Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Unter Thränenweiden (5)
#1
Unter Thränenweiden
zum Andenken meines im März verstorbenen Kindes Sophie
gedichtet in den Maitagen 1834


1.

Du kamest, Lenz, von Horen tanzumflogen
Ein Freudenbote himmlischer Gefilde,
Bekränzt mit deiner Blumen Goldgebilde,
Begrüßt vom Schall entjauchzter Sangeswogen!

Sieh, neues Grün hat Strauch und Baum umzohen.
Vor deines ersten Veilchens Milde
Entfloh des Winters Zorn, der eisigwilde.
Ein blau Krystall erblinkt des Himmels Bogen.

Von deinem Kuß seh’ ich die Rosen glühen,
Von deinem Hauch die Auen magisch blühen,
Von deinem Blick ersteh’n ein Zauberlicht.

Rings lacht der Wonne Paradies entgegen.
Hoch hüpft, Natur, dein Herz in Freudeschlägen.
Und dennoch, Vaterschmerz, du schweigest nicht!


2.

Ein schön’rer Mai starb Sie noch vor dem Maien,
Die uns mit ihrer Liebe Lenz entzückte.
Ach, nimmer kann die Au, die goldgestickte,
Sie schauen, mir zu süßerem Erfreuen!

Nur auf das Grab kann ich ihr Blumen streuen,
Von Thränen naß, die mir der Schmerz entdrückte,
Ach, auf ihr Grab, das düstre, unbeglückte
Mit diesem Todtenkranz, dem freudescheuen!

Es bebt, ihn niederlegend, mir die Hand.
Ein Wunderröschen, ach, das liebste mir
In meinem Lebenskranze, schlummert hier!

Was ich, ihr Mitgespiel auf Blumenauen,
Einst schöner ihrem Lockengolde wand:
Des Lenzes Lust wird hier zu Todesgrauen!


3.

Schon außen schön, wie schöner malt sich drinnen
Des Himmels wahrer Reiz in allem Prangen!
Dein Bild, von Schönheit überreich behangen,
Ließ deines Herzens Goldabglanz gewinnen.

Dein sanftes Auge, das im Ueberrinnen
Mitleidend perlte fremdem Seelenbangen,
Der Freude Lächelgrübchen auf den Wangen
Quoll tiefer im Gemüthe sanft dir innen.

O heil’ge Unschuld, schönste Zier des Himmels,
Wo find ich ganz und wo so schön dich wieder?
Denn aus dem Flor des blumigen Gewimmels

Sank Sie des Lenzes schönste Knospe nieder,
Gepflegt von Engelshand und ihrer werth,
Und auch von jedem Gifthauch unversehrt!


4.

Wer hielt das schmerzzerrißne Aelternpaar
So mit der Andacht heil’gem Band umschlungen,
In unsrer Mitte knieend hingerungen
Vor Gottes stillverehrtem Hausaltar?

Wer betet jetzt mit uns so fromm und wahr,
So gottbelebt mit hohen Seraphzungen,
So tief nur für des Himmels Wort durchdrungen,
Ein Kind, in allem Thun so wunderbar?

Ein Engel nur kann so die Hände falten,
Ein Engel nur mit dieser Miene flehen,
Daß jedes Herz voll heil’ger Flammen glühe.

So will die Perle sich schon früh gestalten,
Daß sie, ein Heiligthum in Gottes Nähen,
Der Zier geheimnißvollen Schimmer sprühe!


5.

Ja, weine, Mutter, heiß von Schmerz durchglüht!
Nur selten wird in allem Reiz der Horen
Solch himmlisch Perlenkind zur Welt geboren,
Von Blumen jeder Tugend zart umblüht.

Doch bann’ den Schmerz aus Augen und Gemüth!
Sophie, die theure, ging dir nicht verloren.
Voraus nur ging sie, früher auserkoren,
Wohin das bess’re Loos des Lebens zieht.

Hinschwindende im Morgen der Gefühle
Sind wohl die Überglücklichsten gewesen,
Bewahrt vor Mittagshitz’ und Abendkühle.

Und daß in deine Heimath du gekommen,
Konnt’ ich, o Kind, in deinen Zügen lesen:
Hier blüht er nicht, der stille Hain der Frommen!



.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste
Forenfarbe auswählen: