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Gefangenschaft : 2. Gericht
#1
Der Grüne Heinrich


Zur Übersiedlung dient ein Autobus,
ein Menschenpferch, nach seinem Lackgewand
vom Volksmund "Grüner Heinrich" zubenannt,
was Meister Gottfrieds Werk erdulden muß.

Man fühlt sich unter sicherstem Verschluß,
aus Luft und Licht in dumpfen Dunst gebannt;
zudem ist dies Vehikel stark bemannt
und Waffen führt es mit im Überfluß.

Die Fahrt erfolgt in voller Heimlichkeit,
geradezu intim, von Haus zu Haus.
Der Heinrich steht in einem Hof bereit,

die Mausefalle öffnet sich der Maus,
schnappt zu, verführt dich eine Strecke weit
und speit in einem andern Hof dich aus.
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#2
Im Grauen Haus


Unheimlich starrt dein neues Heim. Du dachtest
wohl nie, wenn du dem Kasten, grau und groß,
draußen vorübergingst, es sei dein Los,
daß du ihn auch von innen her betrachtest.

Nun aber, da du schon so weit es brachtest,
pariere diesen jüngsten Schicksalsstoß,
sein Gutes suchend! Ist es nicht famos,
daß du nicht mehr bei Licht hier übernachtest?

Auch sei die Haft in diesem Haus, so heißt es,
in mancher Hinsicht leichter schon erträglich,
Betrieb und Wachkorps freundlicheren Geistes,

Besprechung wöchentlich, Spazierganz täglich,
Briefschreiben jeden Sonntag... Was beweist es?
Die grauen Mauern starren unbeweglich.
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#3
Die neue Zelle


Nur kein Verweilen! In der Aufnahmstelle
wird über dich wie über jeden Gast
genauestens ein Signalement verfaßt,
für spätre Forschung eine wichtige Quelle.

Dann marsch ins Brausebad - für alle Fälle:
es kann ja sein, daß du zu karger Mast
dir Parasiten schon erworben hast,
verfemtes Mitvolk einer frischen Zelle.

Die liegt im dritten Stock und ist aufs Haar
getreu der anderen gespiegelt Bild,
die auf der Polizei dein Obdach war.

Ein wenig mehr Komfort. Groß und gefüllt
der Wasserkrug. Ein Glas. Ein Blechlavoir.
Und was nun wird, verhangen und verhüllt.
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#4
Spaziergang


Spaziergang! Zell' um Zelle wird entriegelt.
Antreten! Der Kontrollbeamte zählt,
ob keiner seiner Vierunddreißig fehlt.
Mit Linksum-Marsch! ist die Präsenz besiegelt.

Ummauert Viereck engen Hofes zügelt
den Drang nach Freiheit, der dies Haus beseelt;
im größern Raum doch mitter schon gequält,
fühlt jeder Wunsch von Hoffnung sich beflügelt.

Man trottet zwei zu zweien, Rund' um Runde.
Ein buntes Völklein. Sprechen ist erlaubt.
Schicksal und Anteil gehn von Mund zu Munde.

Schon knospen Baum und Strauch. Wird man belaubt
und blühend sie noch sehen? Eine Stunde
ist schneller hier vorüber, als man glaubt.
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#5
Die Delikte


Hier mußt du bald vor einem Richter stehen,
der dir erklärt, wo du vom rechten Pfad
des braven Bürgers abwichst, welcher Tat
man dich verdächtigt, dir den Strick zu drehen.

Dazu ist der Journaldienst ausersehen.
Du hörst und staunst: Empörung, Hochverrat.
Zehn Jahre Mindeststrafsatz. Obligat
die Haft. Berufung zwecklos. Du kannst gehen.

Du gehst und murmelst: Hochverrat? Empörung?
Hast du dich je in Wort und Schrift empört,
so gegen Lüge, Knechtschaft und Betörung.

Doch Hochverrat! Verbrechen unerhört,
gilt Hohem der Verrat; und Fluch der Störung,
die mutwillig des Fortschritts Kreise stört!
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#6
Hochverrat


Der Paragraph, der wohl in allen Landen
mit schwerstem Kerker, wenn nicht mit dem Tod
den Hochverrat, falls er mißlingt, bedroht,
hat niemals noch im andern Fall bestanden.

Verfassung hält in festgefügten Banden
der Staaten Bau und schützt sie vor der Not
der Sturmzeit: Selbsterhaltung ist Bebot.
Wie aber ward Verfasung hier zuschanden?

Dies Österreich ist eine Republik.
Wer will das ändern früher oder später?
Und demokratisch. Wird des Volks Geschick

vom Volke noch bestimmt? Wo sind die Täter?
Und Österreich ist deutsch. Wer hat den Blick
nach Rom gerichtet? Wer ist Hochverräter?
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#7
Ein Gleiches


Im Grund genommen gibt es nur noch einen
wahrhaften Hochverrat, zuallermeist
begangen. Ob du seiner schuldig seist,
das prüfe! Kannst du ehrlich es verneinen,

begingst du den nicht, dann begingst du keinen;
verrietst du nicht dich selbst und nicht den Geist,
der rechten Weg zu höherm Selbst dir weist,
magst ruhig vor dem Richter du erscheinen.

