21.10.2021, 09:52
Bernhard Endrulat
1824 – 1886
Träumereien eines gefangenen Dichters
1856
I.
Wärst du, Natur, mir nicht die Holdvertraute,
Erprobt in tausend menschenscheuen Tagen,
Wer dürfte Trost in dieser Zeit mir sagen,
Die mich mit grauer Kerkerwand umbaute?
Du aber läss’st im hellen Vogellaute
Zu meinem Fenster Waldesgrüße tragen,
Des sonn’gen Wald’s, drin oft mit frohem Zagen
Ich das Geheimniß deines Waltens schaute.
Im engen Hof darf ich ein Stündlein schleichen,
Da winken von den Zinnen blüh’nde Pflanzen,
Die ihren heimathlichen Schwestern gleichen.
Von freundlichen Insekten schwirrt’s im Ganzen
Und schönen Faltern, die – o glücklich Zeichen! –
In eine freie, holde Ferne tanzen.
II.
Zum Gott der Träume richt’ ich jetzt mein Flehen,
Daß er die Nächte lieblich mir erhelle,
Da durch die enge, dumpfe Kerkerzelle
Einförmig, Trostes bar die Tage gehen.
Dank dir, du holder Gott! Es ist geschehen.
Zurückgeschwebt auf linder Schlummerwelle,
Kam Bild um Bild von meines Lebens Quelle,
Die ich verflossen längst, versiegt gesehen.
Den Kranz von Rosen in den schönen Haaren,
Wie hold und lieblich grüßten die Gestalten,
Die mir zur Seiten einst gewandelt waren!
Sie hauchten leis’, als sie vorüberwallten:
„So große Liebe hat dein Herz erfahren,
Und sollt’ es dieser kleine Haß zerspalten?“
III.
Ward vom Geschick ein Leiden dir beschieden
Um einer deiner besten Thaten willen,
Dann sollst du jede trübe Klage stillen
Und froh dich hüll’n in deiner Seele Frieden.
Denn eine holde Regel ist’s hienieden,
Daß erst aus Schmerzen höchste Freuden quillen;
Wer hätte, ängstlich vor der Stürme Schrillen
Den Frühling, den sie bringen, je gemieden?
Gieb Acht! Die Zeit des Duldens fliegt von hinnen,
Du gehst hervor aus diesen dumpfen Wänden
Und kannst dein Leben neuerfrischt beginnen.
Dann steht der große Schwarm mit leeren Händen,
Indessen du die Frucht von Sorg’ und Sinnen
Gelassen kannst und heitern Auges spenden.
IV.
Was heißt: gefangen sein in diesem Lande,
Wo auch gefesselt sind der Freien Hände?
Ein wenig näher nur die Krkerwände,
Ein wenig enger nur die harten Bande.
Was Zier sonst war dem freien Männerstande,
O sagt, wo man bei euch es heut noch fände!
In Blick, in Wort und Schrift des Geistes Brände
Sind längst verlöscht im dumpfen Meer der Schande.
D’rum geht ihr kühl, mit unverfärbten Wangen,
Vorüber an den Mauern, die uns bergen;
Euch schaudert nicht mehr bei dem Lat: gefangen!
Ihr athmet Alle in der Faust des Schergen. –
Nur die im gold’nen Licht des Lebens prangen,
Steh’n weinend still an der Verstorb’nen Särgen.
V.
Kein Pilger wird mit ehrfurchtsvollem Grauen
Auf diese Wände seinen Namen schreiben,
Auch Keinen wird’s – zum Angedenken – treiben,
Den Spahn aus dieser Lagerstatt zu hauen.
Und sollt’ ich nie den Tag der Freiheit schauen,
Mein Martyrthum wird still im Schatten bleiben.
Was ist’s denn auch in dieser Zeiten Treiben,
Daß Einer schmachtet fern von grünen Auen?
Sonst trat zum Kampfe für die höchsten Güter
Vielleicht ein Einz’ger auf und rang unsäglich;
Ihn ehren dankbar heut noch die Gemüther.
Jetzt schwoll die Zahl der Streiter schon erträglich;
Der Menschheit Hälfte ward der andern Hüter,
Und für das Rechte leiden ward alltäglich.
VI.
Tritt stolz einher auch in des Kerkers Schranken,
Du, dem des Gottes heil’ge Weihen kamen!
Dir blieb auch da, wo sie dir Alles nahmen,
Die höchste Kunst des Reims und der Gedanken.
