabte lautlos unser Zug in’s Weite. –
Doch welch’ ein Bildnis, welches traumgefeite?
Oasengrün, das gold’ne Säum’ umfassen!

Am Born des Südens Töchter, Krüge tragend,
Gazellenschlank, mit sonnenhellen Blicken!
Vom Haupt sie langten die Amphoren zagend,
Des deutschen Pilgers Kehle zu erquicken.

Ein Blick in lange Wimpern, halbverschlossen, -
Zu weißen Zelten dann auf schnellen Rossen!


II.

Die Antilope trank aus dieser Quelle
Und labte sich in dieser Büsche Schatten;
Der Pferde Huf verscheucht die allzuschnelle,
Nun ruhen wir auf diesen grünen Matten.

Aus dürren Felsen springt die munt’re Welle,
Jahrtausend’lange fließt sie ohn’ Ermatten;
Und Allen quillt der kühle Trunk, der helle,
Die hier sich kurze Wanderrast gestatten. –

Elias ließ, als ihn der Feuerwagen
Entrückte, seinem Jünger, schmerzgebeugt,
Den Mantel und mit ihm die Wundergabe.

Von Elisäus rührt die ew’ge Labe,
Die jetzt noch, selbst ein klares Wunder, zeugt
Von wunderreichen und Propheten-Tagen.


III.

Wo einst die Mauern Jericho’s gestanden,
Der Palmenstadt, da schimmern uns’re Zelte;
An Pfähle wir ringsum die Pferde banden,
Schabrack’ und Sattel schützt sie Nachts vor Kälte.

Und Betten, Mahl und Cyperwein wir fanden
Für Durst und Tagesgluten zum Entgelte. –
Ich mied das Zelt und die in Schlummers Banden,
Nicht achtend, ob der Dragoman mich schelte.

Wie schlürft’ ich ein die würz’ge Abendkühle!
Wie schaut’ ich auf zum goldenen Gewühle
Des Himmels, reich wie gelber Sand der Wüste!

Das Lagerfeuer ging gemach zu Rüste,
Schon drang Schakalsgeheul aus dunklen Fernen:
Da ging ich träumen unter Südens Sternen.


IV.

An Jordan’s frühlingsgrüner Uferlänge,
Wo einst Johannis Wüstenruf erscholl
Und reu’gem Sinn die erste Taufe quoll,
Da rauschten deutscher Pilger Chorgesänge.

Ein Priester las die Mess’ im Festgepränge;
Und als der Glocke Ton zum Ohre schwoll, -
Verstummt der Chor und lauschet andachtsvoll,
Nur leise bebt des Baumes Laubgehänge.

Osmanli knie’n auf Teppichen daneben
Und beten still, dem Morgen zugewendet,
Deß Wiederschein von Juda’s Bergen blendet:

Auf grünem Plan, von Waldesnacht umgeben,
Hat Christenthum und Islam sich gefunden,
Sich Orient und Okzident verbunden


Das todte Meer

I.

Ernst und langsam nach demselben Becken
Jordan’s Wellen und wir Pilger zogen.
Sprünge klaffen, die sich kreuzend strecken
Auf der Eb’ne, kahl und ausgesogen.

Salzeskrusten sind die bunten Flecken,
Deren Schmelz den fernen Blick betrogen;
Staub, den uns’rer Pferde Hufe wecken,
Fällt zurück in trägem, nied’rem Bogen.

Nirgend Leben! Nirgend ein Verweilen!
Über Phasga fliehen Wolkenschatten,
Rastlos selbst die Wüstengeier eilen. –

Schweigend lenkten wir den Trab, den matten,
Dieses Thal entlang der Oed’ und Leere
Ferner Bläue zu, - dem todten Meere


II.

Dies das Wellengrab der sünd’gen Städte,
Die der Herr mit Rachefeuer strafte,
Das ein Paradies von hinnen raffte –
Todter Flut zum traurig-öden Bette!

Eh’ es grünt an dieser Uferstädte,
Ist das Rohr zersetzt, verdorrt am Schafte.
Ringsum Baumskelette, massenhafte,
Wie aus Knochen eine grause Kette!

Keine Barke noch den See durchschiffte,
Und kein Fischlein trank von seinem Gifte;
Naht, von seinem Blau gelockt, geblendet
Auch ein Vogel, - rasch den Flug er wendet.

Felsen, ausgebrannt und vielgespalten,
Ernste Wacht am Wassersarge halten. -


Hagar.
1. Mos. 21


Der Frühtau fiel; es lag noch auf den Weiden
Die Dämm’rung, als sich Abraham erhob.
Es müht und sputet sich der Greis, als ob
Es gälte, von der fetten Trift zu scheiden.

Mit Wasser füllt’ er seinen Schlauch und schob
In einen and’ren Brot, belud mit beiden
Die Magd, die seinen Herd nun sollte meiden,
Sie, die ihm einst des Lagers Freuden wob.

Er führt sie mit dem Knaben vor die Schwelle
Und heißt sie geh’n und nimmer wiederkehren; -
Sein Wort war hart, sein Auge thränennaß.

Vorüber an den Zelten eilt sie schnelle,
Dann schwankt und sinkt die Arme, heiße Zähren
Vergießend in des Schmerzes Übermaß.


Jacobs Begräbnis
1. Mos. 50.


Von Jordan’s Ufer rauschte heft’ge Klage;
Des Flusses Wogen wälzten sie ins Meer,
In’s stille, todte Meer; gewaltig, hehr
Zum Himmel drang sie sieben lange Tage. -

Aufhorchte Canaan, erstaunt und zage,
Und wähnte drüben ein versammelt Heer
Und schaute Reiter, Wagen, Schild und Speer
Und Volk, geschaart um eine große Trage. -

Im Vätergrab den Vater zu begraben
Zog Josef aus, hinauf nach Canaan;
Egyptens Fürsten das Geleit’ ihm gaben.

Bei Atad auf der Tenne hielt der Zug;
Da hob das letzte große Klagen an,
Bevor man Jacob gegen Mambre trug.



Moses
Mos. 34.


Der Führer schied von Israel, den Stab
Jehova’s in der Hand; nicht Trank, nicht Speise,
Auch Knechte nicht verlangt er für die Reise,
Von der für ihn es keine Rückkehr gab.

Die Kniee schwanken, oftmals setzt er ab
Und blickt in’s Thal zurück; es beben leise
Die Lippen, manche Thräne rollt dem Greise
Die braunen Wangen und den Bart hinab. –

Er schaut der Väter Land von Nebo’s Rücken.
Die Arme hebt ihm wachsendes Entzücken,
Mit Sehnsucht blickt er auf den Jordan nieder.

Wie strahlend Feu’r ist seiner Augen Schein,
Er beugt sich vor und hält den Athem ein, -
Er sinkt nach vorn’ und athmet nie mehr wieder.


Einzug ins gelobte Land
Jes. 3.


I.

Horch’ auf, horch’ auf und zitt’re Canaan!
Jehova’s Heer, in Wüsten großgezogen,
Das an der Felsen Marmorbrust gesogen,
Es naht, sein reiches Erbe tritt es an.

Die gold’ne Bundeslade schwebt voran,
Der freudig Priesterschultern sich gebogen,
Und hinterher des Volkes Drängen, Wogen
Nach Stämmen und Geschlechtern, Mann an Mann!

Sie dürsten nach dem Schatten deiner Palmen,
Nach deinen Bronnen, schönes Jordanthal!
Und nach dem Brot aus deinem vollen Halmen.

Die Waffen leuchten hell im Sonnenschein
Und in den Jubelsang, Trompetenschall
Fällt mächt’ger rauschend auch der Jordan ein.


II.

Die unaufhaltsam vor zum Jordan drangen,
Gebieten ihrer Sehnsucht kurzen Halt
Und schlagen Lager hier, im Palmenwald, -
Zu herrlich ist des Stromgeländes Prangen!

Ihr Eigen ist, wornach sie immer langen,
Das Land der süßen Rast für immer bald;
Was sproß’t und blüht und duftet mannigfalt,
Wird reif für sie vom Ast und Halme hangen.

Sie schütteln nun für immer von den Schuhen
Den Wüstenstaub und salben sich und ruhen
Und wandeln Jordan’s Wellenbett entlang.

Die schlanken Mädchen schließen froh den Reigen,
Der Sänger nimmt die Harfe von den Zweigen,
Jehoven gilt sein Dank- und Preisgesang!


III.

Ganz Israel zum Kampf gerüstet fand
Der früh’ste Strahl. Auf ihre Schulter heben
Die Priester Gottes Lad’ an goldnen Stäben
Und schreiten vor, dem Jordan zugewandt.

Sobald ihr Fuß im Vorderwasser stand,
Durchzuckt die Wogen all’ ein großes Beben;
Sie gähren, trinken, stauen und erheben
Aufkochend sich zu hellkrystall’ner Wand.

Und was sich nicht gethürmt zum Wasserdamm,
Fließt ab, und keine Flut geronnen kam,
So lang’ im Strombett blieb die Bundeslade.

Hindurch zieht Israel mit trock’nen Sohlen
Und jauchzt dem Gott der Väter, der befohlen,
Daß Wogen weichen seines Volkes Pfade.


Kaleb zu Josua:
Jos. 14.


„Gib Hebron mir, mein Erbtheil und mein Eigen,
Das Gott durch Mosis Mund mir zugedacht,*
Als Kunde wir in Jacobs Zelt gebracht
Und schwere Frucht von hier an Ast und Zweigen.

Ich sprach von Land und Volk und Heeresmacht,
Wie ich’s versdtand, ohn’ etwas zu verschweigen;
Die Zehn, die mit uns waren, o, die Feigen!
Die hatten damals falsche Mähr’ erdacht. –

Ich bin schon nah’ an fünfundachzig Jahren,
Und dennoch fühl’ ich Kraft in Arm und Lenden,
Mein Erbgut zu erstreiten und zu wahren.

