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Waldhauser, Michael: Die Passionsgeschichte unsers Herrn (12)
#1
Michael Waldhauser
1775 - 1845


1. Vorbereitung

Geh' ein, mein Geist, in deine stille Kammer,
Vergiß auf Freude, Lust und Eitelkeit!
Dem Mitgefühle sei dein Herz geweiht,
Dem Mitleid mit der Menschheit tiefem Jammer.

Die Thorheit macht den Willen unlenksamer
Das Fleisch hat ewig mit dem Geiste Streit.
Des Menschen Loos ist die Vergänglichkeit!
Für Jeden schlägt des Todes schwerer Hammer.

Was darf ich von der Erde Gutes hoffen?
Der Kreuztod hat den Heiligsten getroffen!
Die Unschuld ward im Tode noch verhöhnt!

Wer sollte nicht, ein Mensch zu seyn, erröthen,
Wenn Menschen ihren Wahrheitslehrer tödten,
Wenn ihres Heilands Blut die Sünder nur versöhnt?


II. Christus kämpft mit sich selbst am Oelberg.

Betrübt bis in den Tod ist meine Seele!
O wachet, bleibet diese Nacht bei mir!
Hilf, Vater, hilf mir, ich vertraue dir!
Hilf, daß ich deinen Willen nicht verhehle.

Wie schmerzlich ist das Loos, das ich erwähle!
Das Fleisch ist schwach und ich vergehe schier.
Nimm, Vater, diesen bittern Kelch von mir!
Doch nein! du willst. So netz' er meine Kehle!

Wacht auf, denn der Verräther ist nicht ferne!
Ich folge dir, mein Vater, schwer, doch gerne;
Gescchehen soll mir, was dir wohlgefällt.

Was Allen frommt, soll Jeder gern vollbringen.
Laß, Vater, mir die größte That gelingen;
Mein Blut versöhne die entzweite Welt.


3. Christus wird am Oelberge gefangen genommen.

Ihr kommt mit Schwertern, Lanzen, Prügeln, Stangen,
Als sänne ich auf eitel Blut und Mord.
Wie oft vernahmt im Tempel ihr mein Wort?
Warum habt ihr mich damals nicht gefangen?

Doch thut, wie eure Fürsten es verlangen,
Nur lasset jedes Schwert an seinem Ort!
Laßt diese gehn! Nehmt mich, und führt mich fort!
Ich trage jenen Kuß auf meinen Wangen!

Was die Propheten einst den Vätern sangen,
Muß die Bewährung in der Zeit empfangen.
Warum? das ist, o Vater, dir bekannt.

Die Mutter kann des Säuglings nicht vergessen.
Auch mir hast du die Laufbahn abgemessen;
Auch mich lenkt deine unsichtbare Hand.


4. Die Verurtheilung Christi im Rathe der hohen Priester.

Was sitzen die Gelehrten dort beisammen?
Was prüfet, was beschließt ihr hoher Rath?
Gilts eine große, schöne, edle That?
Was setzt die kalten Herzen so in Flammen?

Ein Gottmensch sprach zum Volk in Gottes Namen:
Gott ist die Liebe! Wer gesündigt hat,
Dem sei vergeben! Seht! der Herr ist satt
Der Opfer, die in ihrem Blute schwammen.

Er liebt nicht Kindethränen, Kinderschmerzen.
Er liebet frohe und zufried'ne Herzen;
Er liebt als Vater euch, der gute Gott!

Wollt ihr ihm opfern? - Heiligt eure Triebe!
Wollt ihr ihn ehren? - Ehret ihn durch Liebe. -
Sie rathen, - und beschließen seinen Tod!


5. Christus wird gegeißelt

Was wollt ihr mit den wilden Geißelstreichen?
Log euch denn dieses heilige Gesicht,
Aus welchem nichts als Menschenliebe spricht?
Kann euch sein stilles Dulden nicht erweichen?

O Menschen, Menschen, wär' er euers Gleichen,
Er duldete mit dieser Ruhe nicht;
Er schwiege nicht vor euerm Blutgericht.
Verblendete! sind das der Bosheit Zeichen?

O wäret ihr, wie er, voll zarter Schonung!
Wär' euer Herz der Menschenliebe Wohnung,
Ihr würdet schaudern vor der schwarzen That.

Jerusalem, Jerusalem! um Rache
Schreit zu dem Himmel des Gerechten Sache,
Der für sein Heil geweint, gerungen hat! -


6. Christus wird mit Dornen gekrönet

Was seh' ich auf des Menschensohnes Haupte?
Ist es ein strahlend Herrscherdiadem?
Wem gilt des Pöbels Hohngelächter? Wem?
Ist das ein Bösewicht, der Kronen raubte?

Weil er dem Menschen Mensch zu sein erlaubte,
Verhöhnt den Göttlichen Jerusalem.
Dem Volke dünkt das alte Joch bequem.
Es mordet ihn, weil es sein Wort nicht glaubte.

"Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Dort oben
Beim Vater ist mein Erbtheil aufgehoben.
Hier unten ist der Tod der Wahrheit Lohn.