Denn dies allein kann Hochverrat bedeuten:
daß sich ein Mensch, wo's um die Mehrheit geht,
um seines Vorteils willen vor den Leuten,

die eben oben sind, dem Wind nach dreht
und im gegebnen Zeitpunkt sich zu häuten
und selbst sich zu verleugnen nicht verschmäht.
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#8
Zeitung


Zwei Wochen warst du von der Außenwelt
vollständig abgeschnitten. Nicht einmal
ein Feigenblatt der Schande, ein Journal,
das nach dem Wind von oben umgestellt

in ungezählten Zeilen nur enthält,
was ihm Zensur erlaubte, Macht befahl,
nicht einmal solch Erzeugnis, flach und schal,
war in der Ungewißheit dir gesellt.

Nun darfst du eine Tageszeitung halten,
um zwischen ihren Zeilen zu erspähen,
wie sich die Dinge draußen umgestalten.

Auch hörst du manches beim Spazierengehen,
Erschautes und Erlebtes. Und in kalten
Schauern erlebst und schaust du, was geschehen.
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#9
Ergebnis


Die Arbeit von Jahrzehnten ist vernichtet,
in einem Lande mehr in Strömen Blutes
der Freiheit Traum erstickt, des höchsten Gutes,
das Sehnsucht dichtend schafft und schaffend dichtet.

Schon war der Finsternis Gewölk gelichtet,
ein mühsam Aufbauwerk im Gang. Nun ruht es.
Unchristlich Christentum hat frohen Mutes
vergeßne Galgen wieder aufgerichtet.

Die Kerker und Gefängnisse sind voll
und müssen immer neuen Zuschub fassen.
Die Reaktion gebärdet sich wie toll.

Unsäglich Elend lastet auf den Massen
und auf die Frage, was da werden soll,
antwortet die Erfahrung: Haß lehrt hassen.
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#10
Haß


Haß ist nicht gut und sei er auch begründet,
doch sitzt er tief, wenn er begründet ist,
sitzt tief im Volk, ein Wurm, der weiterfrißt,
verhaltne Glut, die neuen Brand entzündet.

Wär' das ein Volk, das Prügeln je verwindet,
und wenn es auch mit mildem Maßstab mißt,
die Standgerichtsurteile je vergißt,
im Rundfunk zwischen Jazzmusik verkündet?

Zum Blutrausch trat die Wollust der Verhöhnung;
nun ist der Abgrund gähnend aufgetan,
die Zukunft droht in düstrer Farbentönung,

Zwietracht bleibt Losung, Bürgerfriede Wahn,
verrammelt sind die Wege zur Versöhnung
vom Leitspruch: Aug' um Auge, Zahn um Zahn.
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#11
Ein Gleiches


Haß zehrt nicht nur am Marke dieses Landes,
das nur ein Ländchen ist, ein Stück, ein Stumpf,
getrennt von eines großen Volkes Rumpf,
ein angekohltes Scheit des Weltenbrandes.

Haß herrscht im Schmuck verschiedensten Gewandes
in allen Kontinenten, giftig dumpf
des Erdballs Luft verpestend; Haß ist Trumpf
trotz besserm Trieb des Herzens und Verstandes.

Wird nicht in allen Sprachen Haß gepredigt,
Haßhandwerk allenthalben nicht gelehrt,
im Keim das Pflänzchen Liebe nicht beschädigt,

Entrüstung nicht, die sich dagegen wehrt,
mit überlegnem Lächeln glatt erledigt?
Bis Neunzehnhundertvierzehn wiederkehrt.
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#12
Gott will es

Eintönig dehnt sich Tag um Tag, umwittert
von Zorn und Ohnmacht, den zwei Hauptgefühlen,
die in den Seelen der Gefangnen wühlen:
O Welt! Warum verriegelt und vergittert?

Kein Wunder, wenn im Frömmsten Rachgier zittert,
den Mut am unfaßbaren Feind zu kühlen,
der des Gerichtes nimmermüden Mühlen
mit massenhaftem Mahlgut fühllos füttert!

Wie sprach der Staatsmann-Priester? Keine Milde!
Das Wort ward Erbschaft. Schwäche wäre Schwächung,
brüllt nun der Epigonen ganze Gilde;

es gilt der Gegner Tod und Niederbrechung
in Gottes Namen, unter Gottes Bilde:
Gott will es! - Still! Man holt dich zur Besprechung.
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#13
Besprechung


Im Erdgeschoß ein Raum, von trübem Lichte
spärlich erhellt, durch eine Beichtstuhlwand
mit Gitterwerk halbiert. Diesseits das Land
der zur Besprechung hergeführten Wichte,

jenseits die Herrn und Damen vom Gerichte
und die Besucher; liegt's doch auf der Hand:
das unbelauschte Wort ist hier verbannt;
man hüte seine Zunge und verzichte.

