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Norditalienische Reise-Sonette (5)
#1
Norditalienische Reise-Sonette

I. - Venezia

Auftauchen sie, die meerumrauschten Zinnen,
Zahllos, wie Zacken eines Riesenspeeres;
Die gold’ne Zauberstadt im Schhoß des Meeres,
Sie muß das sprödeste Gemüth gewinnen!

San Marco hält das süßberauschte Sinnen
Des Nachts im Banne seines Flammenheeres;
Leicht wird ein schweres Herz und voll ein leeres,
Und Jeden überkommt ein selig Minnen.

Hier bau’n mit Recht sich, froh des gold’nen Traumes,
Poet’sche Wandervögel ihre Nester,
Gleichwie im Schatten eines Wunderbaumes.

Bist nicht umsonst der Aphrodite Schwester,
Venezia, gleich ihr ein Kind des Schaumes:
Denn wer dir naht, den hältst du täglich fester!


II. - Die Lagunenbrücke

O Wunderbrücke, die in Meeresmitte
Des Dampfes Rosse donnernd überfliegen,
Bist du, gefügt von Götterhand, entstiegen
Dem Zauberreich der blauen Amphitrite?

Die Woge seufzt, als ob ungern sie litte,
Daß sich auf ihr die schweren Joche wiegen:
Ha, Stolze, mußtest du dich endlich schmiegen,
Und setzt ein Sieger dir aufs Haupt die Tritte?

Nicht die bezwangen dich, die dich erwählten
Zum Wohnsitz, trauend dir und ihrem Glücke,
Nicht jene Dogen, die sich dir vermählten,

Noch der den Marenslöwen hieb in Stücke:
Die Hände thaten’s erst, die ungezählten,
Die auf dich legten diese Riesenbrücke!


III. - Torcello

Du bist das liebste mir der Meereilande,
Die in Venedigs Golf ihr Haupt erheben,
Soviel der Woge mutterzärtlich Leben
Umheget mit saphirnem Liebesbande.

Trägt mich entlang an deinem Blütenstrande
Die Gondel, wo Granaten blüh’n und Reben,
Da dünk’ ich als ein Falter mir zu schweben
Auf einer Zauberblume goldnem Rande.

Du träumst so süß in blauer Wellenwiege,
Und ich in dir, wenn traulich, schmerzenthoben,
Mein Haupt ich unter deine Blumen schmiege.

Dein Blütentraum ist’s, dessen sel’ges Toben,
Indeß im hohen Gras ich sinnend liege,
Durch’s Herz mir weht, und klingend jauchzt nach oben.


IV. - Monte Berico in Vicenza

Vicenza!  Schönheitszauber, nicht zu sagen,
Durchwaltet deine Gassen, deine Räume;
Hier lockt michs wundersam, auf daß ich säume,
Ich holde Bande fühl’ ich mich geschlagen.

Wie edel rings die Prachtpaläste ragen,
Palladio’s steingeword’ne Griechenträume!
Olympisch heiter wandl’ ich.  Unter Bäume
Den Berg hinan fühl’ ich mich wie getragen.

Da glänzt die Perle nordital’scher Lande
Auf gold’ner Au, wo Grün und Blüten regnen,
Im Kranz der Höh’n mit dämmerblauem Rande.

Und wie im Ueberflusse mich zu segnen,
Muß von des Bachiglione grünem Strande
Mir noch die Rabenlockigste begegnen!


V. - Villa Giusti in Verona

Ich sah, Verona, dich von deinen Brücken,
Reizprangend, unter mir die Flut, die schnelle;
Doch herrlicher von dieser trauten Stelle,
Wo Rosen und Cypressen mich entzücken.

Schön bist du, doch du wolltest dich nicht schmücken
Blos mit Palästen, Grün und Stromeswelle:
Den Mauernkranz der Zinnen und Castelle
Wollt’st, ernste Jungfrau, dir aufs Haupt du drücken.

Das Sanmicheli Herrliches vollbringe,
Berührt’ ihn, als er ruht’ in tiefem Sinnen,
Der Römeraar mit seiner mächt’gen Schwinge:

Der, ob auch die Jahrhunderte verrinnen,
Auf der Arena steingethürmten Ringe
Noch sitzt, und nächtlich kreis’t um ihre Zinnen.



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Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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