Du läss’st aus Nichts sich Bild zum Bilde ranken
Und hegst sie ein mit köstlich-ächtem Rahmen;
Du läss’st empor aus unsichtbarem samen
Die gold’ne Saat von ew’gen Liedern schwanken!
Mag dir die frühe Nacht das Licht entraffen,
Wär’ dir die Hand versagt durch schwere Ketten –
Im Vollbesitze bleibst du deiner Waffen.
Und was mit Heer, Geschütz und Bayonetten
Kein Mächt’ger kann, du hast’s im Flug erschaffen:
Den Bau des Ruhms aus funkelnden Sonetten!
VII.
Gastfreie Stadt, Beherrscherin der Meere,
Die ein Asyl mir bot seit langen Jahren,
Dir fern vermocht’ ich ganz erst zu gewahren
Das Wesen deines Ruhms und deiner Ehre.
Sei stolz auf deiner Seg’ler mächt’ge Heere,
Die kühnlich zu den fernsten Küsten fahren,
Sie brachten dir die köstlichste der Waaren:
Den freien Menschensinn, der Knechtung Wehre!
Bist du an Kunst und Wissen auch geringer
Als Andre – o daß sich ein Jeder hüte,
Voll Hohn auf dich zu deuten mit dem Finger!
Jüngst weilt’ ich im gepries’nen Land der Blüthe
Des Geistes – ach, es war ein weiter Zwinger,
D’rin kaum ein Herz für Recht und Freiheit glühte!
VIII.
Im Geiste seh’ ich deine Buchenkronen
Sich grün und weich am blauen Himmel ründen,
Und seh’ auf breiten, segensprüh’nden Gründen
Dein biedres Volk, mein Schleswig-Holstein, wohnen.
Der Ostsee blauer Arm schmiegt sich mit Schonen
Heran, um deiner Schöne zu verbünden
Der Fluthen Reiz, - da will’s mein Herz entzünden
Wie Heimweh nach des Vaterlandes Zonen.
Ja, nicht was Zufall und Geburt uns gaben,
Bleibt uns die liebste Statt für alle Zeiten;
Der Kindheit Traum wird oft gar früh begraben.
Die rechte Heimath ist, die wir erstreiten,
Für die wir strebten und gelitten haben,
Und wo uns liebe Menschen treu geleiten!
IX.
Hier zählt die widrigste der Unholdinnen,
Die sonst mit stumpfem, giftgetränktem Pfeile
Uns langsam würgt, die Gorgo Langeweile,
Gar zu der Muse treusten Pflegerinnen!
Was stets verblieb ein unvollführt Beginnen
In früh’rer Zeit der frischen Lebenseile:
Hier las ich Tasso’s Stanzen, Zeil’ um Zeile,
Von Zions heiligen, befreiten Zinnen!
Erminiens und Clorindens buntem Pfade
Folgt’ ich, lag froh selbst in Armida’s Schlingen,
Flog mit Rinaldo kühn zum blut’gen Bade.
Fast groll’nd sah ich den letzten Sturm gelingen. –
Ach, böte man mir hier die Messiade,
Ich glaub’, auch sie würd’ ich zu Ende bringen!
X.
So lang ich draußen rüstig schweifen konnte,
Lag Alles regennaß und trüb verhangen,
Nun, da ich still und traurig hier gefangen,
Strahlt Gold und Blau vom reinsten Horizonte.
Im Traum nur sah ich, wie die Welt sich sonnte,
Ich hörte, wie die Wandrer fröhlich sangen,
Wie durch das Feld geschäft’ge Sicheln klangen,
Wie Alles glücklich war und jauchzt’ und wonnte.
Ein Bild des Lebens ahn’ ich hier verborgen:
Auch unsre Zeit ist schwer verhüllt von Schleiern,
Und unser sind: die Hoffnung und die Sorgen.
Die Zukunft bleibt den Glücklichern und Freiern.
Erst nach uns glüht empor der sonn’ge Morgen,
Erst nach uns wird man gold’ne Feste feiern!
XI.
Im Abendneigen, wenn die grellen Stimmen
Des Tages, die voll Mißlaut mich umtönen,
Verhallet sind, dann läßt ein Hauch des Schönen
Mein Herz zu alter Fröhlichkeit erglimmen.
