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Das ganze Bild
#1
Das ganze Bild

Nicht bergend ist der Raum der Nacht, nicht mild.
Die Dunkelheit, in der die Träume schwammen,
zerreißt und windet sich in jähen Flammen,
und nur das Lachen schützt uns noch als Schild.

Wir wissen, daß wir aus dem Nebel stammen,
und fragend folgen wir dem blauen Wild.
Bleibt wirres Stückwerk das zerbrochne Bild?
Doch endlich fügt sich Stein um Stein zusammen.

Und dann der Tag. In seinem grellen Licht
verwehen haltlos die geahnten Spuren.
Die Sonne raubt der Seele ihre Sicht.

Das ganze Bild - der Weg, den wir erfuhren,
der Flammentraum, der Ewigkeit verspricht –
all das zerbricht im Stundenschlag der Uhren.
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#2
So vieles bricht im Stundenschlag der Uhren:
Es wird vom Tag verschüttet, Schicht um Schicht,
und nur in Assoziationen spricht,
was wir im Unbewußten einst erfuhren.

Mit wachen Sinnen ahnen wir noch Spuren,
die dunkel in uns schlummern, fern dem Licht.
Die Kunst eröffnet eine neue Sicht
auf Archetypen, fremde Kreaturen.

Bunt glänzt, was bruchstückhaft dem Traum entstieg
und streut sich in den Tag als reife Saat.
Bald fügt sich Stück um Stück das Mosaik;

Es scheint zu passen, doch man sieht die Naht.
Die Kunst, vom Traum beseelt, bleibt hier Replik,
doch selbst in dieser schimmert manch Karat.
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#3
Schweigen

Der Schimmer trügt. Oft wiegst du in Karat,
was nur als eitler Talmi Strahlen bricht.
Schwer ist die Kunst, doch hat sie kein Gewicht,
wenn sie nicht aus der Tiefe steigt als Tat.

Am Anfang stehen Armut und Verzicht,
und wenn dein Lauschen in die Leere trat,
ergib dich und verschenk dich ihrem Rat,
denn Träume halten über dich Gericht.

Und nach und nach erfährst du, wie die Wände
der Zeit sich lösen, Fesseln fallen fort,
als ob die Welt zu ihrem Anfang fände.

Die Farben, spürst du, haben keinen Ort
und sind doch wie ein Leuchten ohne Ende.
Dann neigt sich aus dem Schweigen dir das Wort.
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#4
Natur und Kunst

Ist's denn ein Schweigen, das der Schöpfung Wort
Und das die sphärische Musik erfände?
Mag sein, doch wiedergeben unsre Hände
Musik als Ton, als Satz und als Akkord.

Kein Menschenwort pflanzt dieses Urwort fort
Und doch nimmt die Musik in uns kein Ende,
Hallt ungefügt und ohne enge Wände.
Nur als Idee hat sie in uns den Ort.

So gibt das Gold auch Talmi echten Glanz,
Doch Zinn und Kupfer geben ihm die Härte.
Das Mosaik ist Abbild - wie Musik.

Das Bild ist Stückwerk - die Idee bleibt ganz
Und unantastbar bleiben ihre Werte,
Doch Form erhielt, was ins Bewußtsein stieg.
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#5
Tanz der Zeit

Vielleicht bleibt das, was ins Bewußtsein stieg,
bewahrt in seiner Form, in seinem Werte.
Doch widersteht es auch dem scharfen Schwerte
veränderter Erkenntnis – reicht ein Sieg,

ein Lied zu fesseln, das so lange schwieg?
Das Wissen wankt, das man noch gestern lehrte,
das Denkmal stürzt, das man als ewig ehrte,
man weiht das neue Lied: Nun sing und flieg!

Und immerzu verwelkt und blüht ein Kranz
von Überzeugungen, um zu beweisen:
Nur in Verwandlung weilt das Leben ganz.

Wir lernen zu verlassen und zu reisen,
und manchmal faßt uns Schwindel an im Tanz
der Zeit, als könnten wir auch rückwärts kreisen.
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#6
Dialektik nach Heisenberg

Es schwindelt uns, daß wir auch rückwärts kreisen;
In der Idee sind alle Zeiten ganz
und die Verwandlung leiht dem Leben Glanz.
Wir unterscheiden Weilen oder Reisen,

doch eine stete Welle wird der Tanz,
will man ihn formend, manifest beweisen.
Erstarrt stehn stumm die unbewegten Weisen,
doch überschaut man so den ganzen Kranz.

Wie oft wir unseren Verstand befleißen;
veränderte Erkenntnis gibt uns schon
das Schwert zur Hand, daß alte Fäden reißen.

Erkennen wir die Fuge? Hör’n den Ton?
Mit welchen Vorstellungen wir kreißen;
Frag weiter: Unscharf bleibt die Relation.
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#7
Kosmos

Das ist es! Ja, du kannst die Relation
vom Wesen zur Erscheinung unscharf heißen.
Denn alles Denken wird betäubt vom Gleißen
der Wahrheit, wie berauscht von starkem Mohn.

Wer unterscheidet Weißeres vom Weißen?
Wem winkt das Weltenwissen denn als Lohn?
Wer sinkt nicht blind zu Boden vor dem Thron
des Ganzen, wenn die Dunkelheiten reißen?

Laß uns wie Kinder mit den Steinen spielen,
vertrauend, daß es für ein Ahnen reicht,
und ohne auf Erfüllungen zu zielen.

Vielleicht, daß einmal unser Dämmern weicht
und eine große Hand aus all den vielen
Versuchen einen Kosmos formt. Vielleicht.
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#8
Vielleicht kannst du in einer Wiesenblume
dann wieder einen ganzen Himmel sehen
die Welt im pars pro toto einer Krume,
in allen Körnchen, die im Wind verwehen.
Dann werden zwei und zwei nie mehr aufgehen
zu einer vier, die Ecken ganz verschwimmen,
die Zeiger aller Uhren einwärts drehen,
die Bäche bergan zu der Quelle klimmen.
Dann sollen Schiffe segeln ohne Trimmen
in einem Wind, der klingt wie einst das „Werde“
am Osten mag ein neues Licht aufglimmen,
zu einem Duft von frischgefurchter Erde.
Never sigh for a better world it`s already composed, played and told
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#9
Wir hoffen es: Die Grenzen werden wanken,
in denen unsre Phantasie verfällt.
Doch welche Macht vermag, daß sie uns hält?
Sinds nicht vielleicht die eigenen Gedanken,

errichten nicht erst Zweifel all die Schranken?
Wir haben Angst vor einer freien Welt,
die nichts bestimmt und keinen Weg verstellt -
die Ungewißheit ists, an der wir kranken.

Und darum hilft uns nur ein starker Mut.
Vielleicht, daß wir wie blind die Augen schließen,
weil auch im Keim das Universum ruht,

ein helles Strahlen. Nein, die Ströme fließen
nicht bergwärts. Aber eine Segenflut
von Wissen will sich über uns ergießen.
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