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Zwölf Dichterprofile (12)
#1
Zwölf Dichterprofile

I. Friedrich Hölderlin


Mein Liebling du! Mit hellem Griechenblick
Hattst du ermessen, in dein Los ergeben,
Den jähen Abgrund zwischen Traum und Leben
Und der Verspätung herbes Mißgeschick.

Dich tröstete dein Genius: Erschrick
Vor dieser Tiefe nicht! Hinüberheben
Wird dich ein Schwingenpaar mit sichrem Schweben,
Die ätherleichten: Dichtung und Musik.

So wandeltest du selig, Kränze windend
Der schönsten Liebe, bis Dämonentücke
Sie in den Abgrund stieß, der sie verschlang.

Du stürztest nach, qualvoll dir selbst entschwindend;
Doch nicht dein sterblich Leben ging in Stücke,
Dein Herz nur und dein Saitenspiel zersprang.


II. Joseph Freiherr v. Eichendorff

Der scheidenden Romantik jüngster Sohn,
Ihr Benjamin, statt aller andern Gaben
Erbt’ er allein das Wunderhorn des Knaben,
Nie sich ersätt’gend an dem einen Ton.

Spurlos ist ihm die Zeit vorbeigeflohn,
Indes er lag in Waldesnacht vergraben:
Mondschein und leises Wipfelrauschen haben
Ihn eingewiegt, der wachen Welt zum Hohn.

Ein ew’ger Jüngling, trug im Herzen tief
Er zu der schönen Frau die sel’ge Minne,
Die durch den Wald zog, Goldschein um die Locken.

Und während er „Krieg den Philistern“ rief
Und rein und heiter schwärmen ließ die Sinne,
Lauscht er in Andacht Rom’s verschollnen Glocken.


III. Friedrich Rückert

Kein einzler Baum, ein Wald mit tausend Zweigen,
Und Vögel aller Zungen, aller Zonen
Durchzwitschern hell die laubigen Wipfelkronen,
Nachts aber tanzen Elfen ihren Reigen.

So zu den Sternen aufwärts sah’n wir steigen
Den Liederwald, den Winterstürme schonen,
Und lang in seinem Blütenschatten wohnen
Wird unser Volk und ihn den Enkeln zeigen.

Nicht jedes Blatt ist eine Wunderblüte,
Doch nie ließ uns ein Geist in solcher Fülle
Des Lieb- und Liederfrühlings Zauber ahnen.

Den Tiefsinn einer Welt barg sein Gemüte,
Und aus des Morgenlandes heil’ger Stille
Bracht’ er uns heim die Weisheit des Brahmanen.


IV. Nicolaus Lenau

Ein Edelhirsch im Forst auf grünem Rasen,
Auf einmal hört er Treiberruf erschallen,
Sieht links und rechts die schlanken Brüder fallen
Und ihr geliebtes Auge sich verglasen.

Nun, ob auch andre fröhlich wieder grasen,
Sind ihm ein Schreckensort die Waldeshallen,
Und wenn im Mondlicht Herbstesnebel wallen,
Hört er die wilde Jagd die Luft durchrasen.

Nicht mehr gesellt leichtherzigen Gespielen,
Sieht er im Leben rings des Todes Zeichen,
Bis ihm verstört die schönen Lichter flammen.

Wohl jenen, die vom sichern Schusse fielen!
Ihm krallte sich der Nachtmahr in die Weichen;
Vom Grau’n zu Tod gehetzt bricht er zusammen.


V. Adalbert von Chamisso

Franzos’ an Blut und ritterlichem Feuer,
Ein Deutscher an Gemüt und zartem Sinnen,
So durften wir als unsern dich gewinnen,
Du löwenmähnig Haupt, uns doppelt teuer.

So standst du wagend an des Rurik Steuer,
Die stürmevolle Weltfahrt zu beginnen,
Den Blick bald in die Weite, bald nach innen,
Die Seele voll Gesang und Abenteuer.

Doch in die Heimat deiner Wahl gekehrt,
Von Pflanzen, Versen, Kinderlust umgeben,
schreckt dich im Traum Salas y Gomez’ Geist.

Da ward dir teuer erst der stillste Herd,
Und dankbar sangst du Frauenlieb und Leben
Und Ihn, der schattenlos die Welt umkreist.


VI. Eduard Mörike

Ein Schwabenkind, in traut umschränkter Enge
Am Quell der Heimatsagen ausgesprossen,
Von Goethes und der Griechen Hauch umflossen,
Steht deine Muse fern dem Weltgedränge.

Tiefsinnig auch durch die geheimsten Gänge
Der Menschenbrust wagt sie den Weg entschlossen,
Dann wieder übt sie ungebundne Possen
Schalkhaft im Schatten kühler Waldeshänge.

Dem Schiffer, der beschwert mit Warengütert
Vorbeizieht auf dem breiten Strom des Lebens,
Verhallt dein Lied, gleich dem Gesang der Grille.