Die Wand ist beiderseits so dicht besetzt,
daß jedes auch die Nachbarn hört und hindert.
Was man sich sagen kann, wird durchgehetzt

in zehn Minuten, knapp, doch unvermindert.
Du denkst an Pyramus und Thisbe. Und zuletzt
fühlst du dein Los erschwert noch statt gelindert.
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#14
Metamophose


So führt der Weg durch dieses Fegefeuer
dich unabänderlich von Schmach zu Schmach.
Noch zittert Zorn in deiner Seele nach
und zeigt ergrimmte Faust dem Zellgemäuer:

War's Wirklichkeit, dann war es ungeheuer,
daß Mensch u Mensch durch Gitterwandung sprach.
Nimm denn dies Wiedersehn im Sprechgemach
als ein grotesk geträumtes Abenteuer!

Regt sich nicht Eros, in Gefangenschaft
noch größer, stärker, mächtiger denn je
und rebelliert mit wachsend wilder Kraft?

Doch Trennung mahnt den höchsten Wunsch: Vergeh'!
und wandelt ihn metamorphosenhaft
in tiefes Mitleid mit der Liebsten Weh.
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#15
Brief


Allsonntäglich darfst du nach Hause schreiben.
Vier Seiten Kleinstformat. Das Briefpapier,
liniert, auch Tint' und Feder bringt man dir.
Was nun? Gedanken und Gefühle treiben.

Schon setzt du an - und läßt es wieder bleiben.
Das Auge der Zensur durchleuchtet hier
mit Röntgenblicken Seite eins bis vier;
es gilt daher, sich nicht an ihr zu reiben.

Ist dir das neu? Enthüllt erst im Gefängnis
die Feindin freien Wortes dir ihr Wesen?
Ist sie doch draußen mehr als hier Verhängnis

und läßt die Welt an Wahrheit nicht genesen!
Zum Brief denn. Frischen Mutes. Die Bedrängnis
wird Liebe zwischen seinen Zeilen lesen.
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#16
Zensur


Für die Zensur und all die andern Dinge
der Dunkelmänner, die sich lang verkrochen,
ist nun ein goldnes Alter angebrochen.
Zerbrich dir nicht den Kopf, was es noch bringe!

Nur scheinbar dreht Geschichte sich im Ringe
und kehrt zurück zu früheren Epochen;
das Schöpfungswort wird abermals gesprochen:
es werde Licht - trotz aller Finsterlinge!

Und es ward licht und wird es wieder werden,
lichter denn je zuvor. Wenn auch Verbot,
Zensur und Index sich wie toll gebärden,

Rückfall in dunkle Mittelzeit uns droht:
das zwanzigste Jahrhundert bringt auf Erden
den Sieg des Lichtes nach dem Kampf ums Brot.
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#17
Nein!


Es wird, es muß ein Sieg des Lichtes sein.
Wenn Wissenschaft Jahrzehnt uns um Jahrzehnt
den Weltbegriff zehnfach vertieft und dehnt,
denn nichts ist ihr zu fern und nichts zu klein;

wenn nach gerecht umfassendem Verein
der Menschheit größrer, beßrer Teil sich sehnt:
soll Ungeist, der im Engen stark sich wähnt,
das Feld behaupten? Nein und dreimal nein!

Wenn Brüder in die Stratosphäre steigen
und Bruderwort im freien Äther schwingt,
sollst, Bruder, du dein Knie vor Götzen beugen,

verstummen, wenn in dir die Freiheit singt,
sollst Geßler-Hüten Reverenz erzeigen?
Nein, dreimal nein! Der Kampf ist unbedingt.
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#18
Der Richter


Du merkst es: täglich wird es früher lichter
und später dunkel. Wie die Zeit verrinnt!
Du fühlst und weißt: dein Schicksal spinnt und spinnt,
und weißt und fühlst: das Netz wird immer dichter.

Wird endlich dir Erlöser, wird Vernichter
ein Tag der Tage dir, die dein nicht sind?
Laß ab vom Grübeln, Tor! Hier bist du blind.
Tür auf. Was soll's? Man führt dich vor den Richter.

Treppab. Der Mann amtiert in einer Zelle,
notdürftig umgewandelt zum Büro.
Es fehlt an Raum. Zu zahlreich sind die Fälle.

Begrüßung folgt. Ihr Wie verlöscht das Wo.
Berührt von freien Menschtums warmer Welle,
fühlst du dich deines Richters seltsam froh.
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#19
Voruntersuchung


Du nimmst auf einem Sessel Platz. Dein Akt
liegt auf dem Tisch, gewachsen, zubereitet
mit Rot- und Blaustift. In den Farben streitet
Kontra mit Pro. Dein Fall ist wohl vertrackt.

