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Der heilige Kreis (30)
#1
.


Der heilige Kreis


I.

Du nahmst den Dingen ihre treuliche Gestalten,
Die sie so lang mir, kaum verwandelt, aufbewahrten.
Was war der kleine Wendeschritt denn aus dem Garten
Der Kindheit fort, gegen die trennenden Gewalten,

Die jetzt mit unbeirrbar jähem Griff die alten,
In früh begrenzter Ewigkeit schon fast erstarrten
Gebilde fassen, die des holden Rufs nur harrten,
Sich frei, nach neuem Ebenbilde zu entfalten!

Denn staunend finde ich, wie du mir Ihn entrückst,
Der sich in jeglicher Erscheinung Grund gespiegelt,
Dort in des alten Kreises überschrittner Ruh.

O Schöpfer, der mir meine zweite Welt entsiegelt!
Heilige Gottesuntreu hat uns tief verstrickt,
Denn Maß und Anlaß alles Werdens wurdest du.


II.

Geliebtes Maß! Was mir geschieht, beschwört die Stunde,
Da aus der Mitte deines Blickes groß dein Leben
Befahl, ich solle mich dir zu erkennen geben,
Und zwischen uns die Lust erschien mit dir im Bunde,

Da sie mich unabweisbar zog zu deinem Munde;
Doch stand ich zögernd noch in innerstem Erbeben,
Es sollt dein Herz mich bis zu deinen Lippen heben
Und nicht dein starker Arm. Ich gab mich deinem Grunde.

Und seither meß ich, was mir wird: ob es so schön,
so ernst, so unausweichlich stehe über allen
Begegnungen wie dies Gefühl aus höchstem Stamme.

Und diamantne Strenge scheidet leer Getön
Vom Hochgesang. Denn alles muß versinken, fallen,
Wie sengend hingeopfert unsrer hoher Flamme.


III.

Und Anlaß: siehe, meine Hände übernehmen
Aus der bewegten Adern flüsterndem Gefälle
Die reine Botschaft von der neu durchpulsten Quelle
Des Herzens, der sich alle Dinge anbequemen.

Und alles drängt sich, meinem Reichtum zu entnehmen
Sein Allerzärtlichstes. Ich steh in einer Welle
Des Lichts, aus dir empfangend, weitergehend Helle
Von einem Glanz, die heiligen Sterne zu beschämen.

Nie blickten mich die Dinge so vertrauend an,
So tief im Wissen, daß die Kraft, mir abgezogen,
Mich nicht beraube, weil sie innig sich erneut;

Daß sich der Dank der Guten, die ich so betreut,
Zu dir hinheb wie Erntedank an Sonnewogen:
Denn, was ich immer tu, es ist aus dir getan!


IV.

Und dir getan: dies wilde Wünschen hat ein Ende,
Daß meiner du bedürfst. Und muß ein Wünschen bleiben!
Was könnte je dich meiner Schwäche so verschreiben
Wie deine Macht mich dir verschrieb, was deine Hände

Auftun für mich, damit ich mich in sie verschwende,
Als könnt ich ohne Grenzen durch sie einverleiben
Dir meine Seele. Sieh, all meine Stimmen treiben
Gebieterisch mich fortzugeben, daß ich mich vollende!

Doch brauchst du meine Kraft? Du bist der Baum, der raget
Über den zarteren, des unvollkommne Blüte
Von dir veredelt ward zu lichterfülltem Triebe.

Und aus dem kargen Zweige ward der Zweig, der traget.
So geh ich durch den hellen Tag und blühe Güte
Und heilige. Und tu dich aller Welt zu liebe.


V.

Wie du mich nanntest, hast du mich zum ersten Male
Berührt. O sieh, ich bin so sehr in meinem Namen
Enthalten wie ein Bild in seinem treuen Rahmen
Und deiner Stimme Laute rührten an die schmale

Umfriedung meines ichs mit tastendem Vokale,
Der an mich schlug. Des Herzgehöres Pforten nahmen
Das Wort erschauernd auf. Aus seinem Klange kamen
Bekenntnisse. Und wuchsen zum Erkenntnisstrahle.

