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Andreas Seger: Gegenüber
#1
Andreas Seger
Gegenüber


28 Klanggedichte
edition maya

ISBN 978-3-930758-35-7



Die 28 Sonette sind als Softcover im Format ca. 20x20 erschienen. Etwas unhandlich als Reiselektüre, doch die Gestaltung, durchgehend farbig, komplementär in rot/grün um Fotografien von Chris Blomen-Pfaff ergänzt ist durchaus ansprechend gelöst.
Der Band wird eingeleitet durch ein zweiseitiges Vorwort von Rüdiger Heins, Verleger und vermutlich Lektor des Werkes. Ausführlich und kenntnisreich geht er darin auf Geschichte und Form-Charakteristika des Sonetts ein. Etwas vermisse ich an der Stelle, welchen Zugang der Autor zur Form hat. Die Aussage, Seger sei Komponist und Chorsänger und Sonette sind Klanggedichte, ist etwas knapp geraten gegenüber den allgemeineren Erklärungen zur Gattung Sonett. Sein Lob "Andreas Seger gelingt es [...] das klassische Formgebilde seiner Sonette kraftvoll in die Form dieser Dichtkunst einzubinden" ist da auch nicht sehr erhellend. Was bindet er wo ein? Die Form der Sonette in Sonette?
Man könnte über solche Leerhülsen hinwegsehen, wären die Aussagen zum vorliegenden Text nicht insgesammt dünn gesäet. Nun, es geht um Themenbereiche, die uns alle betreffen: Liebe, Erotik, Sexualität. Soviel wird dann doch noch verraten.

Mit der Erotik ist das so eine Sache. Sie ist mit das intimste, das Menschen gemeinsam erleben, darüber öffentlich zu reden, oder zu schreiben, wurde immer wieder versucht. Da gibt es die klassische Minne, die jedes Körpergefühl auf eine geistig-seelische Ebene transzendiert, da gibt es die frivolen Doppeldeutigkeiten oder die provokant-drastische Sprache moderner Tabubrecher.
Seger versucht einen Mittelweg, doch selten gelingt diese Gradwanderung. Sehr sinnliche Bildfindungen wechseln mit kopflastigen Betrachtungen, gerade da, wo der Kopf eigentlich nichts mehr zu suchen hat. Z. B. das erste Sonett:

da reimt sich, gleich im ersten Quartett

Zitat:Dir gegenüber in der Wanne liegen
...
und Lust auf unsre nackten Körper kriegen"

Allein lautmalerisch ist "kriegen" keine sehr sinnliche Vokabel und auch der Laie wird ahnen, dass es nur des Reimes wegen dort steht.
Eine Kleinigkeit? Sicher, solche billigen Reime finden sich auch bei bekannten und hochdekorierten Autoren, aber ich finde es nicht glücklich, solch einen Einstieg zu wählen. Weiter hinten im Text würde es weniger auffallen. dazu der "Lavendelölbadduft": .... ÖL - BAD - DUFT: Drei silben mit starker Betonung aneinandergereiht! Auch dies keine Todsünde, doch so einfach zu beheben: Lavendelblütenduft?
Im zweiten Quartett die Beschreibung:

Zitat:Du legst den linken Fuß auf mein Gesicht,
bewegst ihn hin und her...

da haben wir so eine gelungene Bildfindung doch dann folgt sein Statement:

Zitat:"Mich stört das nicht, -
im Gegenteil -

Warum lässt der Autor so ein Bild nicht einfach stehen, bzw. entwickelt es weiter, statt hier ganz verkopft ein mutmasslich unterstelltes Unbehagen zu negieren?

Und so geht es in den anderen Sonetten weiter. Die Beschreibung sinnlicher Momente bleibt zu oft visuell orientiert, als dass dort Nähe zum Geschehen aufkeimen könnte. Wo sind die Körpergerüche, die Geräusche, die Haptik? und dort, wo sich Seger einer Metapher bedient ist sie selten präzise, sondern gene mal superlativ: Da werden funkelnde Sterne bemüht, der Schöpfung Schönheit, da wird der Mond vom Himmel gestohlen und der höchste Berg erklommen. Das ist nicht wirklich sinnlich und es ist auch nicht neu.

Im Sonett VI hat den Musiker Seger auch noch sein Taktgefühl verlassen:

Zitat:Allein mit Dir durch Feld und Wiesen streifen
an einem Tag im Frühling - Hand in Hand.
Wir können das Glück geradezu greifen -

Es mag im Gesang von Fall gelingen ein Wort gegen den natürlichen Akzent zu betonen; im gedruckten Wort geht das nicht!
Dazu voch Reime wie Lust/Brust (Sonett II) oder Trieben/lieben (Sonett V). Für die meisten Dichter neben Herz/Schmerz die absoluten No-Goes. So dogmatisch muß man nicht sein, aber ich habe nicht den Eindruck, dass sie bewusst gesetzt sind. Eine Ironie zumindest ist dort nicht zu erkennen. und Worte wie "schön" oder "nackt" werden für meinen Geschmack zu oft strapaziert.


Es liegt vielleicht in der Anlage als "Konzeptband", aber Seger hätte besser ein Jahr länger sammeln sollen um aus einem größeren Fundus schöpfen zu können. Der Ungeduld des Erstlings ist es wohl mit zuzuschreiben, dass "Gegenüber" nicht durchgängig überzeugen kann.


ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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