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Nebelhaus
#1
Rudolf Borchardt
1877 - 1945


NEBELHAUS

I

Ich stieg auf Stufen zwischen Traum und Traum.
Sie hingen links und rechts an meiner Hand
Und blieben neben mir, wo ich still stand
Und Atem holte: denn ich lebte kaum.
Vor ihren Augen war ein Nebelflaum —
Spinnwobner Duft, entsetzenvolles Band —
Und Wand auf Wand vor ihren Händen schwand,
Vor ihren blinden Augen Raum auf Raum:

Im Schwung der Türen standen ich und sie
Vor einem Saal, der weit war wie ein Land,
Leer wie der Tod, und wie der Himmel hoch:
Am Boden lag zerrissen ein Gewand.
Auf einem Bette saß Melancholie.
Die Winde sangen und der Nebel flog.



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Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#2
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II

Ich sprach: „Du schläfst. Dein Blick ist starr und weit;
Dein Haar, so schön es sei, ist wirr und schwer.
Dein wundervoller Leib ist odemleer.
Geh fort; steh auf; erwache; nimm dein Kleid."
Sie schwieg; doch war ihr Mund vor Bitterkeit
So grauenhaft zu sehn, daß ich nichts mehr
Zu sprechen wagte, wie ich sprach vorher
Und also bleich dastand endlose Zeit.

Dann sprach ich einen süßen Namen aus —
Wie Kuß und Tränen lauteten die Laute —
Das Weib saß eisern und sah bodenwärts
Und lallte schlafend Gram und dumpfen Graus;
Indes ich stumm in ihre Augen schaute,
Vor Wut und Unglück schauderte mein Herz.


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Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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