Ich prüfe mich in dieser Stunde der Bewährung:
Bin ich des Schalles Widerhall, daß sie sich lohne,
Die Frage nach dem Laute meines Lautes; fand

Sich Antwort, ob ich ganz in meinem Namen wohne?
Doch all mein Ungewisses strahlte in Verklärung,
Denn sieh: mich nennend hast du mich zu mir ernannt!


VI.

Nun bin ich, und zerfalle nicht, ob auch die Grenzen
Gesunken vom getrennten All, das ich durchdringe.
Ich ward berufen und ich trat aus meinem Ringe
Hin in die Weite und vermag des Tages Glänzen

Pft kaum vom eignen Glanz zu scheiden. So ergänzen
Sich beide und verschmelzen. Siehe, ich erklinge
In jedem Klang und schwinge hin mit jeder Schwinge.
Mein Herztakt taumelt zärtlich hin in trunknen Tänzen.

So mag wohl einst der Tod dem Dunkel mich vermählen,
Wie jetzt dem Tage mich die die Liebe übergibt,
Denn aus dem Mittag schöpft ihr Maß die Mitternacht!

Mein Tod wird gellend kommen, wenn sie ihn entfacht,
Die maßlos ist; denn sie erkennt ein einzig Fehlen:
Den Atemzug, mit dem sie nicht genug geliebt.


VII.

Ich habe dich für mich dem Raume abgerungen,
Denn unabläsig warf ich meine wilde Frage
Hinaus ins Leere der noch unerfüllten Tage,
Bis golden du als ihre Antwort mir erklungen.

Der Raum war grauer Ton. Daß endlich ihm entsprungen
Dein Bildnis, ist mein Werk. Die große Sehnsuchtsklage
Des Herzens pochte, meißelte mit jedem Schlage
So lang, bis sie ihm Umriß und Gestalt entrungen.

Mein Traumgetreuer, den mit allen Kräften still
Ich immer rief! Ich liebe dich, nicht weil du neu
Mir wärest, sondern weil du in mir wurzelalt.

Wie ich dich liebe, liebte einst das Kind den Wald,
Vertrautestes, in das es immer eingehn will:
Mein Freund: eh ich dich kannte, war ich dir schon treu.


VIII.

Du bist an Jahren mir voraus um ein paar Schritte,
Doch in der Ewigkeit sind dies nur Atemzüge.
Wir sind gereiht, als ob uns eine Hand anschlüge
Wie ein Arpeggio: dich im Anfang, mich zur Mitte.

Daß dieses Nacheinander zu einander glitte,
Besorgte Gott. Und daß es sich melodisch füge,
Vrhalfen Engel. Sie, sie wollten, daß uns trüge
Der nämliche Akkord. Gott hörte ihre Bitte.

So schmiedetest die Welt du eine Spanne Zeit
Geschmeidig schon für mich und leuchtetest sie aus,
Da du schon wachtest, als ich noch in tiefem Traum.

Als ich die Augen auftat, war sie mir bereit,
Denn deine Helle wohnte schon in ihrem Raum.
Da wußte ich: Ich bin daheim. Dies ist mein Haus.


IX.

O Freund, heut vsah ich zwei hingehn, wie du und ich
Sonst durch den Abend wandeln, Arm in Arm verschlungen,
Und Seel von Seele fühlt ich inniglich durchdrungen,
So wie ihr Schattendoppelbild geschwisterlich

Zu eins verschmolz. Zwei Fremde haben dich und mich
Beraubt um unser Heimlichstes, das wir errungen
Wie eine Krone, wie ein Lied, das nie gesungen
Als erstes fiel von unsern Lippen, feierlich.

Kann denn ein andres Lieben sein neben dem einen?
ist dch auch eine Sonne nur, die groß den Sphären
ihr Leben leiht und glühend pulst in Weltgetrieben.

Ich bete, Gott, daß alle Menschen Brüder wären!
Doch mindest dieses laß mein wildes Herz vermeinen:
Die uns erfüllt, sie ist die liebendste der Lieben!


X.

Denn ob es mich auch treibt, ein fremdes Leid zu heilen
Wie eine Schwester und von meinem Brot zu reichen
Den Armen, sieh, ich will, daß unter einem Zeichen,
Das unantastbar ist, solang wir hier verweilen,

Die Liebe stehe, unberührt und nicht zu teilen
Mit anderen. Und keiner Regung zu vergleichen
Von jenen, welche lieben, ohne zu erreichen
Was uns erhöht. Laß ihrer Nähe uns enteilen!

ich bin nicht töricht, bin nur eine Ungestüme.
Schilt mich nicht geizig, Liebster, der du gütig bist!
Und glaube mir: ich will dich wie ein Kind erfahren,

Das um sein Christfest bangt. Doch wenn dir mein Gebaren
Unrecht erscheint, weil ich dich, andre mindernd, rühme,
Bedenk: was sind dem Kind selbst Engel neben Christ?


XI.

Nichts ist so ernst wie Liebe, die nicht mehr Genügen
Im Ahnen findet, der des Wortes vage Brücke
Zu ungewiß geworden und die Händedrücke
Zu ungefähr, weil alles dieses noch ein Trügen

Verbergen kann. indes das letztliche Verfügen
Die Wahrheit ganz erweist oder gerecht in Stücke
Schlägt falsche Einheit, ob sie noch so tief berücke.
Des Blutes Feuerprobe überführt sie Lügen.

Wenn keiner übertrifft, weil beide restlos schenken,
Wenn Wunsch in Wunsch sich ganz erlöst, o heilig Zeichen
Der klaren Tageseintracht aus dem Los der Nacht!

So laß uns unsre künftigen Wege also lenken,
Daß wir, nachlebend, demutsstolz ihm immer gleichen,
Dem herrlichen Gesetz, das sich in uns vollbracht!


XII.

Nun weiß ich auch, warum sie solche wissend nennen,
Die liebend sich erfuhren; innigstes Umfangen
Gab mir aus engen Stundenräumen zu empfangen,
was sonst ein weites Jahr nicht schenken will: Erkennen.

Großmut und Habgier war in unserem Entbrennen
Glühend gemischt. Der Menschen Urangst jähes Bangen
Brach pochend in uns aus. Wie Hunger und Verlangen
Uns mächtig wandeln, fühlt ich, und wie nicht zu trennen

Mitleid von Mitglut ist und Weisheit von Geduld.
Ich weiß, daß lieben heißt: dem Liebsten Nahrung geben,
Daß Duldung Blühen aufweckt, wie Gewalt die Schuld.

Der Friede fängt in den gestillten Menschen an.
Mein Bruder, der mir liebend fassen hilft das Leben:
Wie lehren wir die Welt, was sich unsd dargetan?


XIII.

Erfühlst du, wie ich ohne Grenzen dir vertraue,
Da meiner Darbringung ganzes Gewicht der Waage
Ich übergab, die ich nicht in den Händen trage,
Sondern du in den deinen, Freund, auf den ich baue.

Gefährlich Spiel! Ich fühl es tief. Wohin ich schaue,
Seh ich den Geizenden gewinnen, und die Klage
Des sich Verschwendenden stöhnt bitter durch die Tage,
Der abends arm sich fand und reich noch war beim Taue.

Doch nur wo Geben unweis ist, dort ist es rein.
O sieh es an wie ich, das große Herzverschwenden!
Nur wer sich unerschöpflich weiß, kann groß gewähren.