Die mit uns zogen aus Egyptens Reich,
Sie Alle mußten in den Wüsten enden;
Nur ich und Du!... Es wird um’s Herz mir weich.“


Josua.
Jos. 24.


Die Waffen ruh’n, und Jacobs Söhne schlagen
Die Friedensharfe. Josua ist alt;
Nur einmal noch sein Führerruf erschallt,
Von Sichem aus, zu einem großen Tagen.

Und all’ die Stämme seh’n den Helden ragen
Hochaufgerichtet unter einem Wald
Von dunklen Terebinthenzweigen; bald
Ergeht an alles Volk dies ernste Fragen:

„Wollt mit Jehoven ihr den Bund erneuen? –
Wenn nicht, so wählet! Ich mit meinem Haus,
Ich bleib’ Jehova’s Knecht in Furcht und Treuen.“

Da brach das Volk in hehren Jubel aus.
Der greise Sieger grub den Schwur in Stein
Und trug ihn in das Buch der Satzung ein.


Jephta
Richt. 11.



I.

Dem Sieger Heil! Ihm jauchzt das ganze Heer.
Besiegt sind Amon’s Horden und zerstoben;
Das stolze Horn, das drohend sich erhoben,
Das brach Jehova’s Held mit starker Wehr!

Auf, Jephta naht! Kein Feind, kein Bangen mehr!
Und alles Volk will seinen Retter loben
Und strömt herbei mit freudiglautem Toben
Aus Haus und Stadt, von Feld und Garten her.

Als Jephta kommt vor seines Hauses Thür,
Da hüpft und tanzt und jubelt seine Maid,
Sein einzig Kind, sein schönes Kind herfür.

Da faßt den Vater Weh und tiefster Gram,
Sein Haar zerrauft er und zerreißt sein Kleid:
„Mein Kind, mein Kind des Schwures Opferlamm!“


II.

Ergeben sprach die Maid, mit starker Seele:
„Was du gelobt, das soll an mir geschehen.“
Und kindlich froh ihr Kommen blieb und Gehen,
Daß ja kein Vorwurf ihren Vater quäle.

Doch floh sie auf’s Gebirg zu stummen Rehen,
Daß sie vor Menschen ihren Schmerz verhehle,
Und daß kein Aug’ die heißen Thränen zähle;
Und Niemand sollt ihr’ Antlitz welken sehen.

„Der Rose gleich, aus deren reinem Schooße
Erblüht kein schön’res Leben, muß ich sterben!
Auf wen kann Jephta’s Name sich vererben?“ –

Nach Monden kehrt mit ihrem dunklen Loose
Versöhnt die Jungfrau heim; sie prangt verklärt
Und folgt, ein willig Lamm, zum Opferherd. -


Samuel
1. Kön. 12.


Sein mächtig Wort ließ Samuel erschallen
Durch’s ganze Land von Dan bis Beerscheba.
Er sprach, als er das Volk versammelt sah:
„Mein Richteramt wollt’ euch nicht mehr gefallen.

ihr seht, den ich gesalbt, in Purpur wallen
Als König, den Jehova sich ersah:
Wohlan! Ich steh’ ein Greis und kraftlos da
Vor dem Gesalbten, vor euch Männern allen.

So zeuget wider mich und tretet vor!
Wer findet unrecht Gut in meinen Händen?
Ließ durch Geschenk mein richtend Aug’ sich blenden?
Klagt Blut mich an? Lieh Schmeichlern ich mein Ohr?“ –

Da rief das Volk: „Wir alle zeugen hier:
Es ist kein Fehl und keine Schuld an dir!“


Saul
1. Kön. 28.


Vom König war der Geist des Herrn gewichen,
Kein Traum, kein Opfer gab ihm Kunde mehr;
Ihm drückte finst’rer Gram die Seele schwer,
Und Zorneslohen seine Blicke glichen. –

Am Tabor ist, am Hermon schon verblichen
Der Sonne Strahl, und zahllos, Speer an Speer,
Kommt näher über Edrelon das Heer
Der Philistäer durch die Nacht geschlichen. –

Saul tritt gebeugt in’s Haus der Zauberin,
Daß sie ihm des Propheten Geist beschwöre,
Der einst erhöht, gesalbt zum König ihn.

Und Samuel erscheint, und zum Gehöre
Wie Donner dringt das Wort: „Die Söhne dein,
Und du, ihr werdet morgen bei mir sein!“ -


David’s Klagelied um Saul und Jonathan.
2. Kön. 1.


„Nicht Thau erquick euch fürderhin, noch Regen,
Nicht Erstlingsfrüchte soll’t ihr ferner tragen!
Weh’ euch, ihr Berge Gilboa’s! Erschlagen
Ist Jacob’s Hort! Dahin die stolzen Degen!

O haltet fern die Kunde von den Wegen
Nach Gath uns Askalon! Die Harfen schlagen
Des Feindes Töchter sonst bei Festgelagen
Und tanzen all’ dem Siegesheer entgegen.

Wehklaget, Töchter Israel’s! Wehklaget,
Die ihr den goldbesäumten Purpur traget, -
In Blutespurpur liegt der König jetzt.

Auch du nicht mehr, mein Schutz und meine Zier?!
O Jonathan, so viel war deine Liebe mir,
Daß keine Frauenliebe sie ersetzt!“ -


Modin

Sieh’ jenen Berg, gekrönt mit Mauerresten,
Zum Thal der Terebinthen abgedacht,
Wo David’s Schleuderhand zu Fall gebracht
Den Gottesläst’rer einst, der Kämpfer Besten!

Die Trümmer haben großer Todten Acht,
Der Eiferer des Rechts, der Glaubensvesten –
Des Makkabäerstamms mit seinen Ästen
Der Jacob’s letzten Heldenmuth entfacht.

Eh’ zu den Vätern er versammelt ward,
Sprach Mathathias tröstend noch im Sterben:
„Ihr Treuen all! vertrauet meinen Erben,
Den Söhnen mein, und bleibt um sie geschaart;

Denn Simon ist ein Mann von klugem Rath,
Und Judas ist ein Eisenmann der That.“


Johannes
Luc. 3.


Der Wüsten durch und Fluß entlang die Lande
Durchzog, dem Heiland ebnend seine Wege,
Gerad’ anbahnend, was noch krumm und schräge, -
Es sprach der Mann im härenen Gewande:

„Kein Purpur, König! deckt die Sünd’ und Schande,
Daß mit dem Weib des Bruders Umgang pflege
Der Bruder.“ – Und Herodis Zorn ward rege,
Er warf den Bußeprediger in Bande. –

Der König schwelgt, es schwelgt die Höflingsschaar;
Der Buhle Tochter tanzt, das Haar umlaubt,
Die trunk’nen Sinn’ umstrickend ganz und gar.

Das Mägdlein fleht, der König nickt und spricht;
Der Diener eilt und bringt – Johannis Haupt
Ihm dar als letztes, blutiges Gericht. -


Der Jacobsbrunnen
Joh. 4.


Am Bronnen, der schon Jacob’s Herde tränkte,
Verweilte Jesus müd’, entließ die Schaar
Der treuen Jünger, die, da Mangel war
An Mundbedarf, die Schritte stadtwärts lenkte.

Da kam ein samarithisch Weib, versenkte
Den Eimer, füllt den Krug und reicht ihn dar;
Doch süß’re Labung ihr der Heiland schenkte,
Des Lebens Born erschließend wunderbar.

Er lehrt im Geist sie beten, in der Wahrheit
Zu Gott, der so die ganze Welt als Geist
Wie Morija, die Tempelhöh’, umkreist. –

Versiegt ist und verschüttet Jacob’s Bronnen,
Jedoch der Quell, der hier dem Weib geronnen,
Fließt fort und fort in ungetrübter Klarheit. -


Bethania

Oase auf des Heilands Wüstenwegen!
Bethania, süße Einkehr, Wanderrast
Des Herrn der Welt, der als der Erde Gast
Nicht nannte sein, worauf sein Haupt zu legen!

Wie freudig eilt Ihm Lazarus entgegen!
Wie hat Ihn zu bewirthen Martha Hast!
Und ihrer selbst vergißt Maria fast,
Bedacht, Sein Wort dem Herzen einzuprägen!

Ihr ward der beste Theil aus Seinem Munde. –
Sei mir gegrüßt! Ich dank’ in später Stunde
Bethania dir, noch in Ruinen traut.

Du warst dem Heiland treugesinnt und gut,
Der hier im Schooß der Freundschaft ausgeruht
Und hier ein stilles Menschenglück geschaut.


Jerusalem

Ich stieß, ein Pilger, von Italiens Küste

Ich stieß, ein Pilger, von Italiens Küste,
Ein zartes Saitenspiel in meiner Hand;
Mich zog ein hohes, freudiges Gelüste
Zur Stätte, wo das Kreuz der Sühnung stand.

O Tag, da ich Jerusalem begrüßte,
Das Felsengrab im hehren Lichterbrand,
Den heil’gen Staub mit brünst’gen Lippen küßte
Und Thränen nur als Zoll der Andacht fand!

Aus allen Zonen knie’ten Pilgerschaaren,
Die reuigfromm das Haupt zur Erde neigten;
Des Einen Christenstamms, des vielverzweigten,
Getrennte Reiser all’ vereinigt waren.

in allen Sprachen, welche je erklungen,
Ward hier des Graberstand’nen Ruhm gesungen!


Nur eine Nacht in stiller Tempelrunde

Nur Eine Nacht in stiller Tempelrunde,
Auf Golgatha, dem Felsensühnaltar!
Der Andachtschauer macht, der Ernst der Stunde
Dir das Geheimnis der Erlösung klar.

