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Fresko-Sonette (11)
#1
Fresko-Sonette
(an Christian Sethe)



I

Ich tanz’ nicht mit, ich räuchre nicht den Klötzen,
Die außen goldig sind, inwendig Sand;
Ich schlag’ nicht ein, reicht mir ein Bub’ die Hand,
Der heimlich mir den Namen will zerfetzen,

Ich beug’ mich nicht vor jenen hübschen Metzen,
Die schamlos prunken mit der eignen Schand’;
Ich zieh nicht mit, wenn sich der Pöbel spannt
Vor Siegeswogen seiner eitlen Götzen,

Ich weiß es wohl, die Eiche muß erliegen,
Derweil das Rohr am Bach durch schwankes Biegen
In Wind und Wetter stehn bleibt, nach wie vor.

Doch sprich, wie weit bringt’s wohl am End’ solch Rohr?
Welch Glück! Als ein Spazierstock dient’s dem Stutzer,
Als Kleiderklopfer dient’s dem Stiefelputzer.


II

Gib her die Larv’, ich will mich jetzt maskieren,
In einen Lumpenkerl, damit Halunken,
Die prächtig in Charaktermasken prunken,
Nicht wähnen, ich sei einer von der Ihren.

Gib her gemeine Worte und Manieren,
Ich zeige mich in Pöbelart versunken,
Verleugne all die schönen Geistesfunken,
Womit jetzt fade Schlingel kokettieren.

So tanz’ ich auf dem großen Maskenballe,
Umschwärmt von deutschen Rittern, Mönchen, Kön’gen.
Von Harlekin gegrüßt, erkannt von wen’gen.

Mit ihrem Holzschwert prügeln sie mich alle.
Das ist der Spaß. Denn wollt’ ich mich entmummen,
So müßte all das Galgenpack verstummen.


III

Ich lache ob den abgeschmackten Laffen,
Die mich anglotzen mit den Bocksgesichtern;
Ich lache ob den Füchsen, die so nüchtern
Und hämisch mich beschnüffeln und begaffen.

Ich lache ob den hochgelehrten Affen,
Die sich aufblähn zu stolzen Geistesrichtern;
Ich lache ob den feigen Bösewichtern,
Die mich bedrohn mit giftgetränkten Waffen.

Denn wenn des Glückes hübsche Siebensachen
Uns von des Schicksal Händen sind zerbrochen,
Und so zu unsern Füßen hingeschmissen;

Und wenn das Herz im Leibe ist zerrissen,
Zerrissen und zerschnitten und zerstochen, -
Dann bleibt uns doch das schöne gelle Lachen.


IV

Im Hirn spukt mir ein Mädchen wunderfein,
Und in dem Märchen klingt ein feines Lied,
Und in dem Liede lebt und webt und blüht
Ein wunderschönes zartes Mägdelein.

Und in dem Mägdelein wohnt ein Herzchen klein,
Doch in dem Herzchen keine Liebe glüht;
In dieses lieblos frostige Gemüt
Kam Hochmut nur und Übermut hinein.

Hörst du, wie mir im Kopf das Märchen klinget?
Und wie das Liedchen summet ernst und schaurig?
Und wie das Mägdlein kichert, leise, leise?

Ich fürchte nur, daß mir der Kopf zerspringet, -
Und ach! da wär’s doch gar entsetzlich traurig,
Käm’ der Verstand mir aus dem alten Gleise.


V

In stiller, wehmutweicher Abendstunde
Umklingen mich die längst verschollnen Lieder,
Und Tränen fließen von der Wange nieder,
Und Blut entquillt der alten Herzenswunde.

Und wie in eines Zauberspiegels Grunde
Seh’ ich das Bildnis meiner Liebsten wieder;
Sie sitzt am Arbeitstisch, im roten Mieder,
Und Stille herrscht in ihrer sel’gen Runde.

Da plötzlich springt sie auf vom Stuhl, und schneidet
Von ihrem Haupt die schönste aller Locken,
Und gibt sie mir, - vor Freud’ bin ich erschrocken.

Mephisto hat die Freude mir verleidet,
Er spann ein festes Seil von jenen Haaren,
Und schleift mich dran herum seit vielen Jahren.

 
VI

„Als ich vor einem Jahr dich wiederblickte,
Küssest du mich nicht in der Willkommstund’.“
So sprach ich, und der Liebsten roter Mund
Den schönsten Kuß auf meine Lippen drückte.