So wird er denn ab ovo angepackt.
"Voruntersuchung." Frag' um Frage schreitet
dein Leben durch, von Punkt zu Punkt, und leitet
zum Hauptpunkt hin, ob dort nicht Schuld dich zwackt:

ob du, als einstiger Berufssoldat
für Militaria prädestiniert,
nicht Anteil nahmst durch Planung, Rat und Tat,

als man den Widerstand organisiert,
und nichts vom Anschlag wußtest auf den Staat,
nunmehr als Hochverrat qualifiziert.
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#20
Fragen und Antwort


So war der Wortlaut nicht, jedoch der Sinn
der Fragen, die dein Los entscheiden sollten.
Du kannst verneinen; denn die Würfel rollten
ohne dein Wissen und seit Anbeginn

versprachst du dir von Waffen nicht Gewinn
für Weltideen, die den Frieden wollten.
Dein Glaube hat nicht der Gewalt gegolten:
er gilt dem Geist. Du irrst vielleicht darin.

Gewalt, in Land um Länder aufgerichtet,
ist neu am Werk, die Völker zu belehren,
daß all die Träume, die der Geist gedichtet,

in einem Fall nur zu erfüllen wären:
wenn unentwegt Gewalt Gewalt vernichtet
bis auf den Grund, kann Geist die Welt verklären.
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#21
Recht


Zum Hauptpunkt treten manche Einzelheiten,
wie das schon sein muß: Fragen kreuz und quer,
vornehmlich nach Bekanntschaft und Verkehr,
die deiner Rüstung, fest nach allen Seiten,

nicht sonderlich Verlegenheit bereiten.
Das alte Ammenmärchen auch muß her,
Wohnbauten wären kriegerische Wehr,
strategisch ausgeheckt. Du kannst's bestreiten.

Gewissenhaft, doch feindlich nicht erfüllt
dein Richter die Verpflichtung seines Amtes,
zu finden, was sich noch in Schleier hüllt.

Noch lebt etwas wie Recht. Gewalt verdammt es
zur Hörigkeit; doch unerschöpflich quillt
der Born des reinen Menschtums. Ihm entstammt es.
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#22
Gewalt


Wenn du im Rechteck deiner Zellenmauern,
was du beim Richter dachtest, recht beschaust
und mit dem Recht zu rechten dich getraust,
läßt Unrecht keinen Optimismus dauern;

denn Wirklichkeit umbraust mit Sturmesschauern
des Rechtes Tempel, den du dichtend baust.
Gewalt ist Recht. Menschtum hat abgehaust,
wo Macht und Mord auf leichte Beute lauern,

Besitzes Gier ein fettes Fressen wittert,
willkürberauschte Söldnerscharen schalten
und Hybris vor des Volkes Rache zittert.

Recht ist Gewalt und willst du beider Walten
besiegen, hier gewaltsam eingegittert,
mußt über dich du selbst Gerichtstag halten.
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#23
Gerichtstag


Gerichtstag halten übers eigne Ich!
das ist es, was ein Großer Dichten nannte.
So dichte denn! Den Weg ins Unbekannte
zu gehen gilt's, den Rätselweg in dich.

Gedanken und Gefühle melden sich,
die Wille längst ins Unbewußte bannte;
dein Geist, der in die Unterwelt entsandte,
erweckt das Tote, das im Tag verblich.

Der Lust des Schauens, dem Gestaltungstriebe
gesellt sich kritisch Urteil. Nenn's Gewissen,
da es doch unbenannt das Gleiche bliebe!

Du kannst, du darfst sein ehrlich Wort nicht missen;
was es auch spricht, das spricht es dir zuliebe:
Erkenne dich! Du warst und bist zerrissen.
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#24
Zerrissenheit


Zerrissen warst du immer. Schon als Kind,
als denkend Kind in en Beruf gezwängt,
der wesenhaft nur in Befehlen denkt
und in Gehorsam, unbefriedigt und blind,

sahst du die Wunder bald, die draußen sind,
und fühltest selbst dich wunderbar beschenkt
mit Sehnsucht, die ihr Lot ins Tiefste senkt.
Dann aber wandtest du dich nach dem Wind;

das heißt, du opfertest betört dein Bestes,
als es am Scheideweg zu wählen galt.
Ahnungen warnen, Fatum doch erpreßt es:

Es geht um deinen Lebensunterhalt;
Dichtung ist brotlos, dein Beruf ein Festes.
Da warst du schwach und wichest der Gewalt.
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#25
Beruf


Den meisten Menschen mag es so ergehen,
daß sie Berufsgewalt maschinenhaft
ergreift und hält mit eines Raubtiers Kraft.
Wenn du dich wehrst, ist alles schon geschehen.

Und wehe! wolltest du noch abseits stehen;
wer nicht am zugeteilten Tagwerk schafft,
wird sonder mitleid kurz hinweggerafft,
drweil die andern sich ihr Glück erspähen.