Die Reue strömt aus jeder Seelenwunde,
In ganzer Blöße stellt der Mensch sich dar;
Und doch, aus der Versöhnung froher Kunde
Entquillt Genesung mild und wunderbar.

Es bebt der Fuß, in’s Marmorgrab zu treten,
In’s Heiligste des Heiligthums; zu beten
Die Lippe selbst in tiefster Stille zagt.

Du träumest selig an des Grabes Stufen,
Bis wach dich ernste Möncheschöre rufen,
Und durch das Tempelthor der Morgen tagt.


Via Dolorosa

Dort schrie der feile Pöbel: “Kreuzigt Ihn!”
Hier wusch der Römer heuchelnd seine Hände, -
Da floß der edlen Frauen Mitleidspende, -
Die Mutter schaut’ Ihn hier, die Dulderin:

Das ist der Weg, und Golgatha sein Ende,
Den mit dem Kreuze Christus mußte zieh’n!
An tausendjähr’gen Malen zieht sich hin
Die schmerzlichste, die heiligste Legende. –

Wenn über euch die bleichen Sterne schweben,
Die vom Verrätherkuß euch Kunde geben,
Und ihr kein fremdes Athmen rings verspürt:

Dann wandelt diesen Weg, den Er geschritten,
Der an dem Kreuz den Opfertod erlitten, -
Es bleibt ein steinern Herz nicht ungerührt.


Blinde Gäule

Ich bog vom “Leidensweg” in eine Gasse,
Die mit dem Thore gen Damaskus mündet;
Ob Lärm die Nähe des Bazars verkündet,
Nur selten wogt durch sie die Menschenmasse.

Den Mühlstein treiben Gäule, hungerlasse;
Ihr Traben ist mit stäter Nacht verbündet,
Kein Strahl je wiederum ihr Aug’ entzündet, -
Zu seh’n, wie trostlos ihre dunkle Straße.

Derselbe Kreis, vollendet tausendmal! –
Ich rief, emporgeschreckt zu ernstem Sinnen:
Vater des Lichts! Wird’s Nacht in mir tiefinnen,

Belehre mich durch Einen Gnadenstrahl,
Ob ich in meinem Forschen, Streben, Lieben
Nicht vorwärts drang, nur einen Kreis beschrieben?!“



Die Oelbäume in Gethsemane
Marc. 14.


„Wir sah’n den Fall Jerusalem’s, das Feuer,
So jenes Tempels Wunderbau verzehrte;
Als Rot die Mutter mit dem Beil bewehrte,
Des Kindes nicht zu schonen, ihr so theuer:

Da bebten wir, der Schmerz war ungeheuer. –
Seldschuken ras’ten mit dem Siegesschwerte,
So oftmals die Zerstörung wiederkehrte,
Durchzuckte unser Mark ein Schmerz, ein neuer.

Doch keiner glich dem tiefsten Mitgefühle,
Als einst der Heiland in der Abendkühle
Den größten Seelenkampf hier ausgestritten.

Wir steh’n als jener Stund’ uralte Zeugen,
Wir sah’n ihn blutend sich zur Erde beugen
Und ahnten leise wohl, was er gelitten.“


Thal Josaphat

O Thal des Schweigens, tiefgefurchtes Tal
Der Schatten, Gräbertal! Wann wird es tagen?
Wann wird der Herr nach Jedes Thaten fragen,
Die Gräber öffnen der Posaunen Schall? –

Am steilen Abhang liegen Mal an Mal;
Ich beb’ und meine Füße hemmet Zagen.
Was hast du, Stein! vom Jenseits mir zu sagen?
Dich stört doch nicht der Schritte Widerhall?!

Ihr starrt mich, off’ne Grabeshöhlen, an.
Wer hat den Schlußstein frech hinweggerissen?
was droht ihr mir mit eu’ren Finsternissen? –

„Hier ruht“ – so sprecht ihr klar zum Pilgersmann –
„Ein Volk und eine glänzende Geschichte;
O sinne nach dem strengen Weltgerichte.“


Der Oelberg
Matth. 23 und 24. Luc. 19.


„O welche Steine, Meister! Welch’ ein Bau!“
Des Tempels Anblick macht die Jünger trunken;
Doch Christus spricht, in Traurigkeit versunken,
Sein Auge füllt des Mitleids Thränenthau:

„O welch’ ein Greu’l, den ich im Geiste schau’!
Kein Stein wird einstens ob dem andern prunken,
Schon hegst du jetzo der Zerstörung Funken
Und öde wirst du werden, wüst’ und rauh!

Jerusalem, Prophetenmörderin!
Wie oft hab’ ich die Flügel ausgespannt
Der Henne gleich, die ihre Kücklein schützt!

Du aber steinigst, die zu dir gesandt,
Du willst nicht unter meinen Fittig flieh’n, -
Du hast die Zeit des Heiles nicht benützt!


Palmsonntag

Der Patriarch belehnt mit Palmenzweigen
Die nordentsproßne Pilgerschaar, die kleine,
Die, eingehüllt von gold’ner Ampeln Scheine,
Das Grab umstand, in Schau’n vertieft und Schweigen.

Doch als wir geh’n um’s Felsenmal den Reigen,
Da stählet Mut, Begeist’rung die Gebeine,
Und „Hosianna“ lassen im Vereine
Wir auf zum kuppelrund des Tempels steigen.

Und mächt’ger schallt das Hosiannarufen,
Und grünen Schwertern gleichen uns’re Palmen,
Und Kriegern wir, und krieg’risch rauschen Palmen. –

Als Petrus schlief an diesen kalten Stufen,
War’s solch’ ein Traum, durch den sein Mut entbrannte,
Daß er das Abendland zum Kampf entsandte?



Wer unter euch ohne Sünde ist
Joh. 8.


Die Pharisäer schleppten in die Mitte
Des Tempels vor die Ehebrecherin
Und wandten sich mit heikler Frag’ an Ihn,
Auflauernd, ob Er Mosen widerstritte:

„Das Weib zu stein’gen heischet Recht und Sitte;
Was meinst Du, Rabbi! sollen wir’s vollzieh’n?“
Doch ruhig grub in Sand er Zeichen hin,
Bis Jene wiederholt die Heuchlerbitte.

Dann sich erhebend spricht Er, gottdurchleuchtet:
„Wer unter euch sich ohne Sünde deuchtet,
Der werf’ auf dieses Weib den ersten Stein.“

Und schamrot schleicht davon die Gleißnergilde.
Zum Weibe spricht der Herr voll Himmelsmilde:
„Geh’ heim! Und lebe fürder sündenrein!"



Denn sie hat viel geliebt
Luc. 7.


Zum Mittagsmahle lud den Herrn mit süßen,
Arglist’gen Worten einer einst von Jenen,
Die sich gerecht vor Gottes Augen wähnen
Und geizen nach des Marktes Gunst und Grüßen.

Da wirft ein Weib dem Heiland sich zu Füßen,
Benetzet sie mit ihren heißen Thränen
Und trocknet sie mit ihres Haares Strähnen
Und salbt und küsset sie mit brünst’gen Küssen.

Der Pharisäer denkt: Wär’ ein Prophet
Mein Gast, so wüßt’ er, daß ein sündhaft Weib
Ihm naht’ und stieße sie von seinem Leib.

Der Heiland spricht, der Aller Herz durchspäht:
„Ihr wird, die viel geliebt, auch viel vergeben“ –
Und spricht zum Weib: „Du sollst in Frieden leben.“



Mein Haus ist ein Bethaus
Matth. 21


Hinan die Stufen zu den Tempelhallen
Der Heiland steigt, im Antlitz Frieden, Milde;
Der Abglanz Gottes an dem Menschenbilde,
Bewundrung weckt er, Ehrfurcht, Wohlgefallen.

Doch welches Lärmen, Durcheinanderschallen
Erfüllt Jehova’s Haus? was soll der wilde,
Geschäftigheis’re Schrei der Wechslergilde,
Das Feilschen, Tiergeblök, die Warenballen?

Und sieh’, der Herr ergrimmt und langt nach Stricken
Und jagt die Frevler, endend das Gezänke,
Hinaus zum Tempel, stürzt die Tische, Bänke
Und ruft mit Donnerstimme, Zornesblicken:

„Geschrieben steht: „„Ein Bethaus ist mein Haus!““
Ihr machtet eine Mördergrube d’raus.“


Der Friedenskönig kommt herangezogen
Matth. 21.


Der Friedenskönig kommt herangezogen,
Jerusalem, empfange David’s Sohn!
Der Rücken eines Füllens ist sein Thron,
Und Palmen neigen sich zum Siegesbogen.

Die Siegeskunde ist vorausgeflogen;
s rauscht und strömt aus allen Pforten schon,
Vom Tempel widerhallt der Jubelton,
Im Thalbett stauen sich des Volkes Wogen.

Und Festgewande breiten auf den Pfad,
Die ihm voraus, dem Weltbefreier, wandern,
Und grüne Reiser streuen hin die Andern.

Die Menge ruft, es ruft die Sion-Stadt:
Dein König, Israel! er kommt, der Hehre!
Dem Gottgesandten Preis und Ruhm und Ehre!


Einzug der Schismatiker

Was wogt und toset durch der Gassen Enge?
Ei, sieh’ doch! Männer, Weiber, Kinder, Greise!
Sie schleppen Betten, Krüge, Trank und Speise,
Und wildbegeistert brau’st und ras’t die Menge!

In Pelzen Die – beherrscht des Czaaren Strenge,
Und Jene zeigen heit’re Griechenweise,
Vom schönen Euphrat machten Die die Reise; -
Den bärt’gen Popen weichet das Gedränge.

