Josef Görres                           Die Sonettenschlacht bei Eichstädt

1776 – 1848                                        Jenaischer Literaturzeitung. Junius 1808 Nr 128-31

 

Entsetzlichkeiten sind vorgefallen, haaransträubende, himmelanschreiende, höllenabfahrende, gebeinzermalmende, herzzerreißende, bluterstarrende, cannibalenwürdige, menschenwürgende, thränenverlockende, abscheuliche Begebenheiten haben sich ereignet. Das hat Mars uns bedeutet, der so blutroth und zornig eine Weile her am Himmel gestanden, das hat der Comet uns gebracht, der auf einmal so stille wie ein Dieb fortgeschlichen, und doch haben unsere Astronomen mit ihren theuren Instrumenten nichts herauspractizirt. Ohne eine Warnung ist das ganze Geschlecht der Sonette überfallen und schmälig in die Pfanne gehauen, und mit Stumpf und Stiel in einer Action ausgerottet worden. Die Geschichte ist ausser Athem zur Expedition gelaufen gekommen, und hat die Sache folgendermaßen erzählt.

Mit dem Anbruch der Morgendämmerung des Juny ist ein erschrecklich großes Heer von Hexametern und Pentametern, von Jamben, Trochäen und Anapästen, saphischen und alcaischen Oden, anakreontischen abgedankten Liedern und großen jonisch epischen Schweinkopfphalanxen ausgerückt, angeführt vom großen Mohrenkönig Tamerlo, und haben alle mit großem Geschrey das Blut der Zwerge von ihrem König verlangt, sagende es sey ein unnütz Volk, und der Vogel Phönix sey nicht unter ihnen, und sie seyen zu lang für die gehörige Kürze und zu kurz für die ordentliche Länge, und drum taugen sie nichts, und es sey schändlich von der Natur, daß sie solch unnütz Geheimniß gemacht habe.

Der schwarze König hörte das recht gern, denn er hatte längst schon einen Hass auf die kleinen Tönnchen geworfen, und meinte, sie seyen alle tieckisch, und da konnte er sie in der Seele nicht leiden, weil er bekanntlich antikisch ist. Sind dann auf das Geschrey der Riesen die armen Zwerge zusammengegangen, und haben Rath geschlagen, und Gesandte geschickt, und um Pardon gebeten für sich und ihre schwangeren Weiber, beym Herrn Urian, beweglich vorstellend, sie seyen zwar nicht von großer Statur und Leibesgröße, aber sonst doch von geraden und gesunden Gliedern, was ihre Gestalt beträfe, so geben sie zu bedenken, daß sie so kunstreich ciselirt und gearbeitet wären, wie einer unter den ehrenwerthen Herrn, die nach ihrem Blute dürsteten, bäten daher schönstens, sie mit derley ungebührlichen Grobheiten zu verschonen. Die antikischen Versler aber wurden fuchswild, und haben die kleinen Abgesandten entsetzlich angefahren, und ihnen gesagt, sie wollten sie dreymal in Schubsack stecken und wieder heraus, dazu seyen sie capabel, und es habe sie der Heidengott geschickt, sie sollten Sesssion halten und Landgedinge, und das kleine Geschmeiß ausrotten. Es sey demnach keine Barmherzigkeit, und sie sollten über ihr Zeitliches und Ewiges Vorsehens haben, waren also die Zwerge in großer Angst und Noth, und schickten um Succurs ins romantische Land, dort waren sie aber alle in der Traubenlese begriffen, und mußten die Weinberge hüthen gegen Hasen und Füchse, kamen also die Deputirten unverrichteter Dinge zurück. Beschlossen also sich zu wappnen, und ritterlich zu wehren für ihr theures Leben, ehe sie sichs aber versahen, war der Wüterich schon mit seiner Schaar von Fliegdrachen eingetroffen, und hat nun ein dermaßen Blutbad unter den unbewehrten Kleinen angerichtet, daß vom Widerschein der rieselnden Strme am Himmel Seebrand entstanden, den man sogar hiesigen Orts auf der Sternwarte gar deutlich vernommen, sammt dem Geröchel der Sterbenden

Vier Tage dauerte das Gemetzel, wie Scneeflocken hat man die Leichen nicht zählen können, und es ist ein Berg geworden, aus dem von nun an das rothe Meer seinen Ursprung nehmen wird. Augenzeugen versichern, daß die Begebenheit mit nichts als dem bethlemitischen Kindermorde verglichen werden könne, so groß sey das Gewimmer gewesen, und das Zetergeschrey, und wie Herodes habe der Entsetzliche verhärtet und Hertzen gewüthet und geschlachtet als ein Türke. Aber nicht ungerochen sind die armen Unschuldigen gefallen, gleich anfangs ist dem Feldmarschall sein bester Läufer, ein Moloßus unterm Leibe erschossen worden, darauf wie des Blutes immer mehr geworden, das um Rache schrie, hat der Himmel sich erbarmt, und es ist groß Wunder zu sehen gewesen. Alle die zu Stücke gehauenen Sonette sind wieder lebendig geworden, als Epigramme, ein einzig klingding hat oft tausend Stechdinger gegeben, und die erbost und erbittert im Herzen, sind nun alle auf den grausamen Fetzer losgefahren, und haben ihn dermaßen mit ihren Stacheln accomodirt, daß er seinem Molofuß nachgefahren ist. Haben sich dann auf die saphischen Oden geworfen, und sind lästerlich mit ihnen umgegangen, und nehmen die Bestien nun gar keine Raison an, und wüthen fort unter den Feinden, und ist zu besorgen, daß nun der all zu vielen Leichen von beyden Seiten wegen, eine Pestilenz entstehen möge. Aber die Nation der Sonette ist ein für allemal ausgerottet.

Nur ein Einziges ist davongekommen, ein armes Waysenkind, dessen Vater ein Grieche vor zweytausend Jahren gestorben ist, während die Mutter glorreich in der Schlacht sich verblutet hat. Das arme Kind, die wundersame Creatur, ist ganz nackt und erfroren, und zitternd vom Schlachtfeld weggelaufen, und ist in eine Guitarre oder Korsett glücklich durch die Vorposten gekommen.