Die Sterne seh’ ich droben lustig schwimmen,
Wie wenn sie unser kleines Leid verhöhnen;
Und sieh! auch ich kann mich mit ihm versönen,
Und fühle Kraft, es stolz zu überklimmen.
In meinem Innern braus’t in heil’gen Chören
Der Reigen göttlicher Gefühle weiter,
Und keine plumpe Faust kann ihn zerstören.
Sei’s trüb umher – in mir bleibt’s hell und heiter,
In Fesseln werd’ ich stets mir selbst gehören:
Der Schönheit und der Freiheit rüst’ger Streiter.
XII.
Die Mutter Deutschlands ist’s, die mich geboren,
Und deutscher Geist der Vater, der mich zeugte;
Vor deutschen Meistern früh mein Sinn sich beugte,
Und deutschem Ruhm lauscht’ ich mit trunk’nen Ohren.
Die deutsche Muse hat mich auserkoren,
Daß auch mein Lied gleich einer reinen Leuchte
Dem Volk’ erglüh’, das schlaue Lüge scheuchte,
Bis es sich weit vom rechten Pfad verloren.
D’rum, wie ich Alle heg’ in frommem Scheuen,
Die bis zum Grund von deutschem Safte schwellen,
Erheisch’ ich meinen Ruhm nur von den Treuen.
Doch die sich fern von Deutschlands Banner stellen,
Ihr Thun kann mich nicht beugen, nicht erfreuen:
Es gleicht dem Streich durch leerer Lüfte Wellen.
XIII.
Herbstmorgenluft, in deine frische kühle
Tret’ ich hinaus mit Schritten, die da wanken;
Kaum faßt’s der Sinn, daß nun gefall’n die Schranken,
Die mich gesondert von der welt Gewühle!
Dahin ist nun des vollen Sommers Schwüle,
Kein Rosenhaupt glüht mehr in Lustgedanken;
Das Korn – ich sah’s auf grünem Halm noch schwanken –
Zermalmt schon der granit’ne Block der Mühle.
Ich könnte weinen, daß verhaßte Mächte
Mir so des Jahres schönste Monde stahlen,
Wenn ich des Trostes, der mir ward, nicht dächte.
Mein Frühling wird aus dieser Oede strahlen,
Denn hohe Götter weihten meine Nächte
Und stärkten mich in meinen Idealen!
.
1824 – 1886
Träumereien eines gefangenen Dichters
1856
I.
Wärst du, Natur, mir nicht die Holdvertraute,
Erprobt in tausend menschenscheuen Tagen,
Wer dürfte Trost in dieser Zeit mir sagen,
Die mich mit grauer Kerkerwand umbaute?
Du aber läss’st im hellen Vogellaute
Zu meinem Fenster Waldesgrüße tragen,
Des sonn’gen Wald’s, drin oft mit frohem Zagen
Ich das Geheimniß deines Waltens schaute.
Im engen Hof darf ich ein Stündlein schleichen,
Da winken von den Zinnen blüh’nde Pflanzen,
Die ihren heimathlichen Schwestern gleichen.
Von freundlichen Insekten schwirrt’s im Ganzen
Und schönen Faltern, die – o glücklich Zeichen! –
In eine freie, holde Ferne tanzen.
II.
Zum Gott der Träume richt’ ich jetzt mein Flehen,
Daß er die Nächte lieblich mir erhelle,
Da durch die enge, dumpfe Kerkerzelle
Einförmig, Trostes bar die Tage gehen.
Dank dir, du holder Gott! Es ist geschehen.
Zurückgeschwebt auf linder Schlummerwelle,
Kam Bild um Bild von meines Lebens Quelle,
Die ich verflossen längst, versiegt gesehen.
Den Kranz von Rosen in den schönen Haaren,
Wie hold und lieblich grüßten die Gestalten,
Die mir zur Seiten einst gewandelt waren!
Sie hauchten leis’, als sie vorüberwallten:
„So große Liebe hat dein Herz erfahren,
Und sollt’ es dieser kleine Haß zerspalten?“
III.
Ward vom Geschick ein Leiden dir beschieden
Um einer deiner besten Thaten willen,
Dann sollst du jede trübe Klage stillen
Und froh dich hüll’n in deiner Seele Frieden.
Denn eine holde Regel ist’s hienieden,
Daß erst aus Schmerzen höchste Freuden quillen;
Wer hätte, ängstlich vor der Stürme Schrillen
Den Frühling, den sie bringen, je gemieden?