Noch aber darbt die Welt nicht an Gemütern,
Die auch das Leise rührt, und nicht vergebens
Ward dir der Märchenzauber der Idylle.

 
VII. Emanuel Geibel

Zur Zeit, da laute Zwietracht der Parteien
Die Luft durchhallte Deutschland auf und nieder,
Kamst du mit einem Frühling süßer Lieder,
Vom Tageslärm die Seele zu befreien.

Dir ward, was seltne Sterne nur verleihen:
Dein Lied klang in der Frauen Herzen wieder,
Und strebend schwangst du höher dein Gefieder,
Im Männerkampf stets in den Vorderreihen.

Neidlos und treu den Jüngren zugewendet,
Der hohen Kunst ein priesterlicher Hüter,
Sahst du im Sturme knospen schon die Reiser.

Nun ward dein Ahnen wunderbar vollendet.
Die du geweissagt, unsre höchsten Güter,
Siehst du gewonnen: Freiheit, Reich und Kaiser.


VIII. Anette von Droste-Hülshoff


Ein Herz, so stark, das Schwerste zu verwinden,
So warm, um leicht in Flammen aufzugehn,
So tief, um ahnend Tiefstes zu verstehn,
So weich, um nur in Starrheit Halt zu finden;

Ein Geist, geschaffen, Geister zu ergründen,
Stolz, um Gemeines groß zu übersehn,
Demütig, wenn ein Lebenswerk geschehn
Und seine Spur verweht scheint von den winden;

Einsam erwachsen auf der Heimatflur,
Einsam trotz innig ernstem Liebessehnen,
Im Stillen sammelnd ewigen Gewinn;

Allein an Gott dich klammernd und Natur,
Zu Perlen reiften dir all deine Thränen;
So wardst du Deutschlands größte Dichterin.


IX. Gottfried Keller

Wie an der Regenwand, der nüchtern grauen,
Der Bogen funkelnd steht in freud’ger Helle,
So dürfen wir an deiner Farbenquelle
Im grauen Duft des Alltags uns erbauen.

Der Schönheit Blüt’ und Tod, das tiefste Grauen
Umklingelst du mit leiser Torenschelle
Und darfst getrost, ein Shakespeare der Novelle,
Dein Herb und Süß zu mischen dir getrauen.

Dem Höchsten ist das Albernste gesellt,
Dem schrillen Wehlaut ein phantastisch Lachen,
Um Heil’ges lodern Sinnenflammen schwüler.

So sehn wir staunend deine Wunderwelt.
Der Dichtung goldne Zeit scheint zu erwachen
Auf euren Ruf, unsterbliche Seldwyler.


X. Theodor Storm

So zartgefärbt wie junge Pfirsichblüten,
So duftig wie der Staub auf Falterschwingen,
Sahn wir dich sommerliche Gaben bringen,
Im stillen Herzen Märchenschätze hüten.

Doch als die Tage heiß und heißer glühten,
Du sie verlorst, der galt dein junges Singen,
Begann ein Ton aus deiner Brust zu dringen,
Wohl stark genug, dein Wehe zu vergüten.

Nicht Märchen mehr und Träume wie vor Zeiten,
Wach schilderst du des Lebens bunte Szenen
Im Panzer goldner Rücksichtslosigkeiten.

Und deine Falter zeigen sich von denen,
Die gern in Flammen sich ihr Grab bereiten,
In helle Glut gelockt von dunklem Sehnen.


XI. Hermann Kurz

Wohl hast du müssen so von hinnen eilen,
O Freund, mit tiefgeschlossenem Visier;
Doch wem du es gelüstest so wie mir,
Wie soll ihm je das Leid der Trennung heilen?

Und will ich jetzt mit diesen armen Zeilen
Das Bild umschreiben, das uns blieb von dir,
Erbebt die Hand, in schmerzlicher Begier,
Noch einmal warm in deiner zu verweilen.

Oft, wenn ich traulich neben dir geschritten,
Hat mich aus deinem Aug’ ein Strahl geblendet,
So hell, als hättst du Trübes nie erlitten.

Der Dichter war gelähmt, der Mensch vollendet,
Wann hat ein Kämpfer lachender gestritten!
Wann hat ein Starker Süßeres gespendet!


XII. Hermann Lingg

Von langer Seelenwandrung heimgekehrt
Drängt’s eine Dichterseele, zu berichten,
Was staunend sie erlebt an Weltgeschichten,
Vom Duft der Ferne sagenhaft verklärt.

Es schwirrt der Hunnenpfeil, das Gotenschwert;
Der Völker Aufblühn, Fallen und Vernichten
Zieht uns vorbei in hellen Traumgesichten,
Und die Gespenster scheinen lebenswert.

Doch tiefer noch bewegt mich dein Gesang,
Wenn du des Herzens ew’ge Weltgeschicke,
Die dunklen Kämpfe singst der Menschenbrust.

In dieser Zeiten überweisem Drang
Rührt mich dein Lied mit stillem Kindesblicke,
In Spiel und Tiefsinn göttlich unbewußt.


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Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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