Und auf des Tempels-Vorplatz stürzen Alle,
Und Alle münden in die Grabeshalle –
Zurück! Ist sie ein Karawanserai?

Umsonst! Sie lagern sich im Tempelraum,
Daß Jeder, säumt sich noch der Osten kaum,
Des „heil’gen Feuers“ schon gewärtig sei. -


Bethseba
2. König. 11


Jerusalem, das schlummernde zu wecken,
Die Sonne hell vom Oelberg niedersah:
Der stolze Tempel prangt auf Morija,
Im Königsgarten glänzen gold’ne Hecken.

Doch schöner hebt aus kühlem Marmorbecken
Die reizevollen Glieder Bethseba,
Urias’ des Hethiters Weib. Sieh’ da,
Die Büsche zögern, solche Pracht zu decken.

Von hoher Zinne feiner Veste schaut
Den jungen Tag der königliche Sänger
Und schaut Urias’ Weib vom Bad bethau’t.

Er sinnt, wie er den treuen Knecht verderbe; -
Er sann und schrieb und zauderte nicht länger:
„Urias gib den Feinden preis, er sterbe!“


Die Königin von Saba
3. König. 10


Nach Salem zog mit Knechten, Dromedaren,
Mit gold’nen Schätzen Saba’s Königin;
Und dunkler Worte viel’ erwog ihr Sinn,
In Räthseln wollt’ ihr Geist sich offenbaren.

Doch schwanden schnell der Nebel dichte Schaaren
Vor Solomonis lichter Weisheit hin, -
Sie ließ jedwede leise Regung ihn
Im Herzensgrund der Königin gewahren.

Die Fürstin staunt ob seines Hauses Macht,
Ob seiner Knechte Thun und reicher Tracht
Und ob des Tempels Majestät und Pracht:

„Dein Ruhm, von dem ich glaubte, daß er trüge,
Vor deiner Weisheit ist er Neid und Lüge;
Denn keine Zunge preist dich zur Genüge.“


Es saust ein Wettersturm von Sion aus
4. König. 11 und 18.


Es saust ein Wettersturm von Sion aus
Zerschmetternd Haine, Tempel und Altäre;
Daß Racheglut den Greuel all’ verzehre,
Zuckt rothen Feuers Wuth aus dem Gebraus.

Der König eifert für Jehova’s Haus,
Zermalmt die Götzen mit des Zornes Schwere
Und schwingt die Axt und herrscht ihr zu: Verheere!
Und lischt den Opferbrand, das Rauchwerk aus.

Er kleidet neu in alte Herrlichkeit
Jehova’s Tempel und er öffnet weit
Leviten, Priestern, allem Volk das Thor.

Und sieh’, es hebt sich unter Psalmensang,
Trompetenschall und süßem Harfenklang
Der Hekatomben Sühnungsrauch empor! -


Morija
1. Esdr. 3.


Auf Morija liegt siebzigjähr’ger Schutt,
Der Schutt von Salomonis Tempelhallen,
Und fernher Trümmer eines Volkes wallen
Nach Salem’s Höh’n mit reichem Tempelgut.

Der Altar steht, es raucht die Opferglut,
Und horch’, schon jubeln Babylons Vasallen!
Der Knechtschaft Leiden sind vergessen, Allen
Ist ja die Heimat lieb, Jehova gut!

Und sieh’, ein neuer Tempel will erstehen;
Die Schaaren jauchzen, die den Grundriß sehen,
In Opferfreudigkeit und Zuversicht.

Die Wen’gen, die des alten Pracht geschaut,
Die Greise weinen aber überlaut:
„Das ist Jehova’s altes Wohnhaus nicht!“


Jeremias
Klagel. 1 und ff.


Wie einsam sitzt die Stadt im Wittwenharme,
Die volkesreich der Lande Fürstin war!
Die Tochter Sion’s wühlt im losen Haar,
Und schmuckberaubt, geknechtet stöhnt die Arme:

„Wo weilt mein Hort, entführt vom Feindesschwarme?
O nehm’t, die ihr vorüberzieht, gewahr,
Ob je ein Schmerz so groß, so rührend gar?
Wer lös’t die Fesseln mir vom Fuß und Arme?

Jehova brach im Sturm die heil’gen Mauern;
O seht, die Tempelswege schweigen, trauern,
Kein Priester naht zum Opfer, zum Gebet.

Ist dies des Erdenrundes Stolz und Wonne?
Die Herrin, strahlend in der Schönheit Sonne? –
Es schüttelt, wer mich schaut, das Haupt und geht!“ -


Die Bäume wollten einen König haben.
Richt. 9.


Die Bäume wollten einen König haben,
Den Oelbaum wollten sie zunächst erheben.
Der sprach: „Soll ich mein reiches Fett hingeben,
An dem die Menschen sich und Götter laben?“

Der Feigenbaum, der hieß sie fürbaß traben:
„Was fordert ihr von mir mein süßes Leben?
Ich mag nicht über euch als König schweben;
Zählt meine Frucht nicht zu den besten Gaben?“

„Ich fühle mich geehrt;“ – so sprach die Rebe –
„Doch lieb’ ich meinen gold’nen Saft und strebe
Nach Amt und Kronen nicht und bunter Zier.“

Der Dornbusch sprach: „Es kommt euch gut zu Statten;
Bequemt euch willig unter meinen Schatten,
Sonst geht verzehrend Feuer aus von mir.“


Erheb’ dich, meine Freundin, meine Schöne.
Hohel. 2.


Erheb’ dich, meine Freundin, meine Schöne!
Der Winter floh, die Regen sind vergangen,
O tritt hervor in’s allgemeine Prangen,
Daß deine Schönheit Lenzesschönheit kröne.

Erschließ dein Ohr den süßesten der Töne,
Die je aus zarten Vogelkehlen drangen;
Es sproß’t und blüht, wohin die Blicke langen,
Die Taube girrt ein zärtliches Gestöhne.

Die Rebe weint und würzt die leisen Lüfte,
Die junge Feige hüllet sich in Düfte,
Die Welt ist all’ getaucht in Farb’ und Licht.

Verlaß, mein Täubchen, deine Felsenklüfte,
Verlaß dein Nest, beschirmt von Klippen dicht,
Und laß mich schau’n dein holdes Angesicht.


Psalmen

I.

Jehova donnert, der Gewaltige,
Und über Wasser rollt des Donners Schwere,
Und weithin dröhnet über alle Meere
Des Donn’rers Stimme, die nachhaltige.

Sie sprühet Flammen, tausendfaltige,
Und durchbraust die Wüste, daß sie gähre,
Erschüttert kreise, wild aus sich gebäre
Gebirg’ und Hügel, vielgestaltige.

Jehova’s Stimme, die den Wald entblättert,
Und die die Cedern Libanons zerschmettert,
Macht Berge gleichwie junge Kälber springen.

Erhaben, furchtbar ist Jehova’s Stimme,
Und alles Leben bebt vor seinem Grimme,
Läßt er sie durch das Mark der Erde dringen. -


II.

An Babel’s Strömen saßen wir als Knechte;
Im Herzen wühlte hoffnungsloses Sehnen,
Von uns’ren Augen trofen heiße Thränen,
Und krampfhaft ballt’ im Grimme sich die Rechte.

O, Fluch dem tempelräub’rischen Geschlechte!
Geknechtet auch die Seele mußten wähnen,
Die sprachen: „Rührt an eu’rer Harfen Strähnen
Und singt, bekränzt und salbt das Haargeflechte!“

Von Sion ferne fröhlich sein und singen?
Eh’vor verlern’ die Rechte sich zu heben,
Und bleib’ die feile Zung’ am Gaumen kleben!

An Babel’s Weiden uns’re Harfen hingen,
Zuweilen nur mitklagend sie erwachten,
Als uns’rer Heimat, Salem’s wir gedachten. -


III.

Wo berg’ ich mich vor Deiner Augen Helle?
O Herzenkundiger! Du weißt das Wort,
Bevor es von des Schweigens dunklem Port’
Ausfährt, getragen von der Rede Welle.

Erhöb’ ich mich zu Deiner Himmel Schwelle,
Dich, Herrlicher, Dich fänd’ und schaut’ ich dort;
Und hätt’ ich in den Abgrund mich gebohrt,
Du folgtest mir mit der Gedanken Schnelle.

Und flög’ ich auf der Morgenröthe Schwingen
Und hielte Rast am fernsten Meeressaum,
Nicht könnt’ ich los von Deiner Hand mich ringen.

Und hüllt mich Nacht in ihren Mantel dicht:
Vor Dir zerfließt die Finsterniß wie Schaum,
Und Nacht ist Licht vor Deinem Angesicht.


Die Weisheit
Sprüch. 8


Bevor die Erde hing im Ätherraum,
Auf Säulen sich erhob der Himmelsbogen;
Bevor der Sonne lichte Pfeile flogen,
Und schimmert’ ihres Pfühles Rosenflaum;

Bevor ein Damm gesetzt dem Wogenschaum,
Der Erde Höh’n die Grenze war gezogen;
Noch stand kein Baum, von gold’ner Frucht gebogen,
Noch quoll kein Born hervor zum Waldessaum:

Da war schon ich, von Ewigkeit geboren,
Die zur Vertrauten sich der Herr erkoren,
Die Tag für Tag auch seine Wonne war.

Ich spielt’ und hüpft’ auf seinem Erdenkreise,
Der Menschenkinder Zucht und kluge Weise
War meine Sorg’ und Freude immerdar.


Vanitas
Pred. 1.


Die Sonne darf nicht ändern ihre Bahn,
Sie lechzt nach Ruh’ und kann sie nicht erreichen;
Und ob die Winde nord-, ob südwärts streichen,
Sie langen stets bei ihrem Ausgang an.

