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Meister und Jugend
#1
Ich weiß zwar, dass die ganze Thematik wahrscheinlich schon durchwegs abgeschmackt und durchgekaut wirkt...allein, nachdem ich selbst noch relativ jung bin, kann man mir hoffentlich zumindest die Authentizität nicht absprechen...Rolleyes

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Blickst du mit Ehrfurcht auf den hohen Meister
der jeden Geist mit Perfektion besticht,
so schätzt du wohl die mächtigsten der Geister
allein, den allerhöchsten schätzt du nicht!

Denn nur die Kraft des werdenden Poeten
die bald schon rast, dann bald sich selbst verkehrt,
ist´s wirklich wert, von ihrer Tat zu reden
und dass man sie vor jeder andern ehrt.

Dem Fertigen wird jede Stunde öder
und treibt er´s auch genialisch bis zuletzt,
er hegt doch den Verfall schon in der Feder
die eben er ans Meisterwerke setzt.

So ehre bloß die jugendlichen Kräfte
und wär´s nur Torheit, die den Weisen äffte.
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#2
Hallo Domi,

Soll man etwa keine Liebesgedichte mehr schreiben, weil es so ein altes Thema ist?
Nein, es gibt keine wirklich neuen Themen, nur neue Sichtweisen.
Mit dem Thema habe ich keine Probleme, aber schon der Meister / Geister-Reim erinnert an den Zauberlehrling,
dann Vokabeln wie Torheit und äffte, gerade in der Schlußzeile.
Das klingt nicht nach einer jugendlichen Sprache, nicht in 2010.
Kann es sein, daß du selbst zu viel Ehrfurcht hast vor den "Meistern", und vor ihrer Art "wie man Gedichte schreibt"?

Ein kleiner inhaltlicher Widerspruch:

Zitat:Dem Fertigen wird jede Stunde öder
und treibt er´s auch genialisch bis zuletzt,

öde wird es wohl, wenn man sich ausruht auf seinem Lorbeer, bzw seine einmal erfolgreiche Masche ewig weiterstrickt.
"genialisch" aber ist das ewig neue, also wer sich die Kraft der Jugend bewahrt.

In der Form zumindest bist du recht sicher. Einzig in der ersten Zeile ist "Blickst du" nicht richtig betont, aber das würde ich durchgehen lassen.


LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#3
Lieber Zaunkönig,

Freilich ist es eine veraltete Form, die ich hier verwende...und geht in dem Sinngehalt, den sie mitnimmt, nicht Hand in Hand mit dem jugendereiferndem Inhalt des Sonetts. Allein (genau das meine ich), Schriftsteller wie Günther Grass, Walser, etc, die für einen 17-Jährigen wie mich bereits die Großvätergeneration darstellen könnten, haben bereits in den 60ern mit den "klassischen" Formen der Lyrik bzw. Literatur überhaupt abgerechnet (Stichwort: Klassikschelte)...und mir selbst erschiene es, ehrlich gesagt, auch allzu dröge, noch immer nach den selben Regeln (denn auch Informalismus und bewusste Unästhetik haben ihre festen Prinzipien) zu dichten, wie es meine "Großväter" und "Väter" taten...ganz im Gegenteil, so wie diese sich gegen ihre Vätergeneration stellten, will auch ich nicht in solchen festen Gleisen weiterfahren. Aber gibt es eine andere Möglichkeit dabei, als wieder in geregelte Formen zurück zu kehren? Ich hoffe, du hast eine Vorstellung davon, in welcher Dialektik hier Tradition und Revolution für mich stehen...dasselbe Verhältnis reflektierte ich in einem (italienisch geformten) Haydn-Sonett, an dem ich noch arbeite, jedoch wahrscheinlich bald, falls es Interesse dran gibt, hier reinstellen werde...

In der Form bedeutet das für mich, dass ich mich wiederum an feste Schemata (in Metrik und Reim) halten will...was die Sprache selbst angeht, ziehe ich mich wohl immer wieder (unwillkürlich) in solch anachronistische Formulierungen zurück, weil sie mir als die einzige Alternative zum modernen, ja bereits überwiegend literarisch verwendetem Sprachstil heutiger Zeit erscheinen...

Was den inhaltlichen Fehler betrifft, bin ich dir aber dankbar, dass du mir diese Ungereimtheit aufgezeigt hast Shy

lg
Domi
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#4
Hallo Domi,

Ich gebe Dir völlig Recht. Dieses Form-und Konventionen zertrümmernde Getue der 60ger und 70ger- Avandgarde ist inzwischen selbst zum leeren Ritual geworden und heute nicht mehr wirklich originell. Wie ein guter Witz funktioniert auch der Tabubruch im Grunde nur einmal.
Klassische Formen und zeitgemäßes Vokabular schließen sich aber nicht aus.
Ich erwarte nicht, daß du dich von irgendwelchen Gangster-Rappern inspirieren läßt. Dass wäre wohl genauso wenig autentisch, wie eine altmeisterliche Sprache des Sturm und Drang oder Biedermeier.
Im Grunde kannst du den gleichen Wortschatz verwenden, den du auch alltags benutzt. Versuche nur, möchlichst präzise zu sein.
Wenn der Inhalt stimmt, kannst du für die "lyrische Qualität" die Form für dich arbeiten lassen. Eine bewußt künstlerischer Ausdruck wirkt dagegen leicht gekünstelt.

Aber das wird schon...
Ich habe selbst mit 17 angefangen zu schreiben und keinen Fehler ausgelassen.
Von Anfang an waren mir Reim und Metrum wichtig, auich wenn ich nicht gleich jede Feinheit erfasste.
Mangels zeitgenössischer Vorbilder habe ich zunächst die Klassiker gelesen, aber es gibt auch gute Songtexte die Form und zeitgemäße Sprache vereinen, auch wenn das in der Regel keine Sonette sind.

Im Übrigen habe ich nichts Grundsätzliches gegen die "freien Formen", aber Lyrik lebt vom Klang der Sprache.
"frei" ist hier eigentlich irreführend und verführt viele Autoren, es sich zu einfach zu machen.
Richtigerweise müßte man von einer "individuellen Form" sprechen.
Eine solche zu entwickeln ist aber wirklich nichts für Anfänger; - dagegen ist das ach so schwierige Sonett noch ein sicheres Gerüst.

LG ZaunköniG
Eine kleine (routinierte) Fingerübung.

insbesondere der Schluß könnte noch etwas spritziger sein,
aber ich bin ja auch nicht mehr wirklich jugendlich...


Meisterschaft und Jugend

Du schaust mit Ehrfurcht auf den Dichterfürst,
denn jeder Vers bei ihm ist wohlgeschliffen.
Doch wenn du ihn zu deinem Vorbild kürst,
hat du das Wesentliche nicht begriffen:

Die Kraft der Jugend, die sich neu gebiert,
bald rasend, bald schon still in sich gekehrt,
die einzig uns zum Fortschritt inspiriert,
ist vor den Meister´stücken ehrenwert.

Wer sich am Ziel glaubt, bleibt schlußendlich stehen,
und hat er auch ein Handwerk gut gelernt.
Routine ist den Zeilen anzusehen,
je mehr er sich der Jugendkraft entfernt.

So hoffe, daß die Kraft sich stets erneut,
die sich auch schon am werdenden erfreut.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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