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Der Schatten ihres Mantels
#1
Hallo,
nachfolgend mal zwei Sonettversionen des gleichen Stoffes. Die Unterschieden liegen in den Terzetten. Welche überzeugt mehr? Fallen euch noch andere Dinge auf die ich besser machen könnte?
Dankeschön gitano

I

Der Schatten ihres Mantels

Wie soll ich das ertragen, fortzugehen.
In Ihren Augen fand ich mein Verlangen.
Mich zerrt Vernunft, bewacht von meinen Bangen
umschwebt Magie mein Herz, sie anzusehen

versucht mich Tag und Nacht jetzt umzudrehen.
Weil alle Träume nur zu ihr gelangen.
und sollten sie nur einen Blick empfangen,
wird alles Wehren im Begehren flehen.

Und halber Wahnsinn plündert den Verstand
sodass genug zum Betteln bleibt, gebeugt
im Knie, im Stolz erweicht. Die Seele schweift…

Sie selbst bleibt unerreicht, wo sie mich band,
dass all´mein Mühen, hin zu ihr, beäugt
als Tor, den Schatten ihres Mantels streift.


II
Der Schatten ihres Mantels

Wie soll ich das ertragen, fortzugehen,
in ihren Augen fand ich mein Verlangen.
Mich zerrt Vernunft, bewacht von meinem Bangen
umschwebt Magie mein Herz, sie anzusehen

versucht mich Tag und Nacht jetzt umzudrehen,
weil alle Träume nur zu ihr gelangen
und sollten sie nur einen Blick empfangen,
wird alles Halten im Begehren flehen.

Dann flieht Verstand und Geist, die Seele schweift
um Gnade bittend, bleich, als Kreatur
gebeugt im Knie, besiegt, im Stolz erweicht.

Sie selbst bleibt doch so fern und unerreicht,
dass all´ mein Mühen, mich verzehrend nur
als Tor, den Schatten ihres Mantels streift.
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#2
Hallo Gitano,

Vom Thema her erinnert es ein wenig an Baudelaires a une passante,
allerdings benennst du deine Gefühle, statt sie durch Bilder erstehen zu lassen.
Schade, daß du das Mantelbild nicht weiter ausgeführt hast.

In der zweiten Version ist mir aufgefallen daß du die Seele "als Kreatur, gebeugt im Knie" beschreibst.
Wenn du den Ausdruck aus dem Körperlichen ziehst, wozu bemühst du dann erst die Seele?

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#3
Hallo Zaunkönig!
Vielen Dank für die Hinweise!
Deine Erinnerung an Baudelaire erscheint mir, nun, da ich das betreffende Sonett auch gelesen habe, durchaus plausibel- auch wenn es im Einzelnen andere Situationen, andere Schauplätze sind-aber danke für den Hinweis. "A une passante" ist schon ein sehr schönes Sonett.

Die innere Logik war dann doch ein Problem des Textes. Ich habe mal versucht etwas zu bereinigen und hoffe, daß es ein Fortschritt ist:

Der Schatten ihres Mantel II

Wie soll ich das ertragen, fortzugehen.
In ihren Blicken brannten meine Wangen.
Mich zerrt Vernunft von ihr, bewacht mein Bangen,
bestechlich wär mein Herz, sie anzusehen.

Im Strahl der Anmut kann ich mich nicht wehren,
seither wird jeder Traum entführt, gefangen.
Ihr Blick versklavt in jedem Mann Verlangen,
berauscht- und sein Gefolge heißt Begehren.

Die Flucht nur rettet, ruft mich mein Verstand!
Schon sehe ich die Schar der Bettler flehen,
gebeugt im Knie, vor ihr! Die Seele schweift…

Sie bliebe unerreicht und ich verbannt
als Tor am Weg, belächelt im Vergehen,
dass nur den Schatten ihres Mantels streift.


Der Schatten ihres Mantels, also sie nicht wirklich erreichen können, sollte das Schlussbild bleiben.
Der innere Disput über Hingabe ("Versklavung") oder sich schützen. Diese Ambivalenz ist Thema. Die Überlegungen sind aus der Erkennung der Gefahr heraus eher rational. Von daher wollte ich auch nicht primär auf die gefühlsebene eingehen- obwohl sie ja unverkennbar immer mit dabei ist. Der klassisch anmutende Sprachstil, sozusagen historisierend ist gewollt. Einige Bildideen gehen damit besser auf und man kann eine Distanz herstellen zu dem, was oft so nah istRolleyes
Danke für Deine Rückmeldung sagt schon mal
gitano
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#4
Hallo Gitano,

Das Mantelbild hat natürlich das Zeug zu einem guten Schlußbild, aber du beraubst dich dieses Effektes, wenn du es schon im Titel vorweg nimmst, insofern scheint mir deine Vorgehensweise nicht konsequent. Als Leser warte ich quasi darauf, daß mir erklärt wird, was es mit dem Mantel auf sich hat, lese mich geduldig vor und lese zum Schluß nicht mehr als schon die Überschrift evoziert. Wenn dies also dein Schlußbild sein soll solltest du m. E. mit der Überschrift einen anderen Akzent sezuen, daß sich das Schlußbild wirklich erst am Schluß entfaltet.