Vom Land in’s Meer, vom Meer auf’s Land sodann!
Das Wasser darf von dieser Norm nicht weichen;
Im steten Wechsel von Geburt und Leichen
Spinnt sich die Kette fort, wie sie begann.

Was jetzt besteht, schon einmal war es da,
was jetzt geschieht, schon einmal so geschah,
Und der Vergessenheit rollt Alles zu.

Was mühst du dich, mein stolzes Menschenkind?
O sieh, wie eitel deine Werke sind,
Im ew’gen Einerlei – ein Tropfen du! -





.
Ich liebe dich, du Land der Prophezieen

Ich liebe dich, du Land der Prophezien!
Obgleich die Patriarchen, Kön’ge, Richter
Die großen Mütter, Heldenfrau’n und Dichter
Gleich Schemen meinem Geist vorüberfliehen.

Du sahst dein eigen Volk von hinnen ziehen,
Erkennen wollt es nicht den Normen-Sichter,
Des neuen Bundes göttlichen Errichter,
Und nicht vor schlichtem Opferbrote knieen.

Und doch, der Sehnsucht sonniges Gestade,
Bist du Jehova’s Land, das Land der Gnade,
Der Bibel Land und wundervoller Siege!

Du bist die Heimat der Prophetenmahnung,
Der tausendjährigen Messiasahnung, -
Des Heilands Grab und meines Glaubens Wiege!



Mir gab das erste Buch von dir schon  Kunde

Mir gab das erste Buch von dir schon Kunde,
Noch kaum erwacht, hat dich mein Geist geschaut,
Dir galt des Knaben früher Sehnsuchtslaut,
Ein Lallen war dein Nam’ im Kindesmunde.

Wie anders tagst du mir in dieser Stunde,
Als meine Phantasie dich aufgebaut!
Noch bist du selbst, der selbe Himmel blaut,
Versiegt nur sind des Segens reiche Spunde.

Verschlossen ist der Garten ird’scher Wonnen,
Verstummt sind all’ die weißen Plätscherbronnen,
Die Rebenhügel kahl, die Myrthenhöhn.

Du hast gealtert, Land, du bist gewesen,
Und stünd’s im Buch der Bücher nicht zu lesen,
Wer glaubte, daß du jemals jung und schön?


Ave Maria in Nazareth

Die Mönche hoben uns vom Pferderücken
Und leuchteten hinan die dunklen Stufen;
Manch einer eilt herbei, mit trautem Rufen
Uns freudig an sein deutsches Herz zu drücken.

Und rasch ein Mahl uns Möncheshände schufen,
Wer hungrig, ist so leicht ja zu beglücken,
Und weiße Betten mehrten das Entzücken
Und laues Wasser stand bereit in Kufen.

Doch eh wir uns zum Gastmahl setzten nieder
Und auf den Diwan streckten unsre Glieder
Und uns’re Schuhe zogen von den Füßen:

Erscholl auf Aller Mund ein frommes Grüßen:
Gegrüßest sei, du Hochgeenedeite!
Maria, gib uns ferner dein Geleite.“


Eine Nacht in Bethlehem

O heil’ge Nacht, so wundermild entglommen!
Gleich Sternenaugen möcht’ ich dich durchwachen.
Wohl solch ein Stern gebot, sich aufzumachen,
Den fernen Kön’gen, und hieher zu kommen;

In solcher Nacht vernahmen wohl die Frommen,
Bemüht das Weidefeuer zu entfachen,
Den Ruf der Engel, die von Frieden sprachen,
Und machte Himmelsglanz ihr Herz beklommen.

Auf Fluren gießt der Mond sein Silberlicht,
Wo schüchtern Ruth bei Boas’ Schnittern saß,
Wo traut um David sich die Heerde schaarte.

Das Klosterdach war meine Sternenwarte,
Ich sah hinaus, hinauf ohn’ Unterlaß,
Wie lang ich träumend schaute, weiß ich nicht.


Heilige Rast

Bei Christen und bei Türken hoch in Ehren
Im Thale steht die Riesenterebinthe,
Weil einst ihr Schatten, Kühlung zu gewähren,
Der Mutter mit dem Jesukindlein diente.

Nie wird der Baum des grünen Laubs entbehren,
Nie schwindet seine Kraft im Mark und Splinte;
Der schnellste Reiter kann sich nicht erwehren, -
Er steigt vom Pferd und legt von sich die Flinte.

Hier trämst du paradiesisch holden Traum,
Die Wanderrast ist unter diesem Baum
So wonniglind wie nirgend eine mehr.

Zu scheiden wird dir unerklärlich schwer;
Von Mälha’s Rosengärten wendest du
Den Blick nach „der Marienruhe“ zu.


Ruth und Naemi

  Naemi

“Noch tritt auf Moabiterland dein Fuß;
Nicht weiter Ruth! nun lenke heim die schritte,
Was lockt dich fremdes Volk und fremde Sitte?
Sieh, Orpha ging mit meinem Segenskuß.

Ich bin verarmt und kinderlos und muß
Um Mitleid fleh’n in meines Volkes Mitte.
Sei klug, mein Kind! Du weißt nicht was ich litte,
Befiehl’ einst Kummer dich und Überdruß.“

  Ruth

„O laß, wohin du gehst, mit dir mich eilen,
Und dort, wo du verweilst, auch mich verweilen;
Laß, Mutter! selbst dein spätes Grab mich theilen. –

Zur Heimat will ich Jacobs Haus erkiesen,
Jehova sei, dein Gott, von mir gepriesen
Und Schwesterliebe deinem Volk erwiesen!“


Der See Genezareth


I.


O Sonne, gieß die Fülle goldner Strahlen
Auf diese Flut als schönrer Vorzeit Gruß,
Laß Licht und Schatten drauf ein Leben malen
Und wiederspiegelnd leuchten Bach und Fluß!

Einst glichen üpp’gen  Brüsten diese fahlen,
Noch weichgeschwungnen Höh’n an Überfluß
Und an den Bergen zeigte sich, den kahlen,
Noch nicht des Überdauerns Überdruß.

Tiberias! Wo sind die Schwesterstädte:
Bethsaida, Kapernaum und Magdala,
Die Vaterstadt der schönen Büßerin? –

Wenn ihn die Bibel nicht verewigt hätte,
Der schönste See, verschollen läg’ er da –
Es schwebt kein Segel mehr darüber hin.


II.

Als sich vom Purpurpfühl die Sonn’ erhob,
Hatt’ ich der Veste Trümmer schon erklommen;
Bald war der See zum Flammenmehr entglommen,
Daß Funken jeder Schlag der Wellen stob.

Des Sammelns süßem Fleiße lag ich ob,
Die hochgeschürzten Mädchen, die gekommen
Zu schöpfen, blickten schalkhaft und beklommen,
Als lichte Muscheln ich vom Sande hob.

Ein Quellbad füllt die schlaffen Stunden aus;
Zu sinnen gibt die säul’, am stillen Strand,
Wo sie geschmückt Herodis stolzes Haus.

Die kurze maienlinde Sternennacht,
Die mich mit wachen Augen träumend fand,
Glich einem riesigen Juwelenschacht.


Die Scholle brechend sprach ich Segen drein

Ein Beduine folgte seinem Pflug
Mit nacktem Fuß, gegürtet um die Lenden;
Und zog die Furchen, ohne  sich zu wenden
Nach uns’rem trachtenfremden Pilgerzug.

Vom Pferde, das mich durch die Eb’ne trug,
Gestiegen, langt’ ich dreist mit beiden Händen
Nach dem Geräth; er ließ es gern bewenden,
Kaum daß er ruhig, was ich wolle, frug.

Die Scholle brechend sprach ich Segen d’rein:
„O Land, das einst von Milch und Honig floß,
O werde wieder reich und schön und groß!

Wann wird der Sektenzwist beendet sein?
Wann gleicht ihr, Hügel, üpp’gen Fohlen wieder?
Wer reißt von Morija den Halbmond nieder?!“


Oasengrün

Auf müden Gäulen müde Waller saßen,
Den Scheikh der Wüste hatten sie zur seite,
Der Sonne Glut zum ständigen Geleite
Auf dürren Strecken, welche sie durchmaßen.

Die schwere Zung’ entbehrte längst des Nassen,
Verstimmt und lautlos trabt der Zug in’s weite,
Da ... welch ein Bildniß, welches traumgefeite?
Oasengrün, das goldne Säume fassen!

Und Mädchen, sieh’, am Brunn, Amphoren tragend,
Gazellenschlank, mit sonnenhellen Blicken ...
Ob sie des Fremdlings Kehle wohl erquicken?

Erröthend reichten sie den Krug und zagend ...
Ein letzter Blick in Wimpern, halb geschlossen,
Zu weißen Zelten dann auf flinken Rossen!


Die Elisäusquelle

Die Antilope trank aus dieser Quelle
Und labte sich in dieser Bäume Schatten;
Der Pferde Huf verscheuchte sie, die schnelle,
Uns räumte sie die Frische grüner Matten.

Aus dürren Felsen springt die munt’re Welle,
Jahrtausende hindurch, und ohn’ Ermatten,
Und allen Quillt der Trunk, der kühle, helle,
Die hier sich kurze Wanderrast gestatten. –

Den Mantel und mit ihm die Wundergabe
Empfing der Jünger, furcht- und schmerzgebeugt,
Als Trost des Meisters aus dem Feuerwagen.

Und vom Eliasschüler stammt die Labe,
Die jetzt noch, selbst ein klares Wunder, zeugt
Von wunderreichen, von Propheten-Tagen.


