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Edna St.Vincent-Millay: Die Schwertlilie im Sumpf
#1
USA 
Gott berief uns, und wir ließen
unser Heim den schwarzen Aschen,
Eden stand gut nachbarlich
offen unsren leeren Taschen.

Hell erstrahlten dort die Lampen,
und Gott selbst ging uns voraus,
doch ich trauerte im Gehen,
sehnte mich nach meinem Haus.

Unbeachtet, rief ich weinend
„Alles was ich je gesehn,
lebe wohl! Für jetzt und immer,
wird was wert war, nun verwehn.

Schattenspiele, die müd tanzen
Tag für Tag dort im Kamin
(rot erglühte alle Wände,
rot sah ich die Drähte glühn).

Lebe wohl, du kleiner Lufthauch,
der die Funken hob ins Licht,
lebe wohl, du armer Tag,
mit den Händen vorm Gesicht.

Ihr, von schwarzem Rost befallen,
oder falschem Sonnenlicht,
Lebt nun wohl für alle Zeiten,
grüne Gärten, satt und dicht.

Auf bekalmten Himmelshügeln
ragen weiß und ewigstolz,
Lilien, die ich nicht seh`n mag,
hoch am See aus Ebenholz.

Und die Erde soll für immer,
etwas sein wo nichts mehr sprießt?
Morgen ohne Blütenöffnen,
Abend, wenn kein Kelch sich schließt?

Frühling wird’s, er geht gemächlich
über dumpfgewordnes Land,
steht an einem leeren Bachbett,
tote Samen in der Hand.

____________________

Gott berief uns und wir kamen,
doch der Pfad zur Herrlichkeit
war mir bitter, tief im Herzen,
da lag ich mit Gott im Streit.

Und ich sagte„Mag der Himmel
sich in Herrlichkeit entfalten,
doch gabs auf der Welt nur Sünder
wert, Vergebung zu erhalten?

Welkes Gras, unnützes Wachsen,
Knospenschmerz an dürrem Strauch,
klein, so klein, dass Gott vergaß,
riefen durch den dichten Rauch.

„Sieht man Wunder über Wunder
dort in dem gelobten Land
liegt doch was ich jemals wusste
hinter mir als Feuerbrand.

Hört man auch im Himmel alles,
was man je an Klang entbehrt,
Ist doch was ich jemals hörte,
nun ein Schrei im Flammenherd..“

___________________________

Gott hat unsren Zug geführt,
wie der Hirte vor der Herde,
Kranke folgten seinem Schritt,
Schwache, müde unsrer Erde

freuten sich dass alle Freuden
weichen und der Frieden naht,
doch Gott hatte eins vergessen,
meinen Zweifel: seine Saat

führte mich weg von der Herde,
und ich fiel ein Stück zurück,
dachte an den Himmelsfrieden
duckte mich vor Gottes Blick.

Und ich sah hinauf zum Himmel
dachte „ewige Seeligkeit“
und entglitt wie Wassertropfen
aus der Hand der Heiligkeit.

Alle sahen nur das Leuchten,
kein Auge fiel auf mich dabei
Alleluja, Alleluja,
himmelan,-- und ich war frei.

Und mein Herz schwoll wie ein Strom
der mich stürmisch talwärts führte,
tanzen ließ wie einen Zweig,
bis ich wieder Boden spürte.

_________________________
Never sigh for a better world it`s already composed, played and told
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#2
Schwarzverbrannt lag alle Erde
nach dem Brand von Pol zu Pol,
und der Meeresboden klang
wie ein Tontopf, brüchig, hohl.

Sonst begrünte Bergesgipfel
ragten totenschädelkahl,
Alles, alles war vernichtet
von den Höhen bis ins Tal.

„Welt, wie kann ich dich verlassen?
Du bist alles was ich hab,
was soll mir mein Herz erhellen
leb ich, und du liegst im Grab?

„Sags mir, zeig mir irgendetwas,
das man sehn kann, nicht vergisst!
Als ein Andenken für immer
schnell—bevor mich Gott vermisst“.

Und ich horchte, tiefe Stille
nur mein Herz klang noch vertraut,
weder Kauz, noch Eichelhäher,
selbst kein Baumfrosch gab mehr Laut.

Und ich sah nach einem Zeichen,
Kohlen, Asche sonst nichts mehr--
eine letzte Rauchspirale
trieb vom Grund des Tales her.

Ich sah in die graue Wolke
bis sie krankte, nebeldumpf--
sah ein Blau, umringt von Flammen,
eine Schwertlilie im Sumpf.

Kleine Flammen krochen gierig
vorwärts, aufwärts, dicht an dicht
doch im stolzen blauen Blühen
achtete sie ihrer nicht.

Rot und durstig leckten Zungen,
wie sie es bei Wölfen sind,
sie glich einer blauen Säule
und ich lachte, tränenblind.

All mein Fühlen eine Träne,
stieg die Seele hoch empor,
diese eine blaue Blume
liebte ich wie nichts zuvor.

Sie war alle Segelboote
jemals auf dem Ozean,
sie war alle kleine Bücher
die ich mit zur Schule nahm.

Ragte wie auf Eisenwurzeln
azurfarben, elegant
stand als Geist der wahren Erde
mit dem Rücken an der Wand.

Augenblicks, nicht mal ein Lidschlag –
kniete ich mich hin zu ihr -
lachend, weinend, dieser Anblick –
und sie neigte sich zu mir.

____________________________
Treibsand und poröse Felsen
sind der Pfad zum Himmelreich
und knieabwärts zerrt an mir
Unterströmung, kalt und bleich.

Bald als staubzerfall`ne Tritte
zeigt der Pfad zum Himmel sich,
Vater, Sohn und Schöpfergeist,
streckt die Hand aus, rettet mich.

Sei ganz ruhig, blaue Lilie,
schlaf nur, schlaf nur ein
was du hörst ist Gottes Stimme,
er zählt seine Lämmerlein.
La-Le-Lu, La Le Lu -
`s ist nur Gott, der zählt
er vermisst mich, sucht nach mir
eh der Weg ins Dunkel fällt.

Er setzt die Titanenfüße
sicher in den glatten Sand
ängstlich wie ein kleiner Spatz
schlüpf ich dann in seine Hand,

trage meinen ganzen Kummer,
alle Sünden vor ihn hin,
und die Hälfte seiner Kleider
schenkt er mir, ich berg dich drin.

La-Le-Lu, La-LE-Lu
wiegt verbrannte Erde sich!-
Vater, Sohn und Schöpfergeist
streckt die Hand aus, rettet mich

Sieh, da tönt der Liebe Stimme
naht das Haupt voll Sternenpracht
seine Robe deckt mich völlig
wie ein Mantel vor der Nacht.

Und es schlief auf meinem Herzen
alles was ich wusste ein!-
„Kann nicht dort, Herr, dort in Eden,
Platz für blaue Lilien sein?

Alles gut und gut ist Alles!
Edens Lampen schimmern weit,
und in feuchten Himmelsritzen
soll sie sein, dass sie gedeiht.
Never sigh for a better world it`s already composed, played and told
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