Wer fraglos schenkt, muß heißen Reichtums sicher sein.
Geiz deutet Armut, Sparen weist auf Angst vorm Enden.
Nimm und verbrauch mein Lieben, denn so wirst du 's mehren!


XIV.

Wie könnt ich je mich des gewöhnen, was du bist,
Daß es mir würde wie die leichte Gunst der Luft,
Die mich umgibt so ohne Sang und ohne Duft,
Daß ihre Gnade der verwöhnte Sinn vergißt.

Schon aus der Doppelschwingung unsrer Stimmen fließt
Ein Andres, Neues hin von Ohr zu Ohr und ruft
Von dir zu mir: dein Jubel überbrückt die Kluft,
Die meiner zart zu überschweben sich vermißt.

Und sorg auch nie, daß dich die Zeit mir zu sehr kläret,
Es bricht sich bunter als im Dämmerlicht das All
Und strahlender ja im entschleierten Kristall!

Und immer schöner wird die Liebe, wenn sie währet,
So wie geübtes Lied sich holder klingend schenkt
Als ungeübtes, das an Takt und Zeichen hängt.


XV.

Wenn wir uns zürnen, morden wir nicht nur die eine
Gelobte Freude in uns, sondern all die vielen
keimenden Lichte, die zu zauberischen Spielen
Der Tag schon halb entfaltete in frühem Scheine.

Das ist wie blaue Funken Tau am Morgenraine,
Die in der Sonne rasteten auf schmalen Stielen.
Da kam ein Schatten und die Lieblichen verfielen
Wie hingemäht. Und ihr Geleucht verblich dem Haine.

So liegts in unsrer Hand, die Stunden zu verarmen
Oder sie zu begraben, daß dem Tag sie taugen.
Doch heut, was haben wir mit unsrem Amt getan?

Die Welt, wir sahen sie zu wenig liebend an,
Da wurde sie, die sonst die Herzkraft unsrer Augen
Betaute, trüb. Und wartet mit uns auf Erbarmen.


XVI.

O wehe, welcher Griff hat unser Spiel verstimmt,
Daß Mißton aus dem Einklang bricht und Zwiespalt klafft
Im Mosaike unsrer süßen Nachbarschaft
Und aus dem reinen Brand der gelbe Funke glimmt?

O tödliches Erschrecken!Welche Macht entnimmt
mich deiner Schutzgebärde und dich meiner Haft?
Hat uns des gleichen Stromes Ebbe fortgerafft,
Des hohe Flut einst einte, was sich tief bestimmt?

O Sterne, Sterne, euch befiel ein großes Zittern,
Das teilt der Welt sich mit, wir spüren seine Schauer,
Sie rasen über uns und rütteln an der Dauer.

Wir irren bangend durch die Nacht, einsame Rufer,
Sternbeben ließ den Glanz der Herzen jäh zersplittern,
Die große Woge warf uns an getrennte Ufer.


XVII.

War es ein Wort, das dich nach Ost, nach West mich wies,
So wie ein Pfahl am kreuzweg im Gedankenland,
Erstellt von siebenfingriger Dämonenhand,
Die tief geeinte Richtung jäh sich spalten hieß?

War es ein Blick, in dem es brennend sich erwies,
Daß unsres Gegensatzes maß nicht bis um Rand
Rein ausgewogen sich ins Weltgefüge fand,
Sondern nur Ungefähres sich uns binden ließ?

Weh dir und mir, wenn ich so sanft nicht Caja bin
Wie mächtig Cajus du! Weil auseinander fällt,
Was sich nicht traf zu wahrhaft echtem Gleichgewicht.

Wär meines Schattens Grund geringer als dein Licht,
Die Kraft, die magisch dich und mich in Schwebe hält,
Zerfiele und wir sänken in Vernichtung hin.


XVIII.