Am Jordan

An Jordan’s frühlingsgrüner Uferlänge,
Da, wo des Wüstenpred’gers Ruf erscholl
Und reu’gem Sinn die erste Taufe quoll,
Erhoben deutsche Pilger Chorgesänge.

Ein Priester las die Mess’ im Festgepränge;
Und als des Glöckleins Ton zum Ohre schwoll,
Versummt der sang zum Lauschen andachtsvoll
Und leiser bebt des Baumes Laubgehänge.

Moslemen knien auf Teppichen daneben
Und beten still, dem Morgen zugewendet,
Deß Wiederschein von Juda’s Bergen blendet:

Auf grünem Plan, von Waldesnacht umgeben,
Hat Christenthum und Islam sich gefunden,
Sich Orient und Okzident verbunden.


Das todte Meer

I.

Langsam, mühsam nach demselben Becken
Jordans Wellen, nordsche Wandrer zogen;
Schründe klaffen, die sich kreuzen, strecken
Auf der Eb’ne, kahl und ausgesogen.

Salzeskrusten sind die bunten Flecken,
Deren Glanz den fernen Blick betrogen,
Staub, den uns’rer Pferde Hufe wecken,
Fällt zurück in trägem, nied’rem Bogen.

Nirgend Leben! Nirgend ein Verweilen!
Über Phasga fliehen Wolkenschatten,
Rastlos selbst die Wüstengeier eilen. –

Dies Thal entlang der Oed und Leere
Lenkten schweigend wir den Trab, den matten,
Blauem Schimmer zu – dem todten Meere.


II.

Dies das Wellengrab der sünd’gen Städte,
Die der Herr mit Rachefeuer strafte,
Das ein Paradies von hinnen raffte –
Todgetränkter, stxg’scher Flut zum Bette!

Eh’s noch grünt an dieser Uferstätte,
Ist das Rohr verdorrt, zersetzt im safte,
Was der Sturm, der Gischt zur Stelle schaffte,
Gleicht aus Knochen einer grausen Kette.

Keine Barke noch den See durchschiffte,
Noch kein Fischlein trank von seinem Gifte,
Keinen Vogel hat sein Blau geblendet.

Felsen, ausgebrannt und viel gespalten,
Ernste Wacht am Wogensarge halten,
Wer ihm nahte, hat sich rasch gewendet.


Abraham

Er stand vom Lager auf, als auf den Weiden
Noch Frühtau lag und graue Dämm’rung wob;
Was müht und sputet sich der Greis, als ob
Es gälte, von der fetten Trift zu scheiden?

Mit Wasser füllt’ er seinen Schlauch und schob
In einen andern Brot, und gab die beiden
Der Magd, und hieß sie rasch den Knaben kleiden,
Der einst sein Herz in Vaterfreuden hob.

Und Kind und Mutter führt er vor die Schwelle
Und heißt sie geh’n und nimmer wiederkehren; -
Was, Alter, gleißt dein Auge thränennaß?

Entlang die Zelte schwankte Hagar schnelle,
Zusammen bricht sie fern, in heißen Zähren
Ergießt sich ihres Schmerzes Uebermaß


Einzug ins gelobte Land

I.


Horch’ auf, horch’ auf und zitt’re Canaan!
Jehova’s Volk, in Wüsten großgezogen,
Das an der Felsen Marmorbrust gesogen,
Sein reiches Erbe tritt’s gewaffnet an.

Die gold’ne Bundeslade schwebt voran,
Der freudig Priesterschultern sich gebogen,
Und hinterher des Volkes Drängen, Wogen
Nach Stämmen und Geschlechtern, Mann an Mann!

Sie dürsten nach dem Schatten deiner Palmen,
Nach deinen Bronnen, schönes Jordanthal!
Und nach dem Brot aus deinem vollen Halmen.

Von Waffen glitzerts dreist im Sonnenschein,
In Sang und Cymbelklang und Hörnerschall
Mit stolzen Fluthen fällt der Jordan ein.


II.

Die mit der Sehnsucht Schritten vorwärts drangen,
Gebieten ungestümer Eile Halt
Und schlagen Lager hier, im Palmenwald, -
Zu herrlich ist des Stromgeländes Prangen!

Ihr eigen ist, so weit die Blicke langen,
Das Land der süßen Rast für immer bald;
Was sproß’t und blüht und duftet mannigfalt,
Wird reif für sie vom Ast und Halme hangen.

Sie schütteln nun für immer von den Schuhen
Den Wüstenstaub und salben sich und ruhen
Und wandeln Jordans Wellenbahn entlang.

Die schlanken Mädchen schließen froh den Reigen,
Der Sänger nimmt die Harfe von den Zweigen,
Jehoven gilt sein Dank- und Preisgesang!


III.

Ganz Israel zum Kampf gerüstet fand
Der früh’ste Strahl. Auf ihre Schulter heben
Die Priester Gottes Lad’ an goldnen Stäben
Und schreiten vor, dem Jordan zugewandt.

Sobald ihr Fuß im Vorderwasser stand,
Durchzuckt die Wogen all’ ein großes Beben;
Sie gähren, trinken, stauen und erheben
Gewaltig sich zu hellkrystallner Wand.

Was sich zum Wasserdamm nicht thürmen kann,
Fließt ab, undkeine Weller fürder rann,
So lang im Rinnsal hielt die Bundeslade.

Hindurch zieht Israel mit trock’nen Sohlen
Und jauchzt dem Gott der Väter, der befohlen,
Daß Wogen weichen seines Volkes Pfade.


Kaleb verlangt von Josua Hebron

„Gib Hebron mir, mein Erbtheil und mein Eigen,
Das Gott durch Mosis Mund mir zugedacht,*
Als Kunde wir in Jacobs Zelt gebracht
Und schwere Frucht von hier an Ast und Zweigen.

Wie wir verkundschaft Land und Heeresmacht,
So sprachen wir, ohn’ etwas zu verschweigen,
Die andern Zehn – du weißt wie diese Feigen,
Das Volk zu schrecken, falsche Mär erdacht.

Ja sieh, schon denk’ ich mehr als achtzig Jahre
Und dennoch reicht die Kraft in Arm und Lenden,
Daß mir das Schwert mein Erb’ erstreit und wahre.

Die mit uns zogen aus Egyptens Reich,
Ach, alle mußten in den Wüsten enden,
Nur ich und Du!... Es wird um’s Herz mir weich.“


Josua erneuert den Bund

Die Waffen ruhn, die Söhne Jacobs schlagen
Die Friedensharfe. Josua ist alt;
Nur einmal noch sein Führerruf erschallt,
Von Sichem aus, zu einem großen Tagen.

Dort sehn die Tribus ihren Helden ragen,
Hochaufgerichtet unter einem Wald
Von Terebinthenzweigen, und alsbald
Ergeht an alles Volk sein ernstes Fragen:

„Wollt ihr, daß ich für euch den Bund erneue?
Wenn nicht, so wählt! Doch ich mit meinem Haus
Verbleib’ Jehova’s Knecht in Furcht und Treue.“

Als Antwort brach ein hehrer Jubel aus;
Der greise Sieger grub den Schwur in Stein
Und trug ihn in das Buch der Satzung ein.


Jephta’s Tochter

Ergeben sprach die Maid, mit starker Seele:
„Was du gelobt, das soll an mir geschehen.“
Und heiter blieb ihr Kommen und ihr Gehen,
Auf daß kein Vorwurf ihren Vater quäle.

Und niemand sollt’ ihr Antlitz welken sehen;
Und daß vor Menschen sie den Schmerz verhehle,
Und daß die heißen Thränen Keiner zähle,
Gesellt sie sich im Walde stummen Rehen.

„Der Rose gleich, aus deren reinem Schooße
Kein schönres Leben sproßte, muß ich sterben,
Und Jephta’s Ruhm, er findet keinen Erben.“

Jungfräulich Opfer, deinem dunklen Loose
Entquillt ein Glanz, dich ewig zu verklären,
Wer dächte dein und hemmte stille Zähren?


Samuel

Sein mächtig Wort ließ Samuel erschallen
Durch’s ganze Land von Dan bis Beerscheba.
Und sprach zum Volk, geschaart aus fern und nah
Dem längst nicht mehr sein Richterstab gefallen:

„Seht hier, den ich gesalbt, in Purpur wallen,
Der König ist 's, den Gott euch ausersah;
Ihm beug ich mich und Rede steh’ ich da,
Ehvor ich scheid’, euch Männern, Weibern, Allen.

Wer findet unrecht Gut in meinen Händen?
Ließ jemals sich mein richtend Auge blenden?
Klagt Blut mich an? Lieh Schmeichlern ich mein Ohr?

Du herrschest, Priester! Tritt kein Kläger vor?
Das gute Volk! es ruft: „Wir zeugen hier,
Es ist kein Fehl und keine Schuld an dir!“


Saul

Vom König war der Geist des Herrn gewichen,
Kein Traum, kein Opfer gab ihm Kunde mehr;
Auf seiner Seele lag’s gewitterschwer
Und Zorneslohen seine Blicke glichen. –

Am Tabor ist, am Hermon schon verblichen
Der Sonne Strahl, und zahllos, Speer an Speer,
Kommt näher über Edrelon das Heer
Der Philistäer durch die Nacht geschlichen. –

Wo weilt doch Saul? Berief er seinen Rath,
Daß er der Helden kühne Pläne höre?
Entflammt sein Wort die Zagenden zur Tat?

Er schleicht gebeugt in’s Haus der Zauberin,
Daß ihm der Geister Hülfe sie beschwöre,
Da längst verlassen Muth des Mannes ihn.


Davids Klage um Jonathan

„Nicht Thau erquick euch fürderhin, noch Regen,
Nicht Erstlingsfrüchte soll’t ihr ferner tragen!
Weh’ euch, ihr Berge Gilboa’s! Erschlagen
Ist Jacob’s Hort! Dahin die stolzen Degen!