Was bleibt auch übrig? Mit der Zeit gewinnst du
der schlimmsten Sache ihre guten Seiten
beharrlich ab. Eh' du es merkst, beginnt du

in fremdem Sold für fremden Sinn zu streiten
und selten nur und immer seltner sinnst du
dir selbst noch nach und siehst dich selbst im Weiten.
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#26
Kriegsspiel


Die macht der Umwelt wirkte nicht allein
auf die Gestaltung deines jungen Lebens;
auch hätte Ehrgeiz dich vielleicht vergebens
verlockt, dir selbst so ungetreu zu sein;

zu gut durchschautest du den schönen Schein
befehlsgewaltigen Sichselbsterhebens;
doch stellte sich als Triebkraft strengen Strebens
an Krieg und Kriegskunst Interesse ein.

Das Schachspiel mit den farbigen Figuren,
auf Generalstabskarten leicht bewegt,
von dem die Völker bald ihr Teil erfuhren,

ergriff die Phantasie, die Schlachten schlägt
und ziehend ganz vergißt, welch blutige Spuren
ein Zug ins Angesicht der Erde prägt.
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#27
Donnergrollen


Die Jahre flogen. Auf der Stufenleiter
der Auserwählten stiegst du rasch hinan
und Arbeit häufte sich. Du packtest an
und warst gar bald ein ziemlich Eingeweihter

in alle Schwarzkunst der Kriegsvorbereiter.
Schon hatte damals Diplomatenwahn
die Büchse der Pandora aufgetan,
schon freuten sich der Offenbarung Reiter,

die Welt mit schlimmstem Schrecken zu beschenken.
Doch aus den Tiefen war ein neues Wollen
emporgetaucht, ein mächtig Fühlen, Denken

der Massen, reichlich müd, Tribut zu zollen
der Gier der Gierigen, die Staaten lenken.
Der Horcher hörte doppelt Donnergrollen.
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#28
Das Echte


Du warst nicht taub noch blind dem Sinn der Mächte,
die um ein irdisch Glück für alle rangen.
In keinem Standesvorurteil befangen,
ersahst du im verwickelten Geflechte

der Tageswirrnis das beständig Echte;
du lauschtest Liedern, die des Jünglings Wangen
einst glühen ließen und nun wieder klangen
im neuen Kampf um alte Menschenrechte.

Ob Pflichten auch dich in ihr Zeitmaß zwangen,
der freie Dichter war in dir nicht tot;
die heiligen Quellen sprudelten und sprangen,

wenn nur dein Dienst ein Atemholen bot:
war fördernd doch ein Stern dir aufgegangen,
ein sieghaft Licht ob des Zerrissnen Not.
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#29
Dein Stern


Denkst du des Sternes, der, sich selbst verzehrend,
in deine Seele Sonnengluten goß;
denkst du des Wunders, das sich dir erschloß,
des Liebeswunders, Letztes dir gewährend,

mit Schaffenskräften Schaffenskraft vermehrend,
die feurig fordernd dir das Herz durchfloß;
denkst du des Sternes, der als Weggenoß
dir immer treu blieb, deinen Weg verklärend;

des schönen Kindes, dessen Heiterkeit
das Schattende von deiner Stirn verscheuchte,
bald schöner noch als Frau, die dich befreit

von allem, was Zerrissenheit dich deuchte:
denkst ihrer du, dann liegt auf deiner Zeit,
die war und ist und kommt, ein mild Geleuchte.
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#30
Nel mezzo del cammin...


Nel mezzo del cammin, gezählt nach Dante,
in deines Lebens Mitte ungefähr
entlud sich das Gewitter, schwarz und schwer,
wie vordem keines noch der Erdkreis kannte;

denn Vaterland um Vaterland entsandte
in Schlacht um Schlacht wetteifernd Heer um Heer
und Flott' um Flotte, daß zu Land und Meer
und Luft der Völker Blüte niederbrannte.

Da blieb dir Einzelwesen nur die Wahl,
der Forderung des Tages zu entsprechen,
in deinem Wirkungskreis mit Geist und Zahl

an Zahl und Geist des Feindes Kraft zu schwächen;
und der beging an Mann und Material -
so hieß es doch - das nämliche Verbrechen.
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#31
Keine Wahl?


Doch war dir wirklich keine wahl geblieben?
Frage der Fragen, nie dem Geist genehm,
im Grund auch sinnlos! Denn wer weiß von dem,
was einst sein Tun und Lassen angetrieben?

Du warst einmal dem Satan mitverschrieben
und hieltst den Pakt. Da gab es kein Problem;
denn seine Macht, wärst du ihm unbequem
geworden, hätte dich zu nichts zerrieben.

Der Krieg, mit seinen Schrecken losgelassen,
diktiert von Feind zu Feind: "Du mußt dich wehren.
Nicht darfst du mich, du mußt den andern hassen.

Es bleibt kein Ausweg, als sich anzupassen.
Sieg ist der Feldruf oder Tod in Ehren.
Ums Ganze geht's!" Da folgten ihm die Massen.
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#32
Ergebnis


Zufrieden grinsend sah der grause Schnitter
auf eine Ernte von Millionen Halmen.
Maschinen rasten, Menschen zu zermalmen,
Gas übertrumpfte der Granaten Splitter.