Gieb Acht! Die Zeit des Duldens fliegt von hinnen,
Du gehst hervor aus diesen dumpfen Wänden
Und kannst dein Leben neuerfrischt beginnen.
Dann steht der große Schwarm mit leeren Händen,
Indessen du die Frucht von Sorg’ und Sinnen
Gelassen kannst und heitern Auges spenden.
IV.
Was heißt: gefangen sein in diesem Lande,
Wo auch gefesselt sind der Freien Hände?
Ein wenig näher nur die Krkerwände,
Ein wenig enger nur die harten Bande.
Was Zier sonst war dem freien Männerstande,
O sagt, wo man bei euch es heut noch fände!
In Blick, in Wort und Schrift des Geistes Brände
Sind längst verlöscht im dumpfen Meer der Schande.
D’rum geht ihr kühl, mit unverfärbten Wangen,
Vorüber an den Mauern, die uns bergen;
Euch schaudert nicht mehr bei dem Lat: gefangen!
Ihr athmet Alle in der Faust des Schergen. –
Nur die im gold’nen Licht des Lebens prangen,
Steh’n weinend still an der Verstorb’nen Särgen.
V.
Kein Pilger wird mit ehrfurchtsvollem Grauen
Auf diese Wände seinen Namen schreiben,
Auch Keinen wird’s – zum Angedenken – treiben,
Den Spahn aus dieser Lagerstatt zu hauen.
Und sollt’ ich nie den Tag der Freiheit schauen,
Mein Martyrthum wird still im Schatten bleiben.
Was ist’s denn auch in dieser Zeiten Treiben,
Daß Einer schmachtet fern von grünen Auen?
Sonst trat zum Kampfe für die höchsten Güter
Vielleicht ein Einz’ger auf und rang unsäglich;
Ihn ehren dankbar heut noch die Gemüther.
Jetzt schwoll die Zahl der Streiter schon erträglich;
Der Menschheit Hälfte ward der andern Hüter,
Und für das Rechte leiden ward alltäglich.
VI.
Tritt stolz einher auch in des Kerkers Schranken,
Du, dem des Gottes heil’ge Weihen kamen!
Dir blieb auch da, wo sie dir Alles nahmen,
Die höchste Kunst des Reims und der Gedanken.
Du läss’st aus Nichts sich Bild zum Bilde ranken
Und hegst sie ein mit köstlich-ächtem Rahmen;
Du läss’st empor aus unsichtbarem samen
Die gold’ne Saat von ew’gen Liedern schwanken!
Mag dir die frühe Nacht das Licht entraffen,
Wär’ dir die Hand versagt durch schwere Ketten –
Im Vollbesitze bleibst du deiner Waffen.
Und was mit Heer, Geschütz und Bayonetten
Kein Mächt’ger kann, du hast’s im Flug erschaffen:
Den Bau des Ruhms aus funkelnden Sonetten!
VII.
Gastfreie Stadt, Beherrscherin der Meere,
Die ein Asyl mir bot seit langen Jahren,
Dir fern vermocht’ ich ganz erst zu gewahren
Das Wesen deines Ruhms und deiner Ehre.
Sei stolz auf deiner Seg’ler mächt’ge Heere,
Die kühnlich zu den fernsten Küsten fahren,
Sie brachten dir die köstlichste der Waaren:
Den freien Menschensinn, der Knechtung Wehre!
Bist du an Kunst und Wissen auch geringer
Als Andre – o daß sich ein Jeder hüte,
Voll Hohn auf dich zu deuten mit dem Finger!
Jüngst weilt’ ich im gepries’nen Land der Blüthe
Des Geistes – ach, es war ein weiter Zwinger,
D’rin kaum ein Herz für Recht und Freiheit glühte!
VIII.
Im Geiste seh’ ich deine Buchenkronen
Sich grün und weich am blauen Himmel ründen,
Und seh’ auf breiten, segensprüh’nden Gründen
Dein biedres Volk, mein Schleswig-Holstein, wohnen.
Der Ostsee blauer Arm schmiegt sich mit Schonen
Heran, um deiner Schöne zu verbünden
Der Fluthen Reiz, - da will’s mein Herz entzünden
Wie Heimweh nach des Vaterlandes Zonen.
Ja, nicht was Zufall und Geburt uns gaben,
Bleibt uns die liebste Statt für alle Zeiten;
Der Kindheit Traum wird oft gar früh begraben.
