Johann Wolfgang                   Brief an Cotta

von Goethe                            9. April 1808

1749 -  1832

...Daß die Redacteure Ihres Morgenblattes, die doch sonst verständige zu seyn scheinen, auch es in manchen Punkten ganz läßlich nehmen, in anderen, wie z. B. gegen das Sonett, eine so komische Aversion beweisen, ist mir unbegreiflich. Als wenn dem Genie und dem Talent nicht jede Form zu beleben freystünde. Ich habe ein halb Dutzend Sonette von verschiedenen Freunden, die mir sehr wohl gefallen, in andere Blätter gegeben, da ich sehe, daß auch in diesem Jahre jene wunderliche ausschließende Aversion bey ihnen fortdauert ...

... Werner ist nun von uns abgegangen. Eben von ihm rühren einige Sonette her, die man wohl unter das beste wird zählen müssen, was in deutscher Sprache gedichtet worden ...

 

 

 

 

                                                               Brief an Zelter

                                                               22. Juni 1808

 

 

... Wenn Ihnen das Vossische Sonett zuwider ist, so stimmen wir auch in diesem Puncte völlig überein. Wir haben schon in Deutschland mehrmals den Fall gehabt, daß sehr schöne Talente sich zuletzt in den Pedantismus verloren. Und diesem geht’s nun auch so. Für lauter Prosodie ist ihm die Poesie ganz entschwunden.

Und was soll es nun gar heißen, eine einzelne rhythmische Form, das Sonett z. B., mit Haß und Wuth zu verfolgen, da sie ja nur ein Gefäß ist, in das jeder von Gehalt hineinlegen kann was er vermag. Wie lächerlich ist’s, mein Sonett, in dem ich einigermaßen zu Ungunsten der Sonette gesprochen, immer wiederkäuen, aus einer ästhetischen Sache eine Parteysache zu machen und mich auch als Parteygesellen heranzuziehen, ohne zu bedenken, daß man recht gut über eine Sache spaßen und spotten kann, ohne sie deswegen zu verachten und zu verwerfen...

 

 

 

 

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