Erschöpfung erst beschwor das Weltgewitter;
schlachtmüde Felder hörten auf zu qualmen.
Verlogner Übermut sang Siegespsalmen,
doch auch des Sieges Nachgeschmack blieb bitter.

Im Unheil ward Gemeingefühl lebendig,
das Morsche barst in überlebten Ländern;
der Umsturz aber, meist nur unvollständig,

begnügte sich mit schwachen Unterpfändern,
obgleich die Finsterlinge, schlau und wendig,
nur lauerten, Geändertes zu ändern.
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#33
Konsequenzen


Es war ein heißes, ungeheures Wollen,
das aus den Greueln der Verwüstung stieg,
ein allgemeiner Schrei: nie darf der Krieg
sein blutgetränktes Banner mehr entrollen!

Ein kleiner Klüngel schöpfte aus dem Vollen,
als Volkesmasse darbte, starb und schwieg.
Nie wieder darf es sein! Vernunft bring Sieg
im Kampfe mit dem überliefert Tollen!

Freiheit ist nötig auf dem Weg zur Heilung;
denn ohne sie kommt Wahrheit nicht zu Wort
und ohne Wahrheit schleppt sich die Verteilung

der Erdengüter und der Erdenlasten,
die schreiend ungerechte, weiter fort -
zur Freude der vom Krieg ernährten Kasten.
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#34
Maß und Ziel


Du warst nicht so naiv, um gleich zu glauben,
ein goldnes Alter bräche demnächst an;
zu gut nur wußtest du, es war ein Wahn,
die Hofnungen so hoch hinaufzuschrauben.

Des Rückschritts Gier doch, neuerdings zu rauben,
was kaum erkämpft ward auf des Fortschritts Bahn,
rief auch das Wort des Dichters auf den Plan.
Es galt den Horchenden und den noch Tauben.

Die Wege waren dunkel, klar das Ziel:
auf freiem Grunde hieß es furchtlos schaffen
für eine Zukunft, frei vom Kräftespiel

des Kapitals und seiner Mörderwaffen,
frei von Minierern auch, die schon zuviel
im Garten Gottes wühlten: frei von Pfaffen.
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#35
Die innere Stimme


Die innere Stimme ließ sich nicht ersticken;
sie rief, sie drängte, sie gebot: Sei frei!
Hilf mit, daß Freiheit daure, Friede sei!
Denn nur wenn alle helfen, kann es glücken.

Vergangenheit laß, wo sie liegt, im Rücken -
und brich dein Leben auch darob entzwei!
Soll etwa Lüge, soll dir Heuchelei
den zweiten Teil mit eitlen Federn schmücken?

Du gingst bisher - die Stimme sprach's - auf Krücken;
nun wirf sie fort, denn draußen wird es Mai,
die Brüder warten, dir die Hand zu drücken,

die Winterzeit der Selbstsucht ist vorbei,
schon baut Gerechtigkeit an breiten Brücken...
Die Stimme war zu stark. Du nahmst Partei.
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#36
Partei


Obgleich du die Gefahr dir nicht verhehltest,
die schließlich jede Bindung mit sich bringt -
verfolgt doch nie Gemeinschaft unbedingt
die Ziele, die du unbedingt erwähltest;

obgleich du wußtest, daß du wenig zähltest,
wo Masse, daß Erlösung einst gelingt,
um jeden Fußbreit Bodens mühsam ringt;
obgleich dir Freunde sagten, daß du fehltest:

nahmst du Partei. Nicht Augenblickserregung
bestimmte den gewiß nicht leichten Schritt,
doch war es auch nicht kühle Überlegung

allein, die künftig keine Halbheit litt:
nach Herz und Hirn zugleich griff die Bewegung
und rief: bekenne dich! und riß dich mit.
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#37
Wandlungen


Das können freilich viele nicht begreifen,
daß es so etwas wie Entwicklung gibt
und jeder, der das Morgen brünstig liebt,
gezwungen ist, das Gestern abzustreifen.

So mögt ihr Schmähung über Schmähung häufen,
ihr Gestrigen, die ihr die Gleichen bliebt!
All eurer Glossen Geifergift zerstiebt
vor dem Gesetz: nur Wandlung bringt zum Reifen.

Zwar rühmt ihr euch, ihr hättet euch gewandelt
und eure Wandlung wandle nun die Welt;
das Wort jedoch, in dessen Geist ihr handelt,

es heißt: zurück! Zurück zur alten Knechtung!
Fort mit der Freiheit, die Besitz vergällt!
Zurück zur Blütezeit der Volksentrechtung!
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#38
Probe


Du urteilst hart. Doch bist du nicht befangen,
nicht für der andern Weg und Ziele blind,
weil sie, persönlich dir nicht wohlgesinnt,
zum Aufenthalt in diesem Loch dich zwangen?

