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Die Marquise von O...
#1
Da ich gerade an einer Arbeit über zwei Kleist-Erzählungen sitze, dachte ich, dem prosaischen Texten mit etwas Lyrik Abwechslung verschaffen zu können:

Die Marquise von O...

Beim Vater lebte eingezogen
eine Witwe: die Marquise.
"Nie mehr wieder!" die Devise,
der sich die Frau hat unterschoben.

Ein jeder Mensch, der musste loben
wie die Frau nicht unpräzise
jeden Frevel von sich wiese.
Und dennoch wurde sie betrogen.

Ein Engel küsste sie im Schlaf.
Ein Toter bat um ihre Hand.
Ein Teufel wurde ihr Gemahl.

Doch als sie dieses Unglück traf,
das sie an diesen Unmensch band,
da nahm sie wieder erste Wahl.
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#2
Hallo Pumukel,

Ich habe den Roman nicht gelesen, daher kann ich zum Inhalt eigentlich nichts sagen.
Vom Sprachduktus läuft es nicht ganz rund. Du machst es dir auch unnötig schwer mit den kurzen Zeilen. mit einem klassischen 5-Heber bist du viel flexibler was den Satzbau betrifft.

Von wem wurde die O. denn betrogen? ich denke sie ist nicht verlassen sondern verwittwet?
und was war die erste Wahl? und was heißt "gebunden" wenn sie noch eine Wahl hat?

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#3
Lieber ZaunköniG

Um eine präzisere Beschreibung der Unrundlichkeit des Sprachduktus wäre ich dankbar. Mit der Kürze meiner Verse hat du natürlich recht. Es handelt sich dabei wohl auch um eine Festgefahrenheit aus meiner vor-sonettischen Zeit, an deren Auflockerung ich natürlich arbeiten sollte.

Deine inhaltlichen Fragen werde ich gerne beantworten, sofern es dir nichts ausmacht, Kleists Erzählung über meine Worte kennenzulernen.
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#4
Nun die Unrundlichkeit im Detail:

Du beginnst die Zeilen mal betont und mal unbetont.

Das "eingezogen" ist für den Satz völlig unnötig, denn wie sonst sollte sie dort leben? Du brauchst es offenbar nur für den Reim, den du dann doch nicht einlöst.

"Marquise" würde ich in diesem Fall ohne "e" sprechen, das andere wäre ein Sonnenschutz. In der dritten Zeile fehlt ein Hilfsverb "ist", "war". Durch die Konstruktion mit Doppelpunkt wirkt der Satz ziemlich zerstückelt.

"unterschoben" finde ich nicht ganz passend. Einer Devise unterstellt oder unterzieht man sich vielleicht. "unterschieben" hat etwas verheimlichendes. Überhaupt ist der Zweite Satzteil unnötig für den Text. Zudem gehört das Hilfswerb "hat" ans Satzende.

In Zeile 5 ist der Artikel zu viel, besser wäre ein zweisilbiges Wort statt dem "Mensch". Vielleicht "Bürger".

"wiese" ist ein Konjunktiv. Der passt an dieser stelle gar nicht.

In der Schlußzeile fehlt dann wieder der Artikel.


LG Zaunkönig
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#5
Lieber ZaunköniG

Danke für die detaillierte Rückmeldung, ich musste sie damals übersehen haben.

Ich habe nun eine neue Version angefertigt mit dem vollsten Bewusstsein, das dies nur ein Übergangsstadium sein kann. Ich habe nämlich gemerkt, dass, wenn man sich schon die Mühe gibt, das zackig von der Hand Geschriebene in zeitlicher Distanz neu auszulegen, es nicht mehr so schmerzhaft erscheint, die Verse länger zu machen. Längere Verse wären also definitiv das Ziel für eine dritte Version. Bis dahin will ich gerne die zweite der Kritik zugänglich machen, für die ich dankbar einige deiner Anmerkungen verwertet habe. Am eingezogen jedoch (der Reim wird in V8 eingelöst) will ich festhalten, weil es bezüglich Kleists Erzählung Der Zweikampf einen intertextuellen Wert hat. Die Aussprache von Marquise ist tatsächlich streitbar, ich vermute aber, dass dessen verdeutschte Version sich durchaus mit Devise etc. reimen kann.

Grüsse, pumukel

Marquise von O... (Version 2)

Einst, da lebte eingezogen
eine Witwe: die Marquise.
"Nie mehr wieder!" als Devise
hat die Frau sich hochgehoben.

Jeder Bürger musste loben:
Sie entwich nicht unpräzise
jedem Frevel bis zur Krise –
schliesslich wurde sie betrogen.

Ein Engel küsste sie im Schlaf.
Ein Toter bat um ihre Hand.
Ein Teufel wurde ihr Gemahl.

Doch als sie dieses Unglück traf,
das sie an diesen Unmensch band,
da reüssierte ihre Wahl.
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#6
Hallo Pumukel,

Ich bin kein Kleist-Kenner. Nimmt "Der Zweikampf" Bezug auf die Marquise von O?
Der Begriff "eingezogen" ist für sich genommen jedenfalls nicht so aussagekräftig, dass sich für den Leser ein intertextueller Bezug von selbst ergibt.

Für Zeile 4 hätte ich den Vorschlag:

hat die Frau für sich erhoben

Ansonsten bin ich gespannt auf Deine Langfassung.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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