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KKH
#2
Anläßlich einer Lesung ist mir dies gute Stück wieder in die Hände gefallen und ich denke das Thema hat Potential für mehr.

Ob es für einen ganzen Kranz reicht?
Ich fange einfach mal an:


01

Da öffnet sich die Tür: Der Nächste bitte!
und während sich der Nächste schon erhebt
studiert der Pfleger noch die Akten, klebt
fast am Papier, hört zögerliche Schritte

und unterstreicht mit beiläufigem Wink:
"Der Doktor kommt gleich - geh'n Sie in die vier."
Der Bufdi schiebt den Wagen mit Klistier
und Tüchern und verschwindet flink

im Fahrstuhl. - Der glänzt schon in Chrom, indes
sind Fußleisten und Handlauf wundgescheuert;
und eine Russin - früher fuhr sie Lok -

hat man zur Not als Putze angeheuert.
Sie müht sich täglich ab mit der Tristess:
Türkis und crreme die Flure, Stock für Stock

02

Türkis und creme die Flure, Stock für Stock,
Zwei Blähtonkübel: Farn und Aloe,
Toskana-Aquarelle im Foyer,
das Stifter-Halbportrait im Havelock

posiert im Eingang überlebensgroß.
Ein Shop für Süßigkeiten aller Arten,
für Blumengrüße und Genesungskarten;
Der Gang zur Rechten führt zu den Büros.

Die Schwingtür linker Hand auf die Station
mit Stuhlspalier, mit alten Magazinen
und buntem Pharma-Kalendarium.

Geduldig warten die Patienten schon
mit unbeteiligt-unnahbaren Minen,
hier nestelt jemand am Katheter rum.


03

Hier nestelt jemand am Katheter rum;
die Infusion, die Klingel, er verheddert
sich in den Schnüren und der Arzt zerfleddert
im Nebenzimmer ein Kompendium
zur Neureglung der Dokumentation
in der Verwaltung, im Beschaffungswesen.
Er hat den zweiten Absatz durchgelesen,
da klingelt irgendwo ein Telefon.

Er dreht sich um, sieht das Gewirr am Bett,
die Hand des Kerls fuhrwerkt wie ferngesteuert,
der Rest des Körpers starr wie angepflockt.

Der Teller Suppe neben dem Tablett
hat schon die Raumluft merklich angesäuert.
Der Arzt notiert etwas in seinen Block.


04

Der Arzt notiert etwas in seinen Block;
Als er das Blutbild mit dem Sollwert abgleicht,
kommt grad der Bufdi durch die Tür, verabreicht
froh die Arznei: "Nur einen wänzgen Schlock!"

und erntet ein gequältes Lächeln: "Danke."
Der Schnösel tut mit jedem gleich bekannt,
Der Arzt schaut über seinen Brillenrand,
beim nächsten Mal weist er ihn in die Schranken.

Da geht der Pieper: In der Notaufnahme
zwei Neuzugänge: Schulter ausgerenkt
der eine, tut noch cool und leidet stumm,

und dort der Schatten einer alten Dame
mit wiederholt gebrochnem Hüftgelenk.
Es riecht nach Angstschweiß - und Linoleum.


05

Es riecht nach Angstschweiß und Linoleum.
Die Tochter kommt schon zu Besuch; ihr Bengel
herausgeputzt zum blondgelockten Engel
druckst lange zwischen Tür und Angel rum.

Er fühlt sich flau rings um die Magenkuhle.
"Sag deiner Oma doch Hallo!" - "Hallo!"
"Und Gute Besserung!" Er sagt es so
wie man Gedichte aufsagt in der Schule.

Es ist nicht, was ihm auf der Zunge liegt.
Dort liegt: Ein harter Knebel - und der wiegt
schwer wie ein Tadel, dass der Atem stockt.

Hier dieses Lächeln, altersmild und gütig,
die Oma, leichenblass, scherzt übermütig;
Dort: starre Augen, noch wie unter Schock.

06

Dort: Starre Augen, noch wie unter Schock.
"Nein! - Schieben Sie mich nicht aufs Abstellgleis!"
Da liegt er wie 'n gefällter Baum. - "Ich weiß:
Sie wollen jetzt Gewissheit, doch ad hoc
kann ich nichts sagen. Ihre Symptomatik
ist sehr diffus. Wir machen nochmal ein,
zwei Tests mit Ihnen. Nun, - wir haben kein
Patentrezept und keine Automatik.

Sie werden eine Weile bei uns bleiben. -
Jetzt machen Sie sich nicht zu große Sorgen;
Das ist jetzt unser Job. Vielleicht schon morgen
ist ein Ergebnis für Sie da. Wir treiben
die Tester an. - Sie packen das hier schon!"
Die Schwester wechselt rasch die Infusion.

07

Die Schwester wechselt rasch die Infusion,
derweil der Arzt vom Globulin doziert;
"Sie haben Glück! Noch ist nicht viel passiert"
und er bemüht den seriösen Ton
als er die neue Diagnose stellt.
"Mit Ihrer Krankheit kann man hundert werden."
doch ihn verraten fahrige Gebärden,
- bis die Fassade ganz zusammenfällt.

"Der Wille muss schon sein. - Und Disziplin.
Gesundes Essen wird nun erste Pflicht!"
Doch auf Belehrung hat er gar kein Bock.

Ein Blick zur Infusion - Sie läuft noch nicht.
Die Schwester muss erneut die Nadel ziehn,
da spritzt noch etwas Blut auf ihren Rock.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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Nachrichten in diesem Thema
KKH - von ZaunköniG - 23.03.2013, 11:33
Im Krankenhaus - von ZaunköniG - 01.07.2014, 11:06
RE: Im Krankenhaus 01 - von Josef Riga - 18.02.2015, 10:56
Im Krankenhaus 08 - von ZaunköniG - 19.02.2015, 09:17
Im Krankenhaus 12 - 14 - von ZaunköniG - 09.04.2015, 08:37

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