Hätt ich dich, Feund, zu viel geliebt, so daß dein Bild
Aus mir mich selbst vertrieb, da es so breit sich legte
In meiner Seele Rahmen, die es so sehr hegte,
Daß in mir keine Stätte blieb und kein Gefild

Für das geringste mehr und daß dein Blick, gewillt
Zu forschen, was von meiner Art sich in mir regte,
Nur deine eigne fand, die meinen Grund bewegte
Und eifrnd meine Welt vor ihrer Schwelle hielt?

Dann wärs um unsern Bund geschehn, denn Gtt allein
Ist groß genug, um ewig mit sich selbst zu sein,
Frei von der Angst um Schwinden, ganz im Strahl des Lichts.

Doch wenn ich du geworden, ward aus Zweien eins.
Die Mehr-Zahl mindernd, wär die Grenze unsres Seins
Erreicht. Denn Einer ist der Letzte vor dem Nichts.


XIX.

Ich bin unter Geringen eine Gleichgeringe
Und unter vielen Sünderinnen eine nur.
Ich fand in einem Menschen Gottes Strahlenspur
Und nahm ihn schon für Gott, den doch nur seine Schwinge

Gestreift, ihn adelnd, daß er könglich gelinge.
Gott, den im Glanze Seines Werks ich groß erfuhr,
Vertauscht ich achtlos schon im ersten Liebesschwur,
Wie man ein Ding vertauscht mit andrem schönen Dinge.

Nun, in der Not, da alles um mich bebt und wankt,
kann ich nicht enden, ihn in Ewigkeit zu rufen,
Um aus verzerrter Nähe dort Ihn zu erreichen,

Wo Er in Weiten wohnt auf sternenfernen Stufen.
Verwirft Er sie, die ihn erkannte, wo ihr bangt,
Wie alle Schwachen? Oder schenkt Er ihr ein Zeichen?


XX.

Vergebens wirft die Welt nun ihre köder aus,
Ob sie auch in mich fallen, sie verfangen nicht.
Der Köder Licht erlöst mir nicht mein Taggesicht,
Der Köder Schall schöpft aus dem leeren Seelenhaus

kein Echo und auch keine Antwort mehr heraus.
Die Blindheit, die aus dem gelähmten Herzen bricht,
Legt sich wie eine Wand vor meiner Augen Sicht
Und seine Taubheit treibt den klang der Welt mir aus.

O, daß auch dies beschieden ist, aus meiner Liebe
Todeserfahrung einzusammeln wie des Lebens
Heißestes  Kennen einst und tiefste Wissenschaft!

Der Spalter Tod fügt, daß nichts Einiges verbliebe.
Er steht in schwarzem Purpur auf, du ringst vergebens.
Du warst die eine und er bleibt die andre Kraft.


XXI.

Zur Stunde der Entscheidung mußt du von dir wissen,
Ob du geboren bist, die Welt zu dir zu zwingen,
Indem du sie erwartest, oder ob Gelingen
Für dich heißt: kämpfen gehn um dies, das dir entrissen,

Oder was noch nicht dein. In allen Hindernissen,
In jeglicher Erfüllung deiner Tage schwingen
Die nämlichen Gesetze. Ihre Stimmen klingen
Getreulich. Doch du mußt sie zu erlauschen wissen.

Bist du geboren zu empfangen, stell der Flut
Dich plötzlich nicht entgegen, daß sie dich verletze!
Du bliebest leer, umwölbtest du sie nicht mit Weite.

Bist du geboren zu erringen, habe Mut,
Stürz dich ihr nach, daß dir die Woge nicht entgleite!
Doch bleib dem Richtstrahl treu! Es siegen die Gesetze.


XXII.

So geh ich denn und sammle neues Leben ein,
Da ich mich so verschenkte, daß mir nichts geblieben,
Der Welt dich mittelnd hast du sie mir ausgetrieben.
Verblassend stand ich schon vorm Schritt von Sein zu Schein.

