Friedrich Hebbel

1813 – 1863

Hamburg, den 21.April 1842

 

Ich mache jetzt regelmäßog Tag für Tag mehrere sonette und bemächtige mich mehr und mehr dieser Form, die weiter und umfassender ist, als man glauben sollte.

 

Paris, den 23.Jannuar 1844

 

Je schwieriger die äußeren Formen sind, denkt der Pfuscher, um so eher darf man sich eine sog. licentia poetika erlauben; Ein Lied muß seine Reime haben, aber in einem Sonett, oder in der Terzine darf man sich wohl auch einen unechten gestatten. Gerade umgekehrt liebe Freunde! Denn es ist nicht nöthig, daß Ihr Euch Schwierigkeiten setzt, die Ihr nicht überwinden könnt, wenn es Euch aber einmal gelüstet, so müßt Ihr ihnen auch genügen; Niemand braucht einen Graben zu überspringen, der für ihn zu breit ist, wenn er es aber doch versucht und hinein plumpst, so wird er ausgelacht. Der eigentliche Grund liegt freilich noch viel tiefer. Eben das Schwerste soll in der Kunst das Leichteste scheinen und nirgends darf auch nur die Spur des Meißels sichtbar bleiben, denn das würde jeden Genuß zerstören, wir würden nicht mehr ein in freier Schönheit dastehendes Götterbind, sondern den mühseligen Kampf eines Menschen mit em widerspenstigen Marmor erblicken.