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Sonettenkranz (12)
#1
Sonettenkranz

Dresden, 1819


I.


Was ich in warmer Brust empfangen habe,
Was in mir glüht: ich leg' es offen bin
Dem Bruder, der des Sängers Liedergabe
Entgegennimmt mit regem Brudersinn,

  Daß sich die Brust an Klang und Tönen labe,
Entfloh'ne Ruh' ihr werde zum Gewinn;
Sing' ich des Kummers schwere Last zu Grabe,
Wenn ich im Liede still versunken bin,

Wohl mancher Gram ward mir schon früh' beschieden,
Ach! manche Zähre trübte meinen Blick,
Die Zeit entfloh in düßtern Trauerstunden:

Dann brachte mir die Harfe milden Frieden;
Ich sah in stiller Ruhe dann zurück
Auf öde Tage, die im Leid entschwunden,


II.

Im fiillen Herzen mich der Tugend freu'n,
Emporzuklimmen zu der Wahrheit Höhen,
Mit Geistesaug' ins Sonnenlicht zu sehen,
Der Himmelsliebe Flammen zu erneu’n:

Dieß mög' auf Erden hier mein Streben seyn,
Der Geist des Friedens möge mich umwehen.
Dem lichtumstrahlten Ziele nachzugehen,
Mög' eine stärk're Hand mir Stärke leihn!

Wohl oft durchglüh'n entflammte Feuerfunken
Den Busen, und in stilles Schau'n versunken
Steh' ich in hoher Wonne selig da.

So einst zu steh'n im Rest der Lebenstage
Du göttlicher Gedanke! komm' und trage
Auf Seraphschwingen mich dem Ziele nahb'!


III.

Was unser Geist erblickt in stillen Stunden,
  Und was er sieht, von Licht und Glanz umgeben,
  Was milde Götterstrahlen neu beleben;
Der Bilder viel', die manches Aug' gefunden:

O, solche Bilder, die so oft verschwunden,
Eh' Wort und Harfenklang sie kund gegeben,
In schwache Dämm’rung schnell hinüberschweben,
Eh' sich ihr Schein zum Liedeskranz gewunden.

Die möcht' ich gern' mit kühnem Muth enthüllen,
Mit ihnen gern' der Harfe Lieder füllen;
Daß laut ihr Klang berühr' des Bruders Ohr!

Wohl glüht in Drang und Willen meine Seele;
Doch, daß die Kraft dem schwachen Sänger fehle
Das ist's, warum er manches Ach verlor.


IV.

Die Andacht.


In himmelan gewölbten Domeshallen,
Da kennt das Herz der Erde Wünsche nicht;
Beseelte Seufzer, die der Brust entwallen,
Flieh'n auf zu Gott in stiller Zuversicht.

Die Worte, die dem Frommen hier erschallen,
  Entzünden nächt'ger Dunkelheit ein Licht;
Des Wahns und Irrthums trübe Nebel fallen,
  Wenn sie des Glaubens Sonnenstrahl durchbricht.

Der Geist erhebt sich freudig von der Erde,
Auf daß des Menschen Inn'res lauter werde;
Dem Weltenschöpfer wohlgefällig sey.

In stilles Schau'n versinkt die gläub'ge Seele,
Daß für und für das Gute sie erwähle;
Fühlt sie des Willens rege Kräfte frey.


V.

Glaube, Liebe, Hoffnung.


Siehst du die zarten Himmelsblumen blühn,
Die durch sich selbst zum ernsten Kranz gewunden?
Siehst du im Strahlenglanze sie erglühn,
Der nimmer noch von ihrem Haupt verschwunden?

Den ew'gen Frieden hat ihr Licht verliehn
Der Seele, die in stillen Feyerstunden, -
Wenn unserm Auge Erd' und Welt entfliehn
Mit ihnen treu und heilig sich verbunden.

Mag einst des Weltall's fester Bau zergeh'n,
Und in ein Nichts das Schönste auch verweh'n;
  Mag jeder Traum des flücht'gen Seyns verschwinden:

Die heilgen Blumen senken nicht ihr Haupt,
Und hast du treu an ihre Kraft geglaubt;
  Wirst du auch ewig Troft bey ihnen finden!


VI.

Die Bibel.


Du heilig Buch! in tiefer Ehrfurcht nennen
Dich Alle, welche deinen Troßt empfah'n!
Und mächtig hebst du Alle himmelan,
Die treu für dich, in heil'ger Gluth, entbrennen.

Wohl allen Herzen, die dein Licht erkennen,
Empfindend, was durch dich der Welt gethan
Und was du denen reichst, so dir sich nah’n;
Sich fürder nicht von deinem Worte trennen !

O! möchten Alle deine Wunder schauen,
Auf alle Seelen mild herniederthauen
  Die Himmelskraft, die du so reich umfaß'st!
Möchten Alle deinen Seegen erben,
Durch dich erbaut, in Hoffnungswonne sterben,
  Wer, nach der Erde Kampf, im Tod' erblaßt


VII.

