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Ende Juli
#1
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Ende Juli


Die letzte Kirsche fault im Schneckendolch,
die Hummeln sitzen klamm auf Sonnenblumen,
im Betteln junger Schwalben wohnt ein Molch,
das Korn liegt flach, durchsetzt vom Schlamm der Muhmen.

Das Rohr genießt. Die Weiden schimmern satt.
Am Wegrand kringeln Algen sich im Moose.
Der Würger floh. Der alte Bussard hat
vom Würmersuchen eine nasse Hose.

Im Astloch ist das Wiesengras ertrunken.
Libellen legen Eier in den Ställen
wo sonst die Schleiereulen immer nisten,
da taumeln Rückenschwimmer, tönen Unken:

das Brennholz trieft in schweren Umzugskisten,
August wird einen Salamander stellen.

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#2
Hallo Alcedo,


Ich bin immer wieder überrascht über deinen weitläufigen Wortschatz, und du hast ja an anderer Stelle schon gezeigt, dass du auch die passende Beobachtungsgabe hast, aber an zwei Stellen komme ich nicht mit, bzw. habe wohl unpassende Assoziationen:

1.: Bei einem Dolch stelle ich mir etwas spitzes vor. Bist du sicher, dass die Kirsche im Dolch ist und nicht umgekehrt? Oder ist der Dolch ein Körperteil der Schnecke? Das ist mir so noch nicht untergekommen.

2.: Was meinst du mit dem Schlamm der Muhmen? Muhme kenne ich nur als veralteten Begriff für Tante. Genauer, die Schwester der Mutter. Was hat das mit Schlamm zu tun? Die Korn- oder Roggenmuhme fällt mir noch ein, eine Märchen- oder Sagengestalt, die auch unter etlichen anderen Namen bekannt ist, aber nirgends nur als Muhme. Vor allem aber gibt es sie, soweit ich weiß nur im Singular.

-

Falls du mit der Muhme solche sagenhaften Anleihen machst, gerätst du mit dem Salamander auf unsicheres Terrain. Biologisch passt er wie die vorgenannten Unken gut in ein Überschwemmungsgebiet. In alten Sagen aber wurde er, wohl wegen der auffälligen Körperzeichnung, verdächtigt Feuer zu bringen, daher auch Feuersalamander. Oder erwartest du im August einem Wetterumschwung?



Gruß
ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#3
hallo ZaunköniG

für deine Verhältnisse ist das hier ja fast schon überschwängliches Lob (mit Wortschatz und Beobachtungsgabe). ich danke dir und schätze mittlerweile alles: dein sprödes, dein darüber hinausgehendes Lob und deine Kritiken.

wie immer fasst du gezielt die schwächste Stelle zuerst kritisch ins Auge: ja, es ist eine Eigenkreation, das Bild mit der Schnecke. ich denke jeder hat es schon gesehen, aber ich weiß nicht ob es hier so neologistisch spontan funktioniert: ein (rote) Nacktschnecke, die an einer herabgefallenen (zertretenen, halbverfaulten) Kirsche frisst. auch ist der Liebesdolch (engl. love dart) ein Werkzeug (kein Organ an sich aber wird von einem Sexualorgan produziert [eigentlich ein Hilfsorgan des weiblichen Bereiches des komplexen Genitalapparates dieser Tiere - im Vergleich dagegen erscheinen unsere Sexualorgane geradezu stümperhaft]) welches Schnecken manchmal beim Liebesspiel einsetzen. es bewirkt die Stimulation des Partners direkt durch die Verletzung als auch indirekt durch Hormone auf diesem Werkzeug. die Tiere benutzen diesen Dolch auch nur bei ausgewählten Partnern. er ist bis circa 15mm lang, vierschneidig und besteht aus Kalk oder Chitin und dauert bei der Herstellung. auch ist es mühsam ihn in den Partner zu rammen für diese weichfleischigen Mollusken. in eine Kirsche wird aber sicher kein solcher Dolch gerammt werden. nur kann es manchmal passieren, dass man Wegschnecken antrifft beim Kirschenverzehr mit solch einem Dolch im Leibe. dann kann es zu solchen Assoziationen kommen wie in meiner ersten Zeile geschehen.

mit der Kornmuhme liegst du richtig. in manchen Gegenden (mit viel Weizenanbau) wird sie so genannt, anderswo Abendmutter, Baba Jaga, Waldmutter (Mama Padurii) oder Baba Cloantza. bei allen ist es Singular, richtig. aber zusammengefasst ist bei all diesen Muhmen die eine archaische Erdmutter gemeint.

auch mit der Vermutung zum Feuersalamander hast du einen Treffer gelandet. er kann auf Gluthitze im August hindeuten.

Gruß
Alcedo
Come build in the empty house of the stare
- Yeats -
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#4
Hallo Alcedo,


Den Liebesdolch der Schnecke kann man sicher auch als Schneckendolch bezeichnen. Sachlich geht das in Ordnung, nur kannst du wohl nicht voraussetzen, dass jeder Leser mit der Anatomie der Schnecke so vertraut ist. Nachschlagen kann man man es unter der neuen Bezeichnung auch nur schwer.

"...im Liebesdolch
der Schnecke."

würde rythmisch auch passen.

Ich habe jetzt keinen passenden Vorschlag, wo du die nötigen Silben hernimmst,
aber die Ambivalenz in der Beschreibung Liebes- vs. fault würde mir gefallen.


Ja die Kornmuhme hat viele Namen. Aber ist sie mit der slawischen Baba Jaga gleichzusetzen?
Lange Kontakte gab es ja zwischen den nordischen Völkern: Kelten, Germanen, Balten, Slawen....
Ihre Sagen und Mythen haben sich bestimmt ähnlich stark beeinflusst wie die Kulturen des Mittelmeerraums. Aber das müsste man mal genauer analysieren, aber du scheinst dich ja etwas auszukennen.
Der Mittagsgott scheint das himmlische Pendant zur Erdenmutter zu sein, - dachte ich eine Zeit lang.
Aber inzwischen ist mir in östlichen Gedichten auch eine Mittagsgöttin begegnet.
Nicht als Frau des Mittagsgottes sondern als singuläre Erscheinung an seiner statt.
Gibt es Regionen wo der Himmelsmutter ein Erdenvater gegenüber steht?
Ich habe das so noch nie gehört, aber wenn man die Eigenart der Deutschen betrachtet, die Sonne weiblich zu denken.....
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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