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Die Rose (6)
#1
Die Rose

I.


Mir war, als wär' ich lange schon entschlafen.
Das kalte Grab hielt meinen Staub gefangen.
Er trug, so hört' ich sagen, ein Verlangen
Nach Amor's Pfeilen, so das Herz ihm trafen.

Zur Lilie Emma war ich heimgegangen,
Zur Himmelsruhe in des Friedens Hafen.
Des Lebens mich für Sie nur zu entsklaven,
Zu Ihr hinüber all die Seufzer drangen.

Hier finden ihre Ruh' an keinem Orte,
Die nach der Liebe heil'gem Urquell streben.
Der Tod nur lehrt ihr wahres Heimland kennen.

So naht' ich sehnsuchtsvoll der finstern Pforte.
Fragt nicht, warum? Dieß süße Schauerbeben,
Wie könnt' ich's würdig euch und richtig nennen?


II.

Wie lange Zeit ich so gelegen habe,
Ich weiß es nicht. Da klopft am Sarg ein Finger.
"Wach' auf, wach' auf, mein ehrenfester Jünger,
"Ich bringe Dir ja eine frische Gabe.

"Dir bring' ich sie, du schmerzbeladner Ringer,
"Daß sich dein liebetodtes Herz erlabe!"
Die Stimme kenn' ich. Guter Herzbezwinger,
Du Glücklicher, du hier an meinem Grabe?

Ach, bester Amor, wie, ich kann noch lieben,
Da Emma todt und Ihr mein Herz geblieben,
Mit Ihr verschlossen ruhet und begraben?

Du magst wohl schöne Mädchen viele haben,
Du magst davon die Schönste mir bestimmen,
Doch ohne Herz, wo soll dein Feuer glimmen?


III.

Und langsam ließ den Deckel Amor sinken,
Sah mitleidsvoll mich an, und flog von hinnen.
O arger Trug! So wollt' es mir bedünken,
Sein Mitleid schien mir neuen Schmerz zu sinnen.

Da pochet auch der Lebensengel innen.
Ob ich ihm öffne? Wird er wieder winken
Mit Freuden mir und goldne Fäden spinnen?
Wie, soll ich mehr vom ecklen Wehrmuth trinken?

So komm' denn, Leben, mit dem neuen Loose,
Sei golden nun dein Wurf, sei er von Erz.
Komm' Phöbus, hauche mir glutvolle Triebe.

Und du auch, Amor, schöner Gott der Liebe:
Du brachtest aus dem Grabe mir mein Herz,
Du sprachst: Sei Eins mit Ihr, mit Ihr, der Rose.


IV.
Oktober 1832

Ich stand umhüllt von trübem Schicksalschleier,
Durch den ein Lichtpunkt sich nur selten stahl.
Mir, Freundin, Schutz und Hort, mein Ideal,
In Noth und Tod mir Retter war die Leier.

So kam ich fremd in ein elysisch Thal.
Ach, da erschauet' ich im Purpurfeuer
Die schöne Königin der Blumen all.
Es schmilzt die Brust und athmet leicht und freier.

Die Rose aber in liebholder Schöne,
Sie wandt' ihr Haupt und nickte freundlich mir.
Du, süße Rose, nahmest mir die Thräne.

Zieht mich auch wieder das Geschick von Dir,
Verwandte Seelen werden stets sich finden.
Du kannst, doch nie dein Bild kann mir entschwinden.


V.
December 1832

So weilt, so sagte mir das Herz, dein Bild
Nicht mehr im Reich der Blumenkönigin.
Die Sehnsucht wird im Hoffnungsmai verblüh'n,
Die hold und klar dein ganzes Wesen fühlt.

Die Rose sah ich wunderbar erglüh'n.
Noch lächelte das Auge mr so mild,
Dem Munde noch der Liebe Laut entquillt,
Und reißt die Herzen alle mächtig hin.

Warf mir nicht hell das Schicksal seine Loose?
Am Liebesabgrund schwankend schlägt in Flammen
Nun kühn empor die tiefgefühlte Neigung.

Und mit des Herzens innerster Verzweigung,
Das sich verblutet an dem Stich der Rose,
Wächst mehr und mehr ihr holdes Bild zusammen.


VI.

Fest wurzelt nun die müde Rebe wieder,
Getränkt vom Blut der Rose. Fromm und leise,
Wie es geziemt dem schwachen, wanken Reise,
Hebt sie das Haupt und regt die neuen Glieder.

Und auf die Rose thaut sie ihre Lieder
Des morgens früh in lieberfüllter Weise,
Und Abends mit der Sehnsucht stillem Fleiße.
Die Töne tauchen spielend auf und nieder.

So eins mit Ihr, Eins mit der schönsten Rose,
Mit ihren Wünschen, Hoffen, ihrem Loose,
Was könnt' ich fürchten für die Folgezeiten?

Wenn Glück und Liebe um das Leben breiten
Ihr reizdurchwirktes, strahlendes Panier,
Ach, Lina, süße Rose, zittern wir?


.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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