Da riß zur rechten Zeit an mir die wilde Pein
Und rief mich, meiner eingedenk zu sein. Mein Lieben
Droht' mich zu lösen, doch der Schmerz hat mich umschrieben.
Ich ward geformt. In Ewigkeit bin ich nun mein,

Um dein zu sein. O sieh: Einlaß begehrend schallt
Ein Chor von Stimmen. Milden Lichtes neuer Keim
Will zart durchstrahlen unsre Liebesfinsternis.

Ich tu mich auf. Ich fasse, fasse, bringe heim.
Du sollst es ernten, wenn du aus der Dämmernis
Der großen Fremdheit trittst. O Liebster, komme bald!


XXIII.

Die Zeichen Gottes rühren nicht von außen her
Uns aufgetane Auge, sondern sie geschehen
Von innen. Und ich will die Stimme so verstehen,
Die unaufhörlich mahnt durch jegliche Beschwer

Und unabweislich mir gebietet, nimmermehr
Von dir zu lassen und selbst dort zu dir zu stehen,
Wo mir mein Sinn nicht mehr erlaubt, dein Recht zu sehen,
Sondern dein irren in ein fremdes Ungefähr.

Ich will sie so verstehn, als wäre sie das Zeichen,
Das ich von Gott erflehte; denn sie gibt Bestand
Über der Zwiste kleinliches hinaus dem Band

Der Liebe und erweist, daß sie von Gott gewollt.
Die Schlacken werden schwinden, bleiben wird das Gold.
Wir sind noch nicht erfüllt. Wie können wir verbleichen?


XXIV.

Die Schlange Wißbegier schob sich, ein schmaler Strahl,
Ins breite, unbegrenzte, himmelhohe Feld
Und spaltete vom Paradiese ab die Welt,
Ein Teilstrich zwischen Eden und dem Erdental,

Das dennoch nicht nur Jammer birgt und bittre Qual,
Sondern sein volles Maß an Seligkeit enthällt.
Und immer wieder aus verklärten höhen fällt
Ein Menschenpaar ins Flache vor die große Wahl:

In einer Öde seine Flamme abzuwürgen,
In einem Abgrund zu zerschellen, zu ersterben
In einem Sturme, - oder die verhängte Not

Liebend zu überdauern, liebend zu verbürgen
Des menschenstammes Ewiges und sei 's bedroht:
Denn nur die sich erhalten, werden sich vererben.


XXV.

Die Schlange Klugheit aber glitt, ein schmaler Keil,
In meiner Seele grenzlos offenes Gelände
Und spaltete die Grenze ein und schuf die Wende
Und jagte schaudernd mich in die tiefe Schrecknis, weil

Ich dessen ganz erkennend ward zu meinem Heil,
Daß meine Zukunft hin ins leere Nichts entschwände,
Wenn ich mit so entblöster Seele vor dir stände
Wie einst. Und siehe, wieder wars des Wissens Teil

Zu wirken, daß ein Unverhülltes sich verhülle,
Daß eine Seele Scham vor ihrer Nacktheit fand
Und Kraft genug, sich selbst zu schützen und zu kleiden.

Und immer wieder hilft Erkenntnis zu entscheiden
Den Schritt aus erster Äzherhöh und goldner Fülle
Hinüber in ein gutes braunes Erdenland.


XXVI.

Und wieder dann in den geliebten Armen landen,
O Herzenserde mein! Du Heimat, guter Wald!
Und neue Scheu und alte Nähe, sanft durchhallt
Vom Hauch der Atemzüge, die sich neu verbanden!

Und fühlen dürfen, was kein Wort dem Ohr gestanden,
Was nur das Blut ins andre Blut hinüberlallt,
Daß dich des gleichen Sehnens brennende Gewalt
Mir einte, ob Gezeiten dich mir auch entwanden!