Zeile 3 ist grammatikalisch mißverständlich, weil sich das Bangen sowohl auf Mich, als auch auf die Vernunft beziehen kann.
Im weiteren Textverlauf wird es dann klar, aber zunächst stockt hier mein Lesefluß.

Etwas amüsiert hat mich deine Bemerkung:

Zitat:und man kann eine Distanz herstellen zu dem, was oft so nah ist
bezüglich dem klassischen Sprachstil

Gerade die Eingangszeile, formuliert als fordernde Frage ist so voll von Gefühl, ja nahezu Pathos, - da wäre ich nie drauf gekommen, daß du Distanz schaffen willst.

Distanzierter wäre etwa: Was hindert mich daran jetzt fortzugehen.
Der Unterschied liegt im "ertragen" das eine Distanz, eine nüchterne Betrachtungsweise von Beginn an unmöglich macht.
Eine Menge Pathos entsteht für mich auch durch die Substantiv-Lastigkeit des Textes.
Wenn du also gerade nicht das große Gefühl heraufbeschwören willst, wäre da noch einiges möglich.

Oder habe ich deine Intension wieder misverstanden?


Die Neue Fassung gefällt mir aber insgesamt schon deutlich besser.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#5
Hallo Zaunkönig!
Oh, je ...wie recht Du hast!
Danke daß Du mich auf die verunglückte Titelwahl aufmerksam machst!
Sorry meine Erläuterung zu Argumentation/ Inhalt waren doch ziemlich verquer, sorry bitte!

Also nochmal:
Q1
Nach einer ersten, kurzen Verbrennung, erkennt der Protagonist die Gefahr für sich, die von dem Liebreiz der Sie ausgeht. Er ahnt, daß er empfänglich dafür ist und die Macht des Liebreizes stärker sein könnte als seine Kontrolle über sich selbst. ANgst vor Kontrollverlust.

Q2
Vertieft Q1 und es kommen Phanatasien der Folgen bei Kontrollverlust hinzu, Beobachtungen bereits "Betroffener". Die Faszination und die Angst stehen hier schon in Ambivalenz. Ebenso der Eindruck, das die Eroberung durch die macht des Liebreizes in den Träumen längst begonnen hat (Q2Z2)+T1
Unter dem Eindruck der Angst vor einem versklavten Schicksal (dem Liebreiz für immer Erlegen sein ohne Hoffnung auf Erfüllung durch die Sie) stellt er Überlegungen an, diesem (beobachtetem Schicksal) zu entkommen.
T2
Der Protagonist sieht ein imaginäres Schicksal für sich, wenn er der Eroberung durch den Liebreiz der Sie "Vorschub" leistet. Es ist klar, daß er nicht davon ausgeht, je eine Chance einer Liebeseroberung zu haben. Subtil soll aber deutlich werden, daß er längst schon ganz dick drin steckt, und kaum eine Chamce hat sich dem zu entziehen.

Insgesamt die Ambivalenz zwischen Vernunft-und empfindsamer Leidenschaft.
...mit einem kleinen Anklang über die Wirkung außergewöhnlicher Schönheit (Unerreichbarkeit) von Frauen auf normal Sterbliche Männer. Bekanntlich ein typisches Männertrauma...

Das Ganze natürlich mit Anleihen (stilistisch) von Petrarrca...und seiner Laura.
So jetzt deutlicher?

Das Historisierende dabei ist eher der Versuch über eine Begebenheit eine "Fabel" zu verpacken, die den Leser nicht gleich anspringt. Der innere Gehalt ließe sich ja auch in die Gegenwart transportieren-nur wäre er dann vielleicht zu direkt?

Und so ist es ganz richtig, das Du den Pathos erkannt hast-er bedient die Angst, die Bedrängnis.
Zuviel? Ich wollte dramatisieren..., dick auftragen ohne geistlos zu wirken. (siehe Ambivalenz).

Ich sehe Fortschritte in der Stimmigkeit der Erzählebenen/Symbole kommen auch so bei Dir an. Ein Fortschritt also...
Das ist bestimmt ncht die letzte Fassung. Ich arbeite dran..
Einen neuen Titel werde ich mir überlegen. Mal sehen was ich da aus dem Text aufgreifen kann...