Sei objektiv! Gewissheit zu erlangen,
ist keine Kunst, da Taten gar geschwind
an ihren Früchten zu erkennen sind.
Vor dieser Probe braucht dir nicht zu bangen.

Der Bürger kann dem Bürger nicht mehr trauen;
denn wieder geht der Vormärz um im Land,
der Spitzel Handwerk blüht, Giftmischer brauen

an Lug und Trug, selbst damals unbekannt,
Verordnung und Gesetz verbreiten Grauen,
Gewalt ward seßhaft, freier Geist verbannt.
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#39
Bodenreiben


Schweifst du zu weit nicht ab von deinem Plan,
das Dasein eines Häftlings zu beschreiben?
Was geht dich hier das kleine Tun und Treiben
im großen Strafgefängnis draußen an?

Zurück in deine vorgerißne Bahn!
Die Sache will es: sachlich sollst du bleiben.
Einmal die Woche heißt es Boden reiben.
Am Dienstag nach dem Frühstück. Frisch heran!

Ein Blechschaff kalten Wassers mit Lysol,
die obligate Bürste und ein Fetzen
sind dein Gerät. Es tut dir seltsam wohl,

dein Wohngemach höchstselbst in Stand zu setzen.
Da fällt ein Vers dir ein, ein Reim. Wie hohl!
Du reimst und lernst des Lebens Prosa schätzen.
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#40
Lob des Vorigen


Du wärst zum Bodenreiben nicht verpflichtet.
Man stellte - gib der Wahrheit stets die Ehre! -
dir aus der Strafgefangnen grauem Heere,
das ewig scheuernd hier den Schmutz vernichtet

und alle Arbeit streng bewacht verrichtet,
man stellte dir den "Fazi" bei. Erkläre
ein Philolog das Wort, das sinnvoll schwere!
Liegt "facere" nicht nah? - Du hast verzichtet,

als eine Gunst Bedienung anzunehmen,
die von den anderen dich unterschiede;
denn müßte der Gesunde sich nicht schämen,

der so gesunde Arbeit träg vermiede?
Im Bodenreiben, wenn auch die Bequemen
es nicht verstehn, ist Seelenruh' und -friede.
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#41
Tröstliches Erleben


In diesem Haus, das gar verschiedne Leute
beherbergt und aus gar verschiednen Gründen -
denn mannigfaltig sind der Gäste Sünden,
wenn auch zum größten Teil politisch heute -

erlebst du, was noch jeden hier erfreute:
ein freundlich Näherkommen, Sichverbünden
von Menschen, die sich draußen ferne stünden,
unkundig, was ein gleich Geschick bedeute.

So wird alltäglich seltenstes Geschehen:
daß Fremdeste, die hier zum erstenmal
einander in ihr Bruderantlitz sehen -

und jeder sieht den andern schmal und fahl -
in einem Blick sich wunderbar verstehen
als Wesen gleicher Sehnsucht, gleicher Qual.
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#42
Visite


In jeder Woche einmal ist Visite,
exekutiert von einer Kommission.
Stell' dich in Positur! Sie kommen schon;
die offne Tür läßt Stimmen ein und Schritte.

Der Höchste fragt pressiert: Beschwerde? Bitte?
Die Miene vorschriftsmäßig wie der Ton.
Mit deinem Nein ist husch! der Spuk davon;
die Tür klappt zu und wehrt dem Hall der Tritte.

Nein! Keine Bitte. Keine! Laßt euch schwören,
daß ihr nach Schwachheit hier vergeblich sucht!
Beschwerde? Ja! Ihr werdet eine hören,

die eure Kommission nicht mehr verbucht,
doch klingen soll in wilden Freiheitschören:
Ihr Mörder aller Freiheit, seid verflucht!
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#43
Reinigung


So alle vierzehn Tage bringt ein Fest
ins Einerlei des Alltags Abwechslung.
Es ist das Fest der großen Reinigung,
da man die Häftlingsgruppe baden läßt.

Der Raum ist eng. Auf Bänken dicht gepreßt
entledigt sich der Hüllen alt und jung
und jeder Adam strebt mit frohem Schwung
zu einer Brause hin, die wärmt und näßt.

Im Urzustand, erst gründlich eingeseift,
in heißen Rieselns regenhaftem Guß
geläutert dann, zum Herrlichsten gereift,

zu gegensätzlich wirksam kaltem Schluß,
erfühlt auch hier der Adam und begreift
der Reinlichkeit und Reinheit Hochgenuß.
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#44
Frühling


Fruher denn sonst kam dieses Jammerjahr
der Veilchenwecker in das Land gezogen,
wenn am Spaziergang Baum und Strauch nicht logen
und nicht der Amseln Botschaft Täuschung war.

Selbst in der Zelle wird es offenbar:
Er ist's! Das blaue Band! Der Lenzluft Wogen!
Wie bringst du, Dichter, um dies Glück betrogen,
ihm hier dein Bitt- und Dankesopfer dar?

