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Gardinenpredigt (4)
#1
Gardinenpredigt

I.


Wo du als helle Sonne sonst geschienen,
An deine Strahlen meinen Blick gebannt,
Wenn sich mein Gang nach deinem Haus gewandt,
Die Fenster, sind verhängt jetzt mit Gardinen.

Denn du wohnst nicht mehr hinter ihnen,
Du weilst in deinem schönen Vaterland,
Dort an der blauen Donau heit’rem Strand,
Wo Lenz und Leben doppelt blüh’n und grünen.

Vergessen hast du deinen Hofpoeten,
Der ohne Gegenstand nach Reimen sucht
Und schweigend sieht der Lenzestage Flucht.

Du fandest And’re g’nug dich anzubeten,
Entzückt an deinen Reizen sich zu weiden,
Und mir bleibt nur, sie tödtlich zu beneiden.


II.

Die Augen deines Hauses sind geschlossen
Und schlafen, träge, mit betrübten Mienen;
Befranste Augenlider, die Gardinen,
Sie heben sich nur dann und wann verdrossen.

Als jüngst ein Regenschauer sich ergossen,
Da hat es mir wahrhaftig schier geschienen,
Als ob die schweren Thränentropfen ihnen.
Vor tiefem Gram hinab zur Straße flossen.

Ach, wenn dich todte Dinge so beweinen,
Daß sie in Thränen stehen um dein Scheiden,
Was muß ein lebend liebend Herze leiden?

Darf es sich übertroffen seh’n von Steinen?
Nicht Thränen löschen seiner Schmerzen Gluthen,
Er muß an bitt’rer Trennung Leid verbluten.


III.

Nun hat dein Haus die Augen aufgethan;
Mich dünkt, es lächelt stumm mit frohen Mienen,
Seit munter sich gehoben die Gardinen,
Und sein’ und meine Trauer, Traum und Wahn.

Sprich, Herz, wer hat dies Wunder denn gethan?
Die Zauberin, die waltet hinter ihnen,
Der alle die geheimsten Kräfte dienen,
Sie kam aus weiter Ferne wieder an.

Nun lacht der Himmel heiter über mir,
Die Freude naht, der unschuldfrohe Scherz,
wenn dich mein dürstend Auge wieder sah.

Die Sonne ruht mit Liebesstrahl auf dir,
Im Jugendlenztakt schlägt mein altes Herz,
Denn du bist nah’, ja, du bist wieder da!


IV.

Und neu entspringt der Lieder frische Quelle,
An deinem Blick entzündet sich mein Sinn;
Durch bunte Blumenwiesenufer hin
Wallt wieder wohllatathmend Well’ auf Welle.

Vor deinem Strahl wird alles Dunkel helle,
Der Schönheit Sonne, Segenspenderin,
Der ew’gen Liebe Heilverkünderin,
Du leuchtest in des Herzens dunkle Zelle.

Es hellen sich des Meeres nächt’ge Wogen,
Die stürmisch eben noch bewegten Fluthen,
Sie ruhen still in Gold und Purpurgluthen.

Am Himmel glänzt des ew’gen Friedens Bogen,
Und aus der Ferne Silbernebeln steigen
Des Jenseit Ufer und der Sel’gen Reigen.


.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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