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Maximilian Woloschin: Corona Astralis - Magistrale
#3
Hallo ZaunKoenig!

Nun also, - Du hast es durchaus ueberzeugend gemacht!

Melodisch klingt deine Nachdichtung dem russischen Text sehr aehnlich! Metrisch hast Du fast immer auch recht, denn bei Woloschin ist eine uebliche sonettische Metrik: 11 Silben – 10 Silben- 10 Silben -11 Silben, etc. (Sorry, ich weiss nicht, wie man es „wissenschaftlich“ nennt…)

Und mit der Betonug ist`s bei dem Russen auch ziemlich klassisch. Unten mache ich im Texte die betonten Stellen gross und lateinisch, damit Du es besser sehen koenntest.

Ich versuche jetzt, die beiden Texte zu vergleichen:

w мирAх любвI — невEрные комEты —
zакрYт нам пUть провEренных орбIт!
JAвь нAших снOв земл`A не истребIт, —
pолнOчных сOлнц к себE нас мAнят свEты.

Ах, не крещOн в глубOких вOдах лEты
nаш гOрький дух, и пAмять нас томIт.
w нас тлEет боль внежIзненных обIд —
изгнAнники, скитAльцы и поEты!


In Liebesdingen gleichen wir Kometen,
beständig ziehend auf geschlossner Bahn.
Der Wahrheit hat die Wirklichkeit nichts an.
Wir, die wir zu den Mittnachtsonnen beten, --SEHR GUT!


wir wurden nicht getauft im Nass der Lethe:
Der Geist muß sich mit den Gedanken quälen,
mit Schmerzen, Kränkungen, die in uns schwelen,
den Wanderern, Vertriebenen, Poeten.


Deine Reime gefallen mir gut - und Du braeuchtest sie ja auch fuer die weiteren Sonette!

Hier sind also meine - rein inhaltlichen- Korrekturen „innerhalb“ von Deinen Zeilen, damit sie etwas naeher zu dem russischen Text waeren:


In Liebeswelten gleichen wir Kometen,
wir wandern ohne die gepruefte Bahn.
Wir traeumen wahr, - die Erde geht`s nichts an-
Wir, die wir zu den Mittnachtsonnen beten.

Man taufte uns nicht im Abgrund Lethe:
Der Geist muß sich mit dem Gedaechtnis quälen
Und nicht die Lebens-Schmerzen sind, die schwelen,
In Wanderern, Vertriebenen, Poeten.

NOTA BENE: Deine zweite Strophe entspricht, reimisch gesehen, dem Original nicht. Die 6. Und 7. Zeilen muessen sich ja mit „Bahn“ und „an“, aus der 1. Strophe, (zusammen)reimen.
Aber Du weisst es auch ohne mich, stimmt?


Weitere Bemerkungen (Deine Fragen mit meinen Antworten):

Die Zeile 3 verstehe ich nicht so ganz. Ist da wirklich unsere Erde gemeint? oder eher die "Welt" die auch den realen physischen Kosmos meinen kann. Das machte für mich eher Sinn.

-------Nein, er meinte wohl wirklich die „Erde“ – als eine Art „Anti-Thesin“ (bzw. „Anti-Podin“) zu den „Kometen“. Uebrigens: die Erde ist auch im Russischen weiblich, wobei der „Komet“ - merkwuedigerweise!-- nicht maennlich (wie im Deutschen) ist, sondern auch nur weiblich ist (eine maennliche Form fuer die russische „Kometa“ ist einfach unmoeglich).

In Zeile 4 habe ich mir mit "beten eine Freiheit erlaubt, von der ich nicht weiß ob das noch zulässig ist.

----------Sehr gut gemacht! Absolut im Russischen Stil!

Notfalls müßte man hier den Vierfachreim aufgeben, obwohl sich die Kometen ja geradezu aufdrängen.

-------Was die Technik angeht – hier schweige ich lieber...


Zeile 5: Die Christen haben die Taufe nicht erfunden, sondern aus der Glaubenspraxis einiger jüdischer Strömungen übernommen, (Johannestaufe) insofern geht es für mich in Ordnung, wenn der Begriff Taufe auch für andere Arten ritueller Reinigung verwendet wird. Es muß nur aus dem Kontext klar werden, daß hier nicht die christliche Taufe gemeint ist.

-------Hier hast Du natuerlich recht,- aber leider nur fuer Deutschland und den dt. Kontext.
Und im Russischen heisst es eigentlich gar nicht „taufen“, -- sondern (buchstaeblich uebersetzt): „kreuzigen“. Denn die russische Taufe hat sehr direkt mit dem Wort „krest“ (also: Kreuz) zu tun, - und nicht mit "Wasser" (uebrigens: ein schmerzliches Thema in der russischen Geschichte).