Der Christ an das Kreuz,


Voll Andacht senk' ich meinen Blick zur Erde,
  Den Geist erhebt ein wonneselig Schau'n;
Ich sehe dich, kann fest auf dich vertrau❜n,
Damit ich nimmermehr zu Schanden werde.

Auch ich bin Einer jener großen Heerde!
Auch ich erblick' der Friedens lichte Au'n,
Auf dein Verheißen darf ich hoffend bau'n
In dieses Lebens Kummer und Beschwerde!

Du siehst, uns Heil verkündend, aufgerichtet,
Umstrahlet von des Himmels Sonnenlicht,
Auf ewig fest und bebst und wankest nicht!

Des Todes Macht, sie ward durch dich vernichtet
Du brachtest Frieden uns und Heil und Ruh',
Es sank durch dich der Schlund der Hölle zu!


VIII.

Der Liebe Einheit.


Nur Eine Liebe kam vom Himmel nieder,
  Zwey Engel brachten sie zur Erd' herab;
Und Beyde fanden sich hienieden wieder,
Steh'n fest vereinet über Tod und Grab.

Und beyde Engel, schon dort Oben Brüder,
Begleiten Jeden, der sich treu ergab,
Dereinst, im Klange heil'ger Seraphslieder,
In's ew'ge Leben, an des Glaubens Stab.

Sie weilen Beyde gern an zartem Herzen,
Umschlingen innig sich zum schönsten Bund;
Denn Eins ist beyder Wesen, beyder Leben.

Wohl kennen sie der Erde bange Schmerzen,
Sie thun durch Hoffen sich und Dulden kund,
Durch festen Glauben, freudiges Ergeben.


IX.

Vor Raphaels Madonna.
(Madonna di San Sisto in der Dresdner Gallerie.)

1.


In wonnen selig allem Staub enthoben
Steh' ich vor dir, du überirdisch Bild!
Und freudig schwebt von dir mein Blick nach Oben,
  Dort, wo der Born des ew'gen Lichtes quillt.

Vergessen ist des Schicksals wildes Toben;
  Es lichtet sich die Nacht, die mich umhüllt.
Begeistert möcht' ich dich den Himmel loben,
  Und möchte singen, was die Brußt erfüllt.

  Versunken in ein Meer der reinsten Wonne,
Kenn' ich die Welt und ihre Ketten nicht;
  Scheu' in des off'nen Himmels lichte Räume,

  Die Seele sieht der Welten ew'ge Sonne,
Erblickt im Himmel der Verklärung Licht;
Und sinkt dahin in nie empfund'ne Trärme.

X.

2.


„Entfleuch von hier!" - So möchte donnernd schallen
Aus tiefem Innern, ein empörter Laut;
Wenn dieses Bild das trunk'ne Auge schaut,
Die Seele wähnt dem Himmel zuzuwallen.

Doch an den Stufen der Verklärung Hallen
  Wird inniger die Bruft mit Gott vertraut,
Fühlt: Wer auf ihn in treuer Liebe baut,
Wird nimmermehr in Wahn und Zweifel fallen.

Dann bebt nicht mehr der Staunende zurücke
Vor dieser Himmelsjungfrau reinem Blicke,
  In stiller Wonne schaut er ihr entgegen.

O, welche Seele sollte hier nicht hoffen ?
Hier, wo von einer Gottheit Licht getroffen,
Sie neu durchströmt wird von dem ew'gen Segen!


XI.

Es liegt ein großes Buch uns aufgeschlagen ;
  Hineinzuschauen, jedes Menschen Pflicht. -
Wohl Mancher schaut erkennt die Ziffer nicht,
Nicht will dem Aug' des Lichtes Morgen tagen.

Willst du der Wahrheit golden Ziel erjagen?
Erwähne nicht, daß dir's an Kraft gebricht!
Vertrau' dir selbst in fester Zuversicht,
Lass' nicht des Zweifels Wurm dein Herz zernagen.

Erglüht die Bruft von hohem, mächt'gem Streben;
Ist dir des Forschens reger Drang gegeben:
Du dringst dem fernsten Ziel doch endlich nah'!

Einst tritt, was Nacht umhüllte, klar ins Leben;
Du siehst die Dämm'rung einst in Licht verschweben:
Im Himmelsglanze steht die Wahrheit da.


XII.

Sie welken hin, des Lebens schönste Blüthen,
Versinken schnell in Staub zum Nichts hinab :
Das Köstlichste, so dir der Himmel gab,
Wofür im Busen Dank und Wonne glühten

Du kannst es nicht vor Sturmeswuth behüten !
  Im Nu versinkt es in ein ödes Grab.
  Es bebt und wanket deines Glaubens Stab;
Nicht fassest du der Schickung furchtbar Wüthen.

Wohl aber dann dir, wenn dem wunden Herzen
Die heil'gen Waffen gegen Gram und Schmerzen:
Die Hoffnung und die Liebe nicht entfloh'n!

Wenn, durch des Glückes nachtumgraute Trümmer,
In deine Brust des Trostes lichter Schimmer
Herniederstrahlet von der Gottheit Thron!


.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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