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Hemmungen
#1
Ich bin ganz zufrieden, hab´heute nichts vor
wer satt ist, der wird auch nicht klagen
da dringt eine Bitte fast flehend an´s Ohr
und das schlägt mir voll auf den Magen

der Anlass ist traurig und hat kein Gesicht
doch flüstert es nur ganz bescheiden
die Armut, sie hat ein zu großes Gewicht
warum müssen Menschen so leiden?

Wer ist denn der Nächste, ein Mensch so wie du
das Schicksal tat ihn nicht verwöhnen
doch statt echter Hilfe hört er immerzu
wie eiskalt Besitzende höhnen

Die Reichen sind oftmals sophistisch
denn Geld färbt den Geist egoistisch
© Dieter Lunow
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#2
Hallo Dieter,

Ein engagierter Text, aber ich stoße mich gleich an mehreren Stellen:

1.:"Der Anlaß ist traurig und hat kein Gesicht"

Hat da ein Bettler an der Tür geklopft, oder ein Tagesschau-Beitrag? Beide hätten durchaus ein Gesicht. Daß eine Statistik dich (bzw. das Lyrich) aus deiner Zufriedenheit reißt, ist nicht ganz überzeugend.

2.: "doch statt echter Hilfe hört er immerzu
wie eiskalt Besitzende höhnen"

Etwas klischeehaft, aber leider wahr. Nur, von Mitleid alleine wird auch niemand satt. Es kommt aber weder echte Hilfe, noch die Selbstreflektion nicht die Welt retten zu können.

3.: "Die Reichen sind oftmals sophistisch
denn Geld färbt den Geist egoistisch"

Der Sophismus besagt zunächst nur, daß es keine allgemeingültige Wahrheit gibt.
Eine sehr bequeme Philosophie um sich aus jeglicher Verantwortung zu ziehen, aber das ist nicht ihr Kern. An der Stelle hätte ich lieber einen weniger misverständlichen Begriff.



Und auf besonderen Wunsch noch eine Formanalyse:

Dem Reimschema nach handelt es sich um ein englisches- oder shakespearisches Sonett. Im Original hat es nur männliche Endungen, aber so streng darf man im Deutschen nicht sein. Auch wenn mir das "sophistisch" nicht gefällt: Das Couplet als weiteres Merkmal des Shakespeare-Sonetts, als eine Art abschließender Moral tritt deutlich hervor.

Als Versmaß hast Du entgegen der Konvention einen Daktylus verwendet:
xXxxXxxXxxX
xXxxXxxXx
xXxxXxxXxxX
xXxxXxxXx

Ein anderes Versmas halte ich grundsätzlich für legitim, ich habe aber meine Zweifel ob der vom Leser immer erkannt wird. Ich brauchte da auch einen zweiten Anlauf. Nicht nur, daß man als Sonettleser gegen seine Gewohnheiten anlesen muß, der erste Halbsatz und auch die komplette zweite Zeile gingen auch im Jambus zu lesen. Wenn man das übliche Versmas verläßt, und das ist im Sonett der fünfhebige Jambus, dann sollten zumindest die ersten Zeilen eindeutig betont werden, sonst kommt der Leser nicht aus dem Stolpern heraus. Hinzu kommt, das du unterschiedliche Zeilenlängen verwendest.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#3
Lieber Zaunkönig,
ich habe mich riesig (und tue es noch) über Deine schnelle Antwort und Deinen mir sehr helfenden Kommentar gefreut; ich danke Dir herzlich.
Liebe Grüße
Dieter
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