Und umgekehrt: wenn die Deutschen ueber den „gekreuzigten“ Jesus reden, - verstehen die Russen das eigentlich nicht. Denn die „Kreuzigung“ Christi nennt man im Russischen mit dem Wort „raspiatije“, - die historisch gar nichts mit einem Kreuz zu tun hat, sondern mit einem anderen, uralten und jetzt kaum gebraeuchlichen, kirchenslawischen Verb (und rein aeusserlich betrachtet sieht es eher dem Wort fuer „fuenf“ aehnlich aus)

Also: Deine Vergleiche mit der juedischen Tradition sind fuer die Russen irrelevant, -- denn eine „Taufe“ kann, darf, soll man in Russland NUR im christlichen Sinne verstehen. (Geschweige schon, dass die alten Russen, unter den „heiligen“ Zaren, - leider!- meistens ausgesprochen antisemitisch waren).

Aber natuerlich hast Du letzten Endes recht: das russische Wort fuer „Taufe“ darf man JETZT auch in einem nicht-christlichen Kontext (meinetwegen auch atheistischen) verwenden. Es bleibt aber immer mit einem „Kreuz“ verbunden, - ob man das will oder nicht…


Zeile 9:

Zitat:
Тому, кто зряч, но светом дня ослеп, —
Demjenigen, der sehen kann, aber erblindet durch das Licht des Tages (Im Russischen klingt светом дня ослеп ungewoehnlich, eher biblisch-erhoben. Eigentlich darf man so was nicht sagen, - denn durch das „Licht des Tages“ kann man nicht erblinden, - also der Autor erwartet hier vom Leser, dass der ihm diese Schlamperei goennen wuerde)
Im Deutschen zumindest hat "blind" den selben Wortstamm wie „geblendet" und Eulen z.B. als Nachtaktive können gerade wegen ihrer hohen Sehschärfe kaum bei Tageslicht sehen. In diesem Fall geht es wohl um den Träumer, der die Traum-Wirklichkeit als die Wesentliche
ansieht, die aber vom Tageslicht überstrahlt wird, so daß er für den Traum erblindet. Einen gewissen Widerspruch sehe ich da allerdings zu Zeile 3.

--------Er meint wohl eher die „Visionen“ und
die allerlei „Prophezeiungen“ als die „Traeume“.

Zeile 12: Wenn er den Träumen eine Wirklichkeit zugesteht, kann man sie vielleicht mit Vision übersetzen.

-----Jawohl! Genau! Aber noch einmal: Im Russischen „sieht“ man die Traeume, - aber traeumt sie eigentlich nicht. Denn es gibt zwei verschiedene Worte: fuer die „Schlaf-Traeume“ einerseits - und fuer die „einfachen", d.h. die Tages-Traeume. Und Woloschin redet eben ueber die „Schlaf-Traeume“.


Zeile 13:

Der Zyklus ist einer Frau gewidmet, insofern würde ich hier die männliche Version plausibel finden, wenn er sich ihr erklärt.

---------Natuerlich. Freilich, wie gesagt: die russische „Kometa“ ist auch weiblich.


Zeile 14 ist mir inhaltlich nicht klar.
Sich wieder zu entfernen, also Abschied nehmen, liegt in der Natur des Kometen, insofern bleibt er im Bild, aber wo kommt der Jubel her?
Ist es ein "feierliches" Abschiednehmen in der Gewissheit der Wiederkehr, oder ein ebenso feierliches Opfer? "Jubel" scheint mir hier nicht hinzugehören.


----------------Im Russischen heisst es:

Тому в любви не радость встреч дана,
А тёмные восторги расставанья!

Also: „dunkle Begeisterung(en) des Abschied( nehmens)“

Ich meinerseits verstehe es weder als ein "feierliches" Abschiednehmen in der Gewissheit der Wiederkehr“
noch als ein „ebenso feierliches Opfer“.

Ich wuerde es eher auf eine masochistische Art interpretieren: man sei eben „dunkel“ begeistert – durch die eigenen Schmerzen. Denn Woloschin bezieht sich auf die „Kometen“, die sich von der „Erde“ wieder und wieder „verabschieden“ muessen. Das ist ein zwar schmerzlicher Prozess - aber man kann ja halt als ein „Komet“ nicht umher (bwz. umhin)…

Und das ist auch kein Opfer - eben eine „dunkle Begeisterung“, ziemlich genau gesagt.

Viel Glueck!
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RE: Maximilian Woloschin: Corona astralis - Magistrale (RU) - von ABC1803 - 06.02.2010, 13:23

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