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An Ludw. Aug. Frankl
#1
An Ludw. Aug. Frankl
zum Siebzigsten Geburtstage

(3. Februar 1880)


Jubelgruß


Denk’ ich der Zeit, entschwunden ist sie lange,
Uns unsern frischen, hellen Jugendtagen,
Da lauscht mein Geist, wie man dem Wunderklange
Begierig lauscht von Märchen und von Sagen.

Dann steh’ ich, wie auf steilem Felsenhange
Der Wandrer steht, erfüllt von Lust und Zagen,
Mir ist so wohl und dennoch gar so bange,
Und weiß nicht: Soll ich jubeln oder klagen?

Der Rückblick, wie so herrlich, lichtumflossen,
Die Rückkehr, ach, unmöglich und verschlossen,
Das Herz verzagt, versinkt in dumpfes Brüten.

Da rauscht ein Ton aus längst verklung’nen Stunden,
Die Seele jauchzt, der Trübsinn ist verschwunden,
Sie wandelt wieder unter Duft und Blüthen.



.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#2
Eine Frage

Ich frag’ mich selbst: Ist es die rechte Weise,
Dem alten Freund den Herzensgruß zu bringen,
Daß er nach hartem Kämpfen, schwerem Ringen,
Von Ruhm umweht, vollbracht die Lebensreise?

Laut rauscht die Lust mit mächt’gen Adlerschwingen
In dem beglückten, trauten Heimatskreise,
Da naht der alte Freund fast schüchtern, leise
Und läßt den Mißton in den Jubel dringen.

Nicht Andern gleich begrüßt Dich meine Seele,
Dem Herzenston nicht gleicht der Klang der Kehle,
Wie schön und herzlich auch die Worte gleiten.

Was uns beseelt, und auch was wir erlitten,
Ein halb Jahrhundert folget meinen Schritten
Und rollt den Vorhang auf vergangner Zeiten.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#3
Einst

Auf halbem Weg’ nicht hab’ ich Dich getroffen,
Nicht auf des Lebens hart getret’nem Pfad,
Gar freundlich hat das Schicksal sich genaht,
Als uns noch war das volle Leben offen.

Fremd war die Sorge mit dem Blick, dem schroffen
Der bange Zweifel, allen Unheils Saat,
Im Fühlen und Empfinden lag die That,
Und der Erfolg im Denken und im Hoffen.

Wir folgten willenlos dem Zauberklange,
Der Ros’ im Garten, wie auf holder Wange,
Dem Lied im Walde, wie im Musenhaine.

Das war ein Lenz so duftend und so blühend,
Ein Morgenroth beseel’gend, farbensprühend,
Es lag die Welt vor uns im gold’nen Scheine.
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#4
Zauberspruch

Wir waren jung – man spricht von Zauberworten,
Wem sie bekannt und ihre Wundermacht,
Der locket Schätze aus dem Felsenschacht,
Verborgen tief in grauenhaften Orten.

Er spricht sie aus – es springen auf dioe Pforten,
Unnahbar, von Kobolden streng bewacht,
Da glänzt und funkelt unnennbare Pracht,
Und scheu entfliehn die finsteren Kohorten.

Wir waren jung, o Zauber sondergleichen!
Nur Jugend hebt den Lebensschatz, den reichen,
Sie kennt den Spruch, und die Dämonen weichen.

Sie steigt empor auf blühendem Gefieder
Und steigt die Jakobsleiter auf und nieder,
Ihr Wort Gesang, ihr Ton das Lied der Lieder.
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#5
Abschied

Der Lenz verblich, die Studien zu Ende,
Sie trat heran, die schwere Trennungsstunde,
Die Glocken klangen trüb im Seelengrunde,
Als erstes Zeichen ernster Zeitenwende.

Wir sprachen nicht, wir reichten uns die Hände,
Kein Wort entquoll dem bang geschloss’nen Munde,
Das Schicksal gab uns da die erste Kunde,
Das Alles flüchtig, dauernd nichts bestände.

Und dämmernd stieg es auf mir im Gemüthe,
Vorüber sei die schöne Lebensblüthe,
Und fallen muß sie, soll die Frucht gedeih’n.