O haltet fern die Kunde von den Wegen
Nach Gath uns Askalon! Die Harfen schlagen
Des Feindes Töchter sonst bei Festgelagen
Und tanzen all’ dem Siegesheer entgegen.

Wehklaget, Töchter Israel’s! Wehklaget,
Die goldbesäumte Purpurwat ihr traget,
In Blutespurpur liegt der König jetzt.

Auch du nicht mehr, mein Schutz und meine Zier?!
O Jonathan, kein liebend Weib ersetzt,
Was du mir warst, was deine Freundschaft mir!


Johannes

Der wüstendurch und stromentlang die Lande
Durchzog, dem Heiland ebnend seine Wege,
Gerad’ anbahnend, was noch krumm und schräge, -
Der Eifrer sprach in härenem Gewande:

„Kein Purpur, König! deckt die Sünd’ und Schande,
Du drangst in deines Bruders Hausgehege...
Genug, des Idumäers Zorn ward rege,
Er warf den Bußeprediger in Bande. –

Der König schwelgt mit seiner Höflingsschaar,
Der Buhle Tochter tanzt, das Haar umlaubt,
Den trunknen Sinnen schmeichelnd ganz und gar.

Sie heischt den Lohn – Herodes wehrt ihr nicht,
Ein Diener eilt und bringt Johannis Haupt
Ihr dar als letztes, blut’ges Festgericht


Bethania

Oase auf des Heilands Wüstenwegen!
Bethania, du warst die Wanderrast
Des Herrn der Welt, der als der Erde Gast
Nicht nannte sein, worauf sein Haupt zu legen!

Wie freudig eilt Ihm Lazarus entgegen!
Wie hat Ihn zu bewirthen Martha Hast!
Und ihrer selbst vergißt Maria fast,
Bedacht, Sein Wort dem Herzen einzuprägen!

Dein Name klingt wie ferner Lieben Kunde,
Sei warm gegrüßt in später, flüchtger Stunde
Bethania, noch in Ruinen traut!

Du warst dem Heiland treugesinnt und gut,
Der hier im Schooß der Freundschaft ausgeruht
Und still sein Werk .- ein Menschenglück geschaut.



Moses

III.


Der Führer schied von Israel, den Stab
Jehova’s in der Hand; nicht Trank noch Speise,
Noch Knechte nahm er mit auf diese Reise,
Von der für ihn es keine Rückkehr gab.

Die Kniee schwanken, oftmals setzt er ab
Und blickt ins Thal; die Lippen beben leise
Und Trän’ auf Träne rollt dem Heldengreise
Die braunen Wangen und den Bart herab.

Er schaut der Väter Land von Nebo’s Rücken.
Die Arme hebt ihm wachsendes Entzücken,
Mit Sehnsucht späht er nach dem Jordan nieder.

Ein Feuerstrahl ist seiner Augen Schein,
Er beugt sich vor und hält den Athem ein, -
Und sinkt nach vorn und hebt sich nimmer wieder.





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Ich stieß, ein Pilger, von Italiens Küste


Ich stieß, ein Pilger, von Italiens Küste,
Ein zartes Saitenspiel in meiner Hand;
Mich zog ein hohes, freudiges Gelüste
Zur Stätte, wo das Kreuz der Sühne stand.

O hehrer Tag, da Salem ich begrüßte,
Das Felsengrab erspäht’ im Lichterbrand,
Den heil’gen Staub mit brünst’gen Lippen küßte
Und Thränen nur als Zoll der Andacht fand!

Hier war’s, wo noch in frommer Pilger Schaaren
Des Einen Christenstamms, des vielverzweigten,
Getrennte Reiser all vereinigt waren.

Von Allen, die das Haupt zur Erde neigten,
In allen Zungen, die bislang erklungen,
Ward hier des Graberstand’nen Ruhm gesungen!


In der Grabeskirche

Nur eine Nacht in weiter Tempelrunde,
Auf Golgatha, dem Felsensühnaltar!
Der Andachtschauer macht, der Ernst der Stunde
Dir das Geheimnis der Erlösung klar.

Die Reue strömt aus jeder Seelenwunde,
In ganzer Blöße stellt der Mensch sich dar;
Doch des Versöhnungstodes froher Kunde
Entquillt Genesung mild und wunderbar.

Dein Fuß, er bebt, in’s Marmorgrab zu treten,
Im Heiligsten des Heiligthums zu beten
Die Lippe selbst in hehrster Stille zagt.

Du schlummerst selig an des Grabes Stufen,
Bis wach dich ernste Möncheschöre rufen,
Und durch das Tempelthor der Morgen tagt.


Die Via Dolorosa

Dort schrie die feile Menge: “Kreuzigt Ihn!”
Und wusch der Römer frevelnd seine Hände,
Hier floß der edlen Frauen Mitleidsspende,
Hier sah die Mutter Ihn, die Dulderin.

Dies ist der Weg, und Golgatha sein Ende,
Den Jesus mit dem Kreuze mußte ziehn!
An tausenjährgen Malen rankt sich hin
Die schmerzlichste, die heiligste Legende. –

Wenn über euch die bleichen Sterne schweben,
Die vom Verrätherkuß euch Kunde geben,
Und ihr kein fremdes Athmen rings verspürt:

Dann wandelt diesen Weg, den Er geschritten,
Der an dem Kreuz den Opfertod erlitten, -
Es bleibt ein steinern Herz nicht ungerührt.


Die Oelbäume im Gethsemane


„Wir sah’n den Fall Jerusalem’s, das Feuer,
Das jenes Tempels Wunderbau verzehrte,
Die Not, so Mütter mit dem Beil bewehrte
Zu schlachten, was dem Schooß und Herzen theuer:

Uns schauderte, das Weh war ungeheuer;
Und als seldschuken rasten mit dem Schwerte,
Als Feuer, Pest und Hunger wiederkehrte,
Da schnitt durch’s alte Mark ein Schmerz, ein neuer.

Doch keiner glich dem tiefern Mitgefühle
Zur Zeit, als Jesus in der Abendkühle
Den größten Seelenkampf hier ausgestritten.

Wir steh’n als jener Stund’ uralte Zeugen,
Wir sah’n ihn blutend sich zur Erde beugen
Und litten bebend mit, was er gelitten.


Das Thal Josaphat

O Thal des Schweigens, tiefgefurchtes Tal
Der Schatten, Gräbertal! Wann wird es tagen?
Wann zu des Weltgerichtes großem Fragen
Die Gräber öffnen der Posaunen Schall? –

Am steilen Abhang liegen Mal an Mal;
Die Schritte hemmt ein ehrfurchtvolles Zagen,
Ein ernstes Wort hat jedes Grab zu sagen,
Des Lebens Hochflut stockt an seinem Wall.

Ihr starrt mich, off’ne Grabeshöhlen, an.
Der frech den Schlußstein hat hinweggerissen,
Verfiel wohl selbst schon euren Finsternissen.

Ein kleines Thal, kann’s Größeres umfahn?
Hier ruht ein Volk mit glänzender Geschichte,
Hier weh’n die Schauder kommender Gerichte.


Vom Oelberg

„O welche Steine, Meister! Welch’ ein Bau!“
Des Tempels Anblick macht die Jünger trunken;
Doch Christus spricht, in Traurigkeit versunken,
Vom Auge träuft des Mitleids Thränenthau:

„O weh des Greuels, den im Geist ich schau’!
Schon jetzo hegst du der Verheerung Funken,
Bald wird kein Stein mehr ob dem andern prunken,
Verödung heißt dein Antlitz, wüst und rauh.

Jerusalem, Prophetenmörderin!
Hab ich nicht oft die Flügel ausgespannt
Der Henne gleich, wenn sie die Kücklein schützt?

Du willst nicht unter meinen Fittich fliehn,
Du steinigst, die von Gott zu dir gesandt,
Des Heiles Frist, du hast sie nicht benützt.“


Magdalena

Zum Mahle lud den Heiland einst mit süßen,
Mit Gleißnerworten Einer auch von Jenen,
Die sich gerecht vor Gottes Augen wähnen
Und geizen nach des Marktes Gunst und Grüßen.

Da warf ein Weib dem Meister sich zu Füßen,
Benetzet sie mit ihren heißen Thränen
Und trocknet sie mit ihres Haares Strähnen
Und salbt und küsset sie mit brünst’gen Küssen.

Argwöhnt der Wirth: Hm, ist mein Gast Prophet,
So weiß er, daß ihm naht ein sündhaft Weib,
Was stößt er sie nicht gleich von seinem Leib?

Spricht Christus, der sein faules Herz durchspäht:
„Ihr wird, die viel geliebt, auch viel vergeben“ –
Und sagt zum Weib: „Du sollst in Frieden leben.“


Der Friedenskönig

Der Friedenskönig kommt herangezogen,
Jerusalem, empfange David’s Sohn!
Der Rücken eines Füllens ist sein Thron,
Und Palmen neigen sich zum Siegesbogen.

Die Freudenbotschaft ist vorausgeflogen,
Es rauscht und strömt aus allen Thoren schon,
Vom Tempel widerhallt der Jubelton,
Im Thalbett stauen sich des Volkes Wogen.

Und Festgewande breiten auf den Pfad,
Die weit voraus dem Weltbefreier wandern,
Und grüne Reiser streuen hin die Andern.

Die Menge ruft, es ruft die Sion-Stadt:
Dein König, Israel! er kommt, der Hehre!
Dem Gottgesandten Preis und Ruhm und Ehre!


Bethseba

Jerusalem, das schlummernde zu wecken,
Die Sonne hell vom Oelberg niedersah:
Schon glänzt die Opferhöhe Morija,
Doch in den Gärten dämmern noch die Hecken.