Deine Hinweise und Infragestellungen helfen mir ungemein auf dem Weg zur Klarheit!
Vielen Dank dafür...das ist selten geworden.
gitano
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#6
Hallo Gitano,

Wie ich den Pathos einzuschätzen habe hängt von der konkreten Situation ab.
Leider bietet der Text nicht viele Hinweise.
Ist es ein kurzer Flirt mit einer Kneipenbekanntschaft? Oder bist du einer Kollegin beim Sommerfest nähergekommen? Ist es die Solistin in einem Clukonzert, der jedermann an den Lippen hängt?
Die Menge der Bettler, die sie neben dem LI in ihren Bann zieht, spricht gegen eine allzu flüchtige Bekanntschaft.
Angst vor Kontrollverlust kann natürlich auch nur aufkommen, wenn eine erneute Begegnung zumindest wahrscheinlich erscheint.
Für eine nähere Bekanntschaft bleibt sie aber erstaunlich blass. Weder Äußerlichkeiten, noch kleine Gesten werden beschrieben, geschweige denn das Umfeld der Begegnung. Das macht es sehr schwer, die genannten großen Gefühle nachzuvollziehen.

Das Ganze natürlich mit Anleihen (stilistisch) von Petrarrca...und seiner Laura.
So jetzt deutlicher?

Verlangen und Begehren sind für mich einander synonym. Warum folgt hier eines dem anderen? Schaut hier der Reimzwang durch?

Zitat:Das Ganze natürlich mit Anleihen (stilistisch) von Petrarrca...und seiner Laura.
So jetzt deutlicher?

Bei Petrarka und Laura oder auch Dante und Beatrice habe ich den Eindruck, daß sie durchaus wiedergeliebt werden, diese Liebe aber wegen äußerer Umstände nur platonisch im ritterlichen Minneideal leben können. Von männlichen Urängsten, einer solch Schönen könne er nicht gefallen, sehe ich dort keine Spur.

Ich fürchte deine angestrebte Ambivalenz geht nicht auf.
Erst führst du eine kurze Verbrennung an, auf die die "Vernunft" reagiert, hältst den pathetischen Grundton aber auch in der Stimme der Vernunft. Zumindest solltest du diesen Abschnitt im Konjunktiv schreiben.

"Ich könnte mich der Anmut kaum erwehren..."

Der Pathos bedient für mich auch keine Ängste, sondern im Gegenteil die Leidenschaft, also die Bereitschaft alle Leiden auf sich zu nehmen für ihre Nähe. - Für eine flüchtige Begegnung etwas zu dick aufgetragen.
Du schreibst zwar, daß LI die Geschichte im Geiste weiterspinnt, aber das wird im Gedicht nicht recht deutlich, da dir die Zeiten durcheinander geraten:

"seither" bezieht sich auf eine Vergangenheit die in die Gegenwart wirkt, - nicht auf eine Zukunftserwartung. Auch dort besser ein Konjunktiv:

"Sie hielte jeden Traum entführt, gefangen..."

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#7
Hallo Zaunkönig!
Abermals waren Deine Anregungen sehr hilfreich.
Ich werde wohl eine neue Fassung schreiben müssen, in der ich dann hoffentlich etwas mehr an inhaltlicher Transparenz erreiche. Das Thema selbst wird bleiben. Bin auch am Überlegen, ob die sehr dichte Sprache manchmal eher störend für Klarheit ist...die Lesegewohnheiten habe sich auch geändertBig Grin...
Wer bemerkt schon heute in einem Text eine Anapher oder einen Chiasmus...hat wohl möglich Freude an rethorischer Argumentaion. Die Dinge ändern sich.

Also bis zum nächsten Versuch, vielen Dank, daß Du so unverblümt und offen schreibst (ich bin keine Mimose Big Grin)
Liebe Grüße
gitano
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#8
Lieber Zaunkönig!

Ich habe Deine und andere Kritiken sacken lassen und habe nun eine Version mit der ich halbwegs leben kann.

Den Titel denke ich in "Streiflicht" oder auch "Schulterblick" zu ändern-um dem Schlussbild nicht vorzugreifen. Was meinst Du, wäre dies treffend? Den Text möchte ich gern mal im 8:6 Satz lassen. Einerseits werden damit die Enjabements flüssiger gelesen-andererseits betont der Satz eher die klassische Zweiteilung in Inhalt und Form.

Vielen Dank für Deine Hilfe! Ich habe das gute Gefühl vorangekommen zu sein.

Wie soll ich es ertragen, fortzugehen.
In ihren Blicken brannten meine Wangen.
Mich zerrt Vernunft von ihr, bewacht mein Bangen,
bestechlich wär mein Herz, sie anzusehen
macht wehrlos, dieser Anmut zu entgehen.
Ihr Strahl entführt, hält Tag und Traum gefangen,
versklavt in einem Wimpernschlag Verlangen.
Begehren folgt ihr, unerhört im Flehen.

Die Flucht nur rettet! ruft mich mein Verstand.
Was gäbe einem Bettler Trost von ihr,
gebeugt im Knie, wo niemals Hoffnung reift.
Sie bliebe unerreicht -und ich verbannt,
als Tor am Weg, belächelt im Spalier,
dass nur der Schatten ihres Mantels streift.
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