Zuerst den Dasnk, daß seine milde Macht
sieghaft sogar bis ins Gefängnis dringt;
die Bitte dann um eine letzte Schlacht,

die seine Feinde auf die Kniee zwingt
und nach der Knechtschaft Nacht und Niedertracht
den großen Frühling neuer Freiheit bringt!
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#45
Amnestie


Der Frühling heißt der Hoffnung grüne Zeit
und Ostern, der Erlösung Fest, ist nah.
Kein Wunder: ein Gerücht ist plötzlich da
und wird geglaubt. Erlösung sei nicht weit!

Schon liege eine Amnestie bereit;
soweit nur möglich, werde, was geschah,
vergessen und am Tag nach Golgatha
das Gros der Festgehaltenen befreit.

O Kinderglaube an ein Christentum,
das schon mit vielen hundert Jahren Kerker
Vergeltung übte zu des Heilands Ruhm!

Ein göttliches Gebot ist gut und stark,
ein menschlich Standrecht besser doch und stärker -
und auch ein dutzend Galgen sind kein Quark.
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#46
Ostern


Und Ostern kamen: wunderbare Tage,
von Bergeshöh', die freie Welt zu Füßen,
den auferstandnen Frühling zu begrüßen!
Denk' nicht daran, daß nicht dein Herz verzage!

Was frommt dir immer wiederholte Klage?
Was helfen Tränen, die aus Wut dir fließen?
Du kannst auch hier das holde Fest genießen:
versuch' es nur mit Goethes großer Sage!

Schon sprichst du Faustens Monolog dir vor;
du hebst die Schale feierlich zum Munde
und setzt sie bebend ab; der Engel Chor

ermutigt dich zu einem neuen Bunde.
Mit Wagner dann spazierst du vor dem Tor
und abends heimwärts samt dem schwarzen Hunde.
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#47
Die Lämmchen


Zu Ostern dürfen nicht die Lämmchen fehlen.
O seht euch an den sanften Tieren satt!
Ihr findet zwei auf einem Zeitungsblatt
zur Rührung und Erbauung sanfter Seelen.

Schneeweiße, süße wußte man zu wählen
zum Kinderpaar des Mannes, der in Stadt
und Land den Frieden untergraben hat.
Die Chronik wird es einst gerecht erzählen.

Führt denn das immer lächelnde Gesicht
des großen Kleinen selbst nicht mehr zum Ziel?
Genügt in neuem Kleid die Gattin nicht?

Lockt Propaganda in verruchtem Spiel
das Volk mit kleinen Kindern hinters Licht -
und Lämmchen? Was zuviel ist, ist zuviel.
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#48
Erster Mai


Es ist nach langer Zeit zum erstenmale,
daß hier der Arbeit Volk den Feiertag,
den es sich schuf, nicht feiern darf und mag.
in Blut ersticken seine Ideale;

darnieder liegt die Internationale,
durch eigne Fehler krank und manchen Schlag,
dem da und dort ein Teilheer unterlag;
verstummt sind die befeuernden Signale.

Und nicht verstummt. Aus Zell' um Zelle tönen
begeistert Rufe: Hoch der erste Mai!
und andre, die zum Trotz Gewalt verhöhnen.

Banale Frage, ob das Klugheit sei!
Denn setzt es auch an diesem Tag, dem schönen,
Spaziergangfasten: Mut nur macht ihn frei.
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#49
Mut

mut ist vonnöten, Mut und Glaubenstreue,
um Überwindermacht zu überwinden.
Doch darf sich Mut an alte Form nicht binden;
denn nur das Neuere besiegt das Neue.

So schreckhaft Diktatur mit Waffen dräue,
die Knebelung des Geistes muß verschwinden.
Die Jugend wird den rechten Weg schon finden;
o daß sie nicht des Suchens Mühsal scheue!

Für alle Fronten wird der Seelenfang
mit Zuckerbrot verführerisch betrieben;
wenn das nicht fruchtet, hilft der Peitsche Zwang.

Nur wer es trifft, in heißem Herzensdrang
mehr als sich selbst sein Ideal zu lieben,
bewahrt die Freiheit vor dem Untergang.
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#50
Verfassung


In deiner Zelle Weltverlassenheit
darfst du nicht hoffen, daß es dir gelinge
vorauszusehn, wie draußen sich die Dinge
gestalten mögen in der Folgezeit.

Einstweilen machen sich die Sieger breit,
auf Tradition gestützt, als ob es ginge,
daß Hokuspokus Heil dem Volke bringe,
das - wenn auch stumm - nach Brot und Arbeit schreit.

Doch Volkes Wille, wechselnd, wetterwendisch,
sei immerdar ein ausgeträumter Traum.
Autoritär, römisch-katholisch, ständisch

erwuchs der Bundes-Maiverfassungsbaum
für Bürger, heimattreu und vaterländisch,
deutsch, doch nicht allzudeutsch im Donauraum.
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