Hörst du den Raum? Er gleicht sich unsren Herzen an
Und schweigt sie mit, unsre gebenedeite Stille,
In der das Allerleiseste der Welt begann,

Da Herz den Herzton sucht, um sich ihm neu zu binden.
O Ahnen, Tasten, Lauschen! Längst bereiter Wille!
Seliger als sich finden ist, sich wiederfinden.


XXVII.

Wenn du mir schwändest, Liebster, gäb ich nicht der Leere
Um mich die Schuld, daß sie dich nicht-sein scheinen macht,
Der du doch bist, solang ich bin. An dieser Nacht,
Die gähnend mich umfinge, einzig schuldig wäre

Mein Aug, zu lässig, daß der Raum ihm dich gewähre,
Mein Herz, das unterm Maße deines Seins entfacht,
So daß erblindend und erlahmend mir die Macht
Entsunken schiene, dich zu binden meiner Sphäre.

Der Tag hat strahlend recht, solang er dichenthält,
Und tödlich unrecht hat, die dich versagt, die Welt.
O sieh, ich weiß, die Menschen gehen sterben nur,

Wenn plötzlich einer sie aus seiner Liebe läßt.
Sei ruhig du und trau ihr, die mir widerfuhr!
Die meine ist allmächtig. Und sie hält dich fest.


XXVIII.

Du aber, Alp, vergeh! In düsterer Sekunde
Träumt' mir, ich wäre eine Fackel, deren Brand
Nicht als ein Lichtquell ward entflammt von Gottes Hand,
Sondern sich zu verzehren und sich selbst zugrunde

Zu brennen ist bestellt, wenn dein und meinem Bunde
Als Erster du entrissen wärst ins andre Land.
Gott, der Du bist und den ich neu begreifend fand,
Da ich Dich wieder lieben lernt in zwölfter Stunde

(Und wir begreifen wahrhaft dort nur, wo wir lieben),
Gott, nun erfaß ich Dich aus meines Leibes Bild,
Da ich wie ein zerbrechliches Gefäß getrieben

Auf Einem fuße, der an Kräften überquillt!
Du wolltest, Gütiger, mich letzten Leids entheben:
Der groß mich überragt, er wird mich überleben.


XXIX.

Du guter Nachmittag der Liebe, holde Treue,
Wenn hoher mittagsbrände rotentflammte Glut
Zur Wärme ward und Wildes sanft und Süßes gut,
Daß sich die Seele stiller atmend so erneue!

Du einzig hast der innigkeit, die ohne Reue,
Du bist wie lieber Hände Druck, der hochgemut
Dem Kusse sich vergleicht, wie die erhellte Flut
Des reinen Quells dem heißen Saft aus Traubenbläue.

Uns hat ein Weg sich aufgetan so wie ein Tal
In mildem Licht, das sanft ins alte Weltgetriebe
Hinüberleitet wie aus langgeträumtem Traum.

Und wie wir wandeln durch den neu erstandnen Raum,
Ist allen Dingen eingeprägt dein liebes Mal,
Du gute Treue! Holder Nachmittag der Liebe!


XXX.

Gott gab den Dingen ihre ewigen Gestalten
Durch dich für meines kleinen Daseins kargen Rest.
Was Er aus dir für mich erschuf, ich halt es fest
Und will es heiter mit geklärtem Sinn verwalten.

Uns in den groß geplanten Stromring einzuschalten,
Gefiel dem Vater, der das Leben werden läßt.
Er gab uns unsres hohen Einklangs goldnes Fest,
Um aus geglücktem Bund ein Nächstes zu entfalten.

Gott schuf die Welt aus Liebe und von Zeit zu Zeit
Verlangt's Ihn zu erkunden, ob an ferner Statt
Das Werk sich seinem Ursprung nicht entfremdet hat.

Dann schließt er blühend Blut und Blut zum heiligen Kreise
Und mißt am tiefsten Klang der jungen Jubelweise
Des alten Liebesodem Kraft zur Ewigkeit.




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Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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