Die rechte Heimath ist, die wir erstreiten,
Für die wir strebten und gelitten haben,
Und wo uns liebe Menschen treu geleiten!
IX.
Hier zählt die widrigste der Unholdinnen,
Die sonst mit stumpfem, giftgetränktem Pfeile
Uns langsam würgt, die Gorgo Langeweile,
Gar zu der Muse treusten Pflegerinnen!
Was stets verblieb ein unvollführt Beginnen
In früh’rer Zeit der frischen Lebenseile:
Hier las ich Tasso’s Stanzen, Zeil’ um Zeile,
Von Zions heiligen, befreiten Zinnen!
Erminiens und Clorindens buntem Pfade
Folgt’ ich, lag froh selbst in Armida’s Schlingen,
Flog mit Rinaldo kühn zum blut’gen Bade.
Fast groll’nd sah ich den letzten Sturm gelingen. –
Ach, böte man mir hier die Messiade,
Ich glaub’, auch sie würd’ ich zu Ende bringen!
X.
So lang ich draußen rüstig schweifen konnte,
Lag Alles regennaß und trüb verhangen,
Nun, da ich still und traurig hier gefangen,
Strahlt Gold und Blau vom reinsten Horizonte.
Im Traum nur sah ich, wie die Welt sich sonnte,
Ich hörte, wie die Wandrer fröhlich sangen,
Wie durch das Feld geschäft’ge Sicheln klangen,
Wie Alles glücklich war und jauchzt’ und wonnte.
Ein Bild des Lebens ahn’ ich hier verborgen:
Auch unsre Zeit ist schwer verhüllt von Schleiern,
Und unser sind: die Hoffnung und die Sorgen.
Die Zukunft bleibt den Glücklichern und Freiern.
Erst nach uns glüht empor der sonn’ge Morgen,
Erst nach uns wird man gold’ne Feste feiern!
XI.
Im Abendneigen, wenn die grellen Stimmen
Des Tages, die voll Mißlaut mich umtönen,
Verhallet sind, dann läßt ein Hauch des Schönen
Mein Herz zu alter Fröhlichkeit erglimmen.
Die Sterne seh’ ich droben lustig schwimmen,
Wie wenn sie unser kleines Leid verhöhnen;
Und sieh! auch ich kann mich mit ihm versönen,
Und fühle Kraft, es stolz zu überklimmen.
In meinem Innern braus’t in heil’gen Chören
Der Reigen göttlicher Gefühle weiter,
Und keine plumpe Faust kann ihn zerstören.
Sei’s trüb umher – in mir bleibt’s hell und heiter,
In Fesseln werd’ ich stets mir selbst gehören:
Der Schönheit und der Freiheit rüst’ger Streiter.
XII.
Die Mutter Deutschlands ist’s, die mich geboren,
Und deutscher Geist der Vater, der mich zeugte;
Vor deutschen Meistern früh mein Sinn sich beugte,
Und deutschem Ruhm lauscht’ ich mit trunk’nen Ohren.
Die deutsche Muse hat mich auserkoren,
Daß auch mein Lied gleich einer reinen Leuchte
Dem Volk’ erglüh’, das schlaue Lüge scheuchte,
Bis es sich weit vom rechten Pfad verloren.
D’rum, wie ich Alle heg’ in frommem Scheuen,
Die bis zum Grund von deutschem Safte schwellen,
Erheisch’ ich meinen Ruhm nur von den Treuen.
Doch die sich fern von Deutschlands Banner stellen,
Ihr Thun kann mich nicht beugen, nicht erfreuen:
Es gleicht dem Streich durch leerer Lüfte Wellen.
XIII.
Herbstmorgenluft, in deine frische kühle
Tret’ ich hinaus mit Schritten, die da wanken;
Kaum faßt’s der Sinn, daß nun gefall’n die Schranken,
Die mich gesondert von der welt Gewühle!
Dahin ist nun des vollen Sommers Schwüle,
Kein Rosenhaupt glüht mehr in Lustgedanken;
Das Korn – ich sah’s auf grünem Halm noch schwanken –
Zermalmt schon der granit’ne Block der Mühle.
Ich könnte weinen, daß verhaßte Mächte
Mir so des Jahres schönste Monde stahlen,
Wenn ich des Trostes, der mir ward, nicht dächte.
Mein Frühling wird aus dieser Oede strahlen,
Denn hohe Götter weihten meine Nächte
Und stärkten mich in meinen Idealen!
.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.