Ein Abschied war’s vom Freund, vom Ideale,
Vom schönen Jugendtraum, vom Lenzesstrahle,
Es gilt fortan, dem Lebenskampf sich weih’n.
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#6
Letzter Eindruck

Wie ich Dich sah im letzten Augenblicke,
Das Haupt vom braunen Lockenkranz umwallt,
So stand’st Du stets vor meinem Seelenblicke
In unverändert blühender Gestalt.

Nicht abgebrochen war die geist’ge Brücke,
Ein flücht’ges Blatt vereinigte uns bald,
D’rum schien mir’s fast, als wär’s nur Schicksalstücke,
Daß Du gleich mir ermüdet schon und alt.

Ein Bild, das früh der Jugendsinn, der frische,
Im tiefen Seelengrunde aufgenommen,
Gleicht einem heil’gen Bild in lichter Nische.

Es lebt voll Weihe im Gemüth, im frommen,
Und altert nicht im raschen Lauf der Jahre,
Und unverändert strahlt sein Blick, der klare.
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#7
Innerer Werth

Dein ganzes Leben war Erfolg und Ringen,
Und was Du bist, bist du durch eig’ne That,
Kein Mißgeschick vermochte Dich zu zwingen,
Wenn es auch stürmisch, grollend Dir genaht.

Dir gab ein Gott schon des Gesanges Schwingen,
Des Liedes Wohllaut, der Gedanken Saat,
D’rum folgte Deinem Streben das Gelingen,
Und Schwung und Thatkraft ebneten den Pfad.

Nicht Gunst und Zufall haben Dich erhoben,
Den Doppelkranz hast Du Dir selbst gewoben,
Des Dichters Ruhm und reinster Menschlichkeit.

Wenn Ehren Dir im reichsten Maß beschieden,
Du pflücktest nicht die Frucht der Hesperiden
Was Du vollbracht bloß, würdigte die Zeit.
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#8
Innerer Adel

Und ritterlich war immer Dein Beginnen,
Eh’ Du durch Fürstenhuld zum Ritter worden,
Fernab vom Treiben der Alltageshorden,
Schwangst Du Dich früh empor zu licht’ren Zinnen,

Um einen freien Ausblick zu gewinnen.
Dir gab Natur schon ihren höchsten Orden:
Zu wirken in harmonischen Accorden,
Das Hochgefühl im Handeln und im Sinnen;

Natur, die Fürstin aller Souveräne,
Gab Dir den Trieb für’s Hohe und für’s Schöne,
Und hat die Richtung klar Dir vorgeschrieben.

Im Ehrenzeichen nicht, bloß im Gemüthe,
Da keimt des echten Adels edle Blüthe,
Und wie Du warst, so bist Du auch geblieben.


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#9
Aus geistigem Borne

O glücklich, wem aus reinster Strahlenquelle
Ein Gott den Stern des Geistes hat verliehen,
Wenn alle ird’schen Strahlen rasch verglühen,
Der Stern des Geistes strahlt stets mild und helle.

Das Leben, diese stets bewegte Welle,
Vermag ihm keinen Lichtpunkt zu entziehen,
Er kennt das Dunkel nicht, die Wechselfälle,
Die eitlen Schimmer oft so trüb umziehen.

Der leere Prunk gleicht aufgeputzten Leichen,
Dem innern Werth nur ziemt das Ehrenzeichen,
Der Ehrenschild für menschlich schönes Streben.

Und wie die Gegenwart den Mann erhoben,
Wird auch sein Thun die Nachwelt ehrend loben:
Es war ein segenvolles, edles Leben!
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#10
Blindeninstitut

Auf „hoher Warte“ ragt ein Prachtgebäude,
Es ist kein Fürstenschloß, kein Sitz der Reichen,
Und doch bewahrt’s das kostbarste Geschmeide,
Den selt’nen Schatz des Hochsinns ohne Gleichen.

Es dient zum Aufenthalt dem grimmsten Leide,
den Lichtberaubten, die im Dunkeln schleichen,
Den Blinden, denen Gott die Augenweide,
Den Strahl des Lichts, im Aufgang ließ erbleichen.

Als Bettler klopftest Du an alle Thüren:
„Gebt einen Obulus den blinden Kindern!
Das grausamste Geschick, o wollt es lindern!

Das Auge todt, die Welt ein Grab, verschlossen,
Das Licht, das nie sich ihrem Blick ergossen,
O helft! wir wollen es nach innen führen.“
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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