Da hebt sich weiß aus kühlen Marmorbecken,
Mit reizevollen Gliedern Bethseba,
Erlauscht der erste Strahl, denn siehe da,
Die Büsche zögern, solche Pracht zu decken.

Von stolzer Zinne seiner Veste schaut
Den jungen Tag der königliche Sänger
Und schaut Urias’ Weib vom Bad bethau’t.

Der König glüht und sinnt... „der Mann verderbe!“
Und sann und schrieb und zauderte nicht länger:
„Urias gib den Feinden preis, er sterbe!“


Salomon und die Königin von Saba

Nach Salem zog mit Knechten, Dromedaren,
Und goldnen Schätzen Saba’s Königin,
Manch dunkles Wort erwog sie her und hin,
In Räthseln wollte sie sich offenbaren.

Doch Sonne Weisheit scheucht der Nebel Schaaren
Und deß hat König Salomon Gewinn,
Sie läßt des Weibes liebendzagen Sinn
Im Herzen ihn der Herrscherin gewahren.

Die Fürstin staunt ob seines Hauses Macht,
Ob seiner Knechte Thun und reicher Tracht
Und ob des Tempels Majestät und Pracht:

„Dein Ruhm, von dem ich glaubte, daß er trüge,
Vor deiner Weisheit ist er Neid und Lüge;
Denn keine Zunge preist dich zur Genüge.“


Joas

Es saust ein Wettersturm von Sion aus
Zerschmetternd Haine, Tempel und Altäre;
Und daß der Rache Glut den Greul verzehre,
Zückt rothen Feuers Blitz aus dem Gebraus.

Der König eifert für Jehova’s Haus,
Zermalmt die Götzen mit des Zornes Schwere
Und schwingt die Axt und herrscht ihr zu: Verheere!
Und lischt den Opferbrand, das Rauchwerk aus.

Er hat auf Neu mit alter Herrlichkeit
Das Heiligthum geschmückt und öffnet weit
Leviten, Priestern, allem Volk das Thor.

Und sieh’, es hebt sich unter Psalmensang,
Trompetenschall und süßem Harfenklang
Der Hekatomben Sühnungsrauch empor! -


Rückkehr in die Heimat

Auf Morija liegt siebzigjähr’ger Schutt,
Der Schutt von Salomonis Tempelhallen,
Doch fernher Trümmer eines Volkes wallen
Zum heilgen Berg mit neugewecktem Mut.

Ein Altar steht, es rauscht die Opferglut
Und horch, schon jubeln Babylons Vasallen,
Vergessen ist die Knechtschaft, Allen, Allen
Ist ja die Heimat lieb, Jehova gut!

Und sieh’, ein neuer Tempel will erstehen;
Die Schaaren jubeln, die den Grundriß sehen,
Vor Opferfreude, Stolz und Zuversicht.

Nur wen’ge, so die früh’re Pracht geschaut,
Des Volkes Greise weinen überlaut:
„Das ist Jehova’s altes Wohnhaus nicht!“


Jeremia’s Klage

Auf Trümmern einsam sitzt im Witwenharme,
Die, reich an Volk, der Lande Fürstin war;
Die Tochter Sion’s wühlt im losen Haar,
Geschändet und gefesselt stöhnt die Arme:

„Wo weilt mein Hort, entführt vom Feindesschwarme?
O nimm, der du vorüberziehst, gewahr,
Ob je so groß ein Schmerz, so rührend gar?
Ach keiner weilt, daß mein er sich erbarme!

Jehova brach im Zorn die heil’gen Mauern,
Die Pfade, die um Tempel führten, trauern,
Kein Priester naht zum Opfer, zum Gebet.

Ich hieß des Erdenrundes Stolz und Wonne,
Die Herrin, strahlend in der Schönheit Sonne –
Jetzt schüttelt, wer mich schaut, das Haupt und geht.“


Joatham’s Parabel


Die Bäume wollten einen König haben,
Und dachten erst den Oelbaum zu erheben;
Der sprach: „Soll ich mein mildes Fett hingeben,
An dem die Menschen sich und Götter laben?“

Der Feigenbaum, der hieß sie fürbaß traben:
„Was fordert ihr von mir mein süßes Leben?
Mich lüstet wenig über euch zu schweben,
Zählt meine Frucht nicht zu den besten Gaben?“

„Ich fühle mich geehrt;“ – so sprach die Rebe –
„Doch lieb’ ich meinen gold’nen Saft und strebe
Nicht Amt und Kronen an, noch bunte Zier.“

Der Dornbusch sprach, ihm kam die wahl zu Statten:
Bequemt euch willig unter meinen Schatten,
Sonst geht verzehrend Feuer aus von mir.“


Aus Salomon’s hohem Liede

Erheb’ dich, meine Freundin, meine Schöne!
Der Winter floh, die Regen sind vergangen,
Und tritt hervor ins allgemeine Prangen,
Daß deine Schönheit Lenzesschönheit kröne.

Es sproßt und blüht, soweit die Blicke langen,
Die Taube girrt ein zärtliches Gestöhne,
Erschließ dein Ohr den süßesten der Töne,
So viel’ aus zarten Vogelkehlen drangen.

Die Rebe weint und würzt die linden Lüfte,
Die junge Feige schwillt und athmet Düfte,
Die Welt ist all’ getaucht in Farb’ und Licht.

Verlaß, mein Täubchen, deine Felsenklüfte,
Verlaß dein Nest, beschirmt von Klippen dicht,
Und laß mich schaun dein lichtes Angesicht.


Jehova

Jehova donnert, der Gewaltige,
Entlang die Wasser rollt des Donners Schwere,
Die Tiefen schütternd schallt von Meer zu Meere
Des Donn’rers Stimme, die nachhaltige.

Und Flammen sprühend, tausendfaltige,
Durchdröhnt sein Ruf die Wüste, daß sie gähre,
Befruchtet kreis’ und groß aus sich gebäre
Gebirg’ und Hügel, vielgestaltige.

Jehova’s Stimme, die den Wald entblättert,
Und die die Cedern Libanons zerschmettert,
Macht Berge gleichwie junge Kälber springen.

Erhaben, furchtbar ist Jehova’s Stimme,
Und alles Leben bebt vor seinem Grimme,
Wenn er durch’s Mark sie läßt der Erde dringen.


An Babels Flüssen saßen wir als Knechte

An Babels Flüssen saßen wir als Knechte,
Im Herzen siechte hoffnungsloses Sehnen,
Vom Auge troffen ungezählte Thränen,
Und krampfhaft ballt’ im Grimme sich die Rechte.

O, Fluch dem tempelräub’rischen Geschlechte!
Darf’s auch geknechtet unsre Seelen wähnen?
„Singt, Mägdlein, rührt an eurer Harfen Strähnen.
Bekränzt das Haupt und salbt das Haargeflechte!

Entfernt von Sion Saitenspiel und Singen,
Ehvor verlernt die Rechte sich zu heben
Und bleibt die feile Zung’ am Gaumen kleben!

An Babel’s Weiden uns’re Harfen hingen,
Mitklagend sie zuweilen nur erwachten,
Wenn unsrer Heimat, Salem’s wir gedachten.


Davidscher Psalm

Wo berg’ ich mich vor Deiner Augen Helle?
O Herzenkundiger! Du weißt das Wort,
Bevor es von des Schweigens dunklem Port’
Ausfährt, getragen von der Rede Welle.

Erhöb’ ich mich zu Deiner Himmel Schwelle,
Dich, Herrlicher, Dich fänd’ und schaut’ ich dort;
Und hätt’ ich in den Abgrund mich gebohrt,
Du folgtest mir mit der Gedanken Schnelle.

Entflöh ich auf der Morgenröthe Schwingen
Und hielte Rast am fernsten Meeressaum,
Nicht könnt’ ich los von Deiner Hand mich ringen.

Und leiht die Nacht mir ihres Dunkels Dichte:
Vor Dir zerfließt die Finsterniß wie Schaum,
Und Nacht ist Licht vor Deinem Angesicht.


Die Weisheit
Sprüch. 8

Bevor die Erde hing im Ätherraum,
Auf Säulen sich erhob der Himmelsbogen;
Bevor der Sonne lichte Pfeile flogen,
Und schimmert’ ihres Pfühles Rosenflaum;

Noch war kein Damm gesetzt dem Wogenschaum,
Der Erde Höh’n die Grenze nicht gezogen,
Noch stand kein Baum, von gold’ner Frucht gebogen,
Noch quoll kein Born hervor zum Waldessaum:

Da war schon ich, von Ewigkeit geboren,
Die zur Vertrauten sich der Herr erkoren,
Die Tag für Tag auch seine Wonne war.

Ich hüpft und spielt’ auf seinem Erdenkreise,
Der Menschenkinder Zucht und kluge Weise
War meine Sorg’ und Kurzweil immerdar.


Vanitas
Pred. 1.

Die Sonne darf nicht ändern ihre Bahn,
Sie lechzt nach Ruh’ und kann sie nicht erreichen;
Die Winde mögen nord- und südwärts streichen,
Sie langen wieder bei dem Ausgang an.

Vom Land in’s Meer, vom Meer auf’s Land sodann!
Das Wasser darf von dieser Norm nicht weichen;
Im steten Wechsel von Geburt und Leichen
Spinnt sich das Leben weiter, wie’s begann.

Was jetzt besteht, schon einmal war es da,
was jetzt geschieht, schon einmal so geschah,
Und der Vergessenheit rollt Alles zu.

Was mühst du dich, mein stolzes Menschenkind?
Sieh zu, wie nichtig deine Werke sind,
Im Meer des Einerlei’s – Ein Tropfen du!



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