Und lächelnd süß ein Myrtenreis sie pflückte
Vom Myrtenstrauche, der am Fenster stund:
„Nimm hin und pflanz dies Reis in frischen Grund,
Und stell´ein Glas darauf“, sprach sie und nickte. –

Schon lang ist’s her. Es starb das Reis im Topf.
Sie selbst hab ich seit Jahren nicht gesehen;
Doch brennt der Kuß mir immernoch im Kopf.

Und aus der Ferne trieb’s mich jüngst zum Ort,
Wo Liebchen wohnt. Vorm Hause blieb ich stehn
Die ganze Nacht, ging erst am Morgen fort.


VII

Hüt dich, mein Freund, vor grimmen Teufelsfratzen,
Doch schlimmer sind die sanften Engelsfrätzchen;
Ein solches bot mir einst ein süßes Schmätzchen,
Doch wie ich kam, da fühlt’ ich scharfe Tatzen.

Hüt dich, mein Freund, vor schwarzen alten Katzen,
Doch schlimmer sind die weißen jungen Kätzchen;
Ein solches macht’ ich einst zu meinem Schätzchen,
Doch tät mein Schätzchen mir das Herz zerkratzen.

O süßes Frätzchen, wundersüßes Mädchen!
Wie konnte mich dein klares Äuglein täuschen?
Wie konnt’ dein Pfötchen mir das Herz zerfleischen?

O meines Kätzchens wunderzartes Pfötchen!
Könnt’ ich dich an die glühnden Lippen pressen,
Und könnt’ mein Herz verbluten unterdessen!


VIII

Wie nähm’ die Armut bald bei mir ein Ende,
Wüßt’ ich den Pinsel kunstgerecht zu führen
Und hübsch mit bunten Bildern zu verzieren
Der Kirchen und der Schlösser stolze Wände.

Wie flösse bald mir zu des Goldes Spende,
Wüßt’ ich auf Flöten, Geigen und Klavieren
So rührend und so fein zu musizieren,
Daß Herrn und Damen klatschen in die Hände.

Doch, ach! Mir aArmen lächelt Mammon nie;
Denn leider, leider! trieb ich dich alleine,
Brotloseste der Künste, Poesie!

Und ach! Wenn andre sich mit vollen Humpen
Zum Gotte trinken im Champagnerweine,
Dann muß ich dürsten, oder ich muß – pumpen.


IX

Die Welt war mir nur eine Marterkammer,
Wo man mich bei den Füßen aufgehangen
Und mich gezwickt den Leib mit glühnden Zangen
Und eingeklemmt in enger Eisenklammer.

Wild schrie ich auf vor namenlosem Jammer,
Blutströme mir aus Mund und Augen sprangen, -
Da gab ein Mägdlein, das vorbeigegangen,
Mir schnell den Gnadenstoß mit goldnem Hammer.

Neugierig sieht sie zu, wie mir im Krampfe
Die Glieder zuckten, wie im Todeskampfe
Die Zung’ aus blut’gem Munde hängt und lechzet.

Neugierig horcht sie, wie mein Herz noch ächzet,
Musik ist ihr mein letztes Todesröcheln,
Und spottend steht sie da mit kaltem Lächeln


X

Du sahst mich oft im Kampf mit jenen Schlingeln,
Geschminkten Katzen und bebrillten Pudeln,
Die mir den blanken Namen gern besudeln,
Und mich so gerne ins Verderben züngeln.

Du sahest oft, wie mich Pedanten hudeln,
Wie Schellenkappenträger mich umklingeln,
Wie gift’ge Schlangen um mein Herz sich ringeln;
Du sahst mein Blut aus tausend Wunden sprudeln.

Du aber standest fest gleich einem Turme;
Ein Leuchtturm war dein Kopf mir in dem Sturme,
Dein treues Herz war mir ein guter Hafen.

Wohl wogt um jenen Hafen wilde Brandung,
Nur wen’ge Schiff’ erringen dort die Landung,
Doch ist man dort, so kann man sicher schlafen.


XI

Ich möchte weinen, doch ich kann es nicht;
Ich möchte mich rüstig in die Höhe heben,
Doch kann ich´s nicht; am Boden muß ich kleben,
Umkrächzt, umzischt von eklem Wurmgezücht.

Ich möchte gern mein heitres Lebenslicht,
Mein schönes Lieb, allüberall umschweben,
In ihrem selig süßen Hauche leben, -
Doch kann ich’s nicht, mein krankes Herze bricht.

Aus dem gebrochnen Herzen fühl’ ich fließen
Mein heißes Blut, ich fühle mich ermatten,
Und vor den Augen wird’s mir trüb und trüber

Und heimlich schauernd sehn’ ich mich hinüber
Nach jenem Nebelreich, wo stille Schatten
Mit weichen Armen liebend mich umschließen.


.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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