Laßt mich die Dornenkrone schweigend tragen,
Bald werden sie mich auch an's Kreuzholz schlagen,
Dann steig' ich auf zu meines Vaters Thron."


7. Das Menschenleben ist nicht ohne Dornen.

Nicht ohne Dornen ist das Menschenleben.
Die Mißgunst öffnet hämisch diesen Mund,
Und sticht das reine Herz der Unschuld wund.
Die Unschuld kann nur weinen und vergeben.

Zum Himmel mußt du, Mensch, den Blick erheben;
Das Glück wohnt nicht auf diesem Erdenrund.
Nicht ohne Schmerz gibt sich die Wahrheit kund:
Ein Dornenpfad ist dieses Erdenleben.

Der Schwache fällt und weint, und fällt aufs Neue.
Den Bösewicht quält späte Scham und Reue.
Die Unschuld schützt uns nicht vor Henkerrshand.

Wir büssen eigene und fremde Schulden,
Und unsre Kunst ist schweigen, lieben, dulden.
Dort oben wnkt das bessre Vaterland. -


8. Jesus Kreuzestod

Verhülle dich, erhab'ne Lebenssonne!
Erlisch auf ewig, goldnes Sternenlicht!
Jerusalem kennt seinen Heiland nicht.
Es kreuziget des Himmels höchste Wonne.

Der Liebe brachte von des Vaters Throne,
Und Friede, Eintracht, Klarheit, wahres Licht:
Der stirbt als Sünder dort am Hochgericht!
Dem Recht und der Gerechtigkeit zum Hohne!

Und doch blüht Heil dem sündigen Geschlechte
Aus der Verletzung heil'ger Menschenrechte!
Des Himmels ewige Erbarmung siegt.

Was in sich wahr und gut ist, kann nicht sterben,
Und alle kommenden Geschlechter erben
Das Heil, das hier in Wort und Beispiel liegt.


9. Es ist vollbracht

Es ist vollbracht! Das Menschliche verschwindet.
Es stirbt, was aus dem Weib geboren ist.
Vom Vater kommt, zum Vater kehrt der Christ.
Es ist vollbracht! Der Gottmensch überwindet.

Seht, wie sein letztes Wort noch Liebe kündet!
So stirbt nicht Bosheit, nicht Betrug und List.
O Vater, der du Geist und Liebe bist,
Vergib den Kindern, die ein Wahn erblindet!

Wer so im Todesschmerz zum Vater betet,
Der ist's, der nicht nur seine Seele rettet,
Der rettet, adelt, heiligt sein Geschlecht.

Wer wollte sich, ein Christ zu sein, noch schämen?
Wer wollte nicht mit Freuden Antheil nehmen
An seinem Gottesreich für Wahrheit, Tugend, Recht?


10. Die Auferstehung

Empor, empor aus schweren Todesbanden!
Der Heiland, der Erlöser ist erstanden!
Weg ist das Siegel, weggewälzt der Stein,
Die fremde Wache selbst muß Zeuge seyn.

So ward die List der Heuchlerbrut zu Schanden.
Des Geistes Hülle ist nicht mehr vorhanden.
Der Geist zog in das modernde Gebein
Belebend und verklärend wieder ein.

Der Vater lenket ewig die Geschicke.
Er ruft den Mittler in sein Reich zurücke.
und dafür sendet er aus seinem Vaterhaus

Den Geist in alle seine Welten aus,
Den Geist, der in der Musenkünste Spiel
Noch immer wehet, wo er wehen will.


11. Der Heiland und sein Reich

Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.
Ich bin der Weinstock, und ihr seid die Reben.
Ich bin im Vater, und er ist in mir.
Er thront im Himmel, und er wohnt auch hier.

Durch Bildung uns zum Bildner zu erheben,
Hat er die Welt zum Erbe uns gegeben.
Das ist das große Ziel, zu welchem wir
Von ihm berufen sind, wie ich, so ihr!

Wer an mich glaubt, mir nachfolgt hier auf Erden,
Wird durch die Tugend ein Kind Gottes werden,
Es wird dem Geiste nach dem Vater gleich.

Wenn alle Geister sich in Gott vereinen,
Wird alle Wahrheit ihnen klar erscheinen,
Und diese erde wird zum Himmelreich.


12. Religion

Religion, du bist kein leerer Wahn,
Womit man Völker äffen, gängeln kann.
Du bist kein leeres thatenloses Wissen,
Bist nicht der Frömmler weiches Polsterkissen.

Religion, du bist die sichre Bahn
Für jeden Pilger, welcher himmelan
Wallt. Deinen Trost, dein Licht kann Niemand missen,
Der lebet, seines wahren Heils beflissen.

Du bist der Völker tröstende Belehrung.
Du bist der Menschheit sittliche Verklärung.
Du hebst den Menschengeist zu Gott empor.

Ja, du verwandelst Irrende und Sünder
Durch Besserung in fromme Gotteskinder,
Und führst sie in der Auserwählten Chor.


.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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