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Provinznest-Blues
#1
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Provinznest-Blues


Man hört den Bus um fünf Uhr zwanzig kommen,
dann sind es etwa noch drei Kilometer,
bis er dann einfährt. Bloss ein wenig steht er
sobald er wendet und wird nicht vernommen;

der Fahrer pinkelt nämlich in die frommen
Geranien von dem Schuster Vetter Peter.
Polier ich mir jetzt doch die schwarzen Treter?
Ach, soll der Staub der Stadt zugute kommen!

Denn nichts kann dieses Elend jetzt noch retten:
der Bus schafft mich aus ländlichem Gefilde,
der Wald fällt langsam rappelnd aus dem Bilde
der Scheiben, die im Morgendunst beschlagen,

und mir rumort auch jedes Mal der Magen -
es wimmelt vor Provinzlern in den Städten.

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Come build in the empty house of the stare
- Yeats -
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#2
Hallo Alcedo.

Motiv und Tonlage gefallen mir. Das kommt dem schon sehr entgegen, was ich selbst in letzter Zeit schreibe.

Die Zeile 3 kann ich nicht recht verorten. Warum wird der Bus nicht vernommen? Weil er nicht mehr fährt? "Vernehmen bezieht sich ja nicht aufs Hören allein, sondern auf jegliche Sinneseindrücke. Wenn ich aber den Fahrer beim Pinkeln beobachten kann, wird auch der Bus nicht weit weg sein.
Sehr schön die "frommen Geranien", die in biedermeierlicher Unschuld die Balkone und Vorgärten zieren.

In Zeile 6 müsste es heißen: des Schusters Vetter Peter (Genitiv). oder willst du es bewusst umgangssprachlich?
Mache ich ja auch hin und wieder, aber diese Zeile finde ich nicht so elegant gelöst, wie den übrigen Text.

Sehr schön wieder die Schlusszeile. Eine Stadt, die nur von Provinzlern bevölkert wird ist natürlich selbst nur Provinz. -
Oder in der Stadt wird auch nur mit Wasser gekocht.


Gruß
ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#3
oh, das hab ich ja ganz verschwitzt, hier zu antworten!

hallo ZaunköniG

freut mich, dass es dir gefällt.

zu Zeile 3: er wird nicht mehr vernommen, weil er stehenbleibt zum Wenden für die Rückfahrt in die Stadt. derweil steigt der Fahrer manchmal aus zum Pinkeln. aufm Dorf (morgens im Dunkeln) sehen das natürlich nicht alle, aber es spricht sich meist herum wo, und in wessen Geranien. eigentlich hatte ich da mal den Küster stehen statt dem Schuster. da kamen die „frommen“ noch besser, stelle ich gerade fest.

ja, es ist umgangssprachlich gemeint. im Idiom meines damaligen Provinznestes. die Vetter Franzens und Vetter Peters wurden nach Familiennamen oder Beruf unterschieden. alle älteren Männer wurden also Vetter XYZ genannt. soll ich Bindestriche nehmen, damit man merkt dasses zusammengehört? (so zusammengebacken wurde es eigentlich auch ausgesprochen).

der Fahrer pinkelt nämlich in die frommen
Geranien von dem Schuster-Vetter-Peter.

merci auch für das schöne Lob zum Schluss.

Gruß
Alcedo
Come build in the empty house of the stare
- Yeats -
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#4
Aha, wieder was dazugelernt.

Ok, ... dann würde ich wohl nur "Schustervetter Peter" schreiben.
Mit den Vettern kannte ich das so noch nicht. In unseren Breiten gibt es nur Onkel und Tanten. Vor allem auf dem Wochenmarkt, wo der Fischonkel seinen Stand neben der Käsetante hat. Eigentlich sind es Verlegenheitstitel, wenn man den Namen nicht kennt, also "Fischonkel" oder "Onkel Fritz" aber nicht "Fischonkel Fritz", aber es gibt so viele regionale Eigenheiten, die einem erst bewusst werden, wenn Fremde sich wundern....

Die frommen Geranien des Küsters, wären schon ein bisschen dick aufgetragen. Die braucht es so nicht, es sei denn, wenn die Wirklichkeit...



Gruß
ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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