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Am Kirchsee
#1
Du bist mir hier am Ufer stets zugegen,
im Schilf hast du mich bis zum Rand geführt.
ich kenn den Weg, dahinter geht’s zu Stegen,
noch bin ich, wie ich dich dort fand, gerührt.

Wenn ich so im Gezirp und Summen steh,
ziehst du mich rein und als ich schwimme, steigt
das Wasser hoch im dunklen, stummen See,
dann rufe ich, doch deine Stimme schweigt.

Ich tauche ein und nehme Maß am Grund
und stoß mich ab, streck meine Arme, wende.
Ein letztes Bild, wir haben Gras am Mund -

ein Anfang und zugleich das warme Ende,
hier, wo mein Blick an starken Föhren hält.
bis leichter Regen, kaum zu hören, fällt.
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#2
(29.06.2018, 10:45)Rohrer schrieb: Du bist mir hier am Ufer stets zugegen,
im Schilf hast du mich bis zum Rand geführt.
ich kenn den Weg, dahinter geht’s zu Stegen,
noch bin ich, wie ich dich dort fand, gerührt.

Wenn ich so im Gezirp und Summen steh,
ziehst du mich rein und als ich schwimme, steigt
das Wasser hoch im dunklen, stummen See,
dann rufe ich, doch deine Stimme schweigt.

Ich tauche ein und nehme Maß am Grund
und stoß mich ab, streck meine Arme, wende,
ein letztes Bild, wir haben Gras am Mund -

ein Anfang und zugleich das warme Ende,
hier, wo mein Blick an starken Föhren hält.
bis leichter Regen, kaum zu hören, fällt.
hallo Rohrer

gefällt mir, wie das lyrische Ich einen mitnimmt vom Seeufer über den Steg bis ins Wasser, um dann schwimmend (auf dem Rücken treibend?), aus der Perspektive des Wasserspiegels, hohe Bäume, Kiefern zu betrachten, deren flache Kronen wie dunkle Baldachine wirken können, gerade bei bewölktem Himmel. du schreibst Föhren statt Kiefern. das erschien mir beim ersten Lesen (schüttel)reimgeschuldet, aber wenn es wirklich diese Nadelbäume waren, dort am Kirchsee, dann kann ich verstehen dass du nicht „starken Kiefern“ schreibst, weil ja sonst andere Bilder entstehen könnten, mahlende Kiefer etwa oder Kieferknochen.

in den Terzetten stockte ich ein wenig. wegen der zahlreichen Kommata lassen sich die vielen Aufzählungen etwas zäh auseinanderdröseln. die Schwimmbewegungen sind anschaulich beschrieben, aber vielleicht käme da ein Punkt nach „wende“ ganz gut. dann dürfte das letzte Bild mit dem „Gras im/am Mund“ in einem neuen Satz kommen. diese 11. Zeile war übrigens mein Favorit. sie verbindet vegetative Ergriffenheit mit zwischenmenschlichem Fühlen über das nasse Element. sie war mir die Schönste gewesen, weil unzählige Bilder mir da gleichzeitig aus der Erinnerung auflebten und Revue passierten: Wasserpflanzen, Grashalme im eigenen und Halme in anderen Mündern, Gesichter dazu, aber auch überraschendes: ein längst vergessenes, hitziges Fußballspiel bei strömendem Regen, zum Beispiel.

das Ganze erinnert mich aber auch ein wenig an Lenaus Schilflieder und an einen Text von Eminescu, den ich mal hier im Forum übertragen habe: „Lacul / Waldsee“.
http://www.sonett-archiv.com/forum/showt...p?tid=4254

Gruß
Alcedo
Come build in the empty house of the stare
- Yeats -
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#3
Hallo Alcedo,

danke! Schön, dass du damit was anfangen kannst, in die Bilder mit eintauchst und auf Details blickst - ich bewege mich gerade heraus aus der Schüttelreimforen-ecke, weil man sich dort so wenig mit Poesie befasst.

Den "Punkt" übernehme ich gern.
Lacul - spiegelt sich in seiner leisen Wehmut tatsächlich klangvoll. Gibt es eigentlich eine brauchbare deutsche Eminescu-Ausgabe in Buchform?
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#4
gern geschehen, Rohrer.
freut mich, dass auch dir Details wichtig sind.

(12.07.2018, 22:55)Rohrer schrieb: Gibt es eigentlich eine brauchbare deutsche Eminescu-Ausgabe in Buchform?
nein, gibt es nicht.

danke fürs Feedback zum Waldsee.

Gruß
Alcedo
Come build in the empty house of the stare
- Yeats -
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