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Federzeichnungen eines Reisenden - Wanderungen im Süden
#1
I.

Umrauscht von Pinienfinsternis, umflossen
Vom Mondessilber, klimmt zum Bergabhange
Hinan die Kutsche: Horch, mit gellem Klange
Zuruft der Schwager seinen müden Rossen;

Dann halten wir. Licht strömt aus Erdgeschossen,
Die heißen Gäule schütteln sich im Strange,
Die Fackeln tropfen und im Nachtgesange
Im Halbschlaf liegt das Meer dort hingegossen.

Wir sind in Terracina. Fröstelnd leise,
Gedenken wir der schönen Operntexte
Fra Diavolo’s und stimmen an die Weise.

Doch was geschieht? Inzwischen ach behexte
Sein Enkel uns die Köchin und die Speise,
- Und Hunger war’s, der dies Sonett Euch klexte.
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#2
II.

Vorwärts die Fahrt geht durch die braungesttreckten
Pontischen Sümpfe: Starre Wasser füllen
Mit Wolkenbildern sich, das dumpfe Brüllen
Der Büffel und des Reihers Kreischen weckten

Die Schlafenden, die sich mit Träumen neckten.
Am Horizont, den Morgen zu enthüllen,
Frau Eos lacht aus gelben Schleiertüllen:
Und im Südwest den Gipfel wir entdeckten,

Auf dessen Haupt gleich einer Turbanfeder
in klarster Luft des Rausches Säule schwanket:
Seht den Vesuv! und hier seht her: Aus jeder

Felsspalte hell in Purpurflammen ranket
Die Cactusblüthe. Rollet jetzt, ihr Räder,
Gen Napoli, nach dem die Sehnsucht kranket!
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#3
III.

Wir sind am Ziel: Im brausenden Geschwirre,
Das ebbt und schwillt von Priestern, Mönchen, Laien,
Von Obstverkäufern und von langen Reihen
Demüthger Karrn und goldner Prachtgeschirre.

Oft stockt die Fahrt, ob sich das Knäuel entwirre,
Dann stürmt sie vorwärts: Gelbe Weiber schreien,
Der Fuhrmann schimpft sie – und wir sind im Freien,
Am offnen Platz, drauf Tambouringeklirre

Den Saltarello unermüdlich reizet.
Dort vor dem Thor des „Gasthofs ersten Ranges“
Der Pförtner sich in bunter Kleidung spreizet:

Die Marmortreppen unhörbaren Ganges
Betreten wir, und jetzt kein Reichthum geizet
Der Table d’hote, des Schlafs und des Gesanges.
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#4
IV.

Das Zwielicht eilt. Vesuv, dein Auge düster
Die Nacht durchblitzt, die über dich gesunken;
Bald löscht es aus, bald mahnen seine Fuinken
An Kinderspiele, wenn im Scheit der nüster

Das Glimmen stirbt. Sie sagen dann „der Küster
Geht aus der Kirche.“ Strömend niedertunken
Die Lavagluthen und sind aufgetrunken
Vom Felsgeröll mit zischendem Geflüster.

Wir ritten aufwärts, seit das Licht der Sonnen
In violettem Purpur ging zur Ruhe;
Am Thor des Klosters spendeten die Nonnen

Lacrimae Christi, dann auf starkem Schuhe
Zum Krater ging’s. Vulcan, aus deinem Bronnen
Kredenzt der Tod, du nicht Bescheid uns thue.
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#5
V.

Der Pilger aus linder Mondnachtkühle
Plötzlich gebannt in Einsamkeit und Schrecken:
Sein Traum des Fieber, seine Wohnung – Decken,
Sein Lebenshauch – der Krankheit Seufzerschwüle.

Die Hand, die zitternd bleiche, rupft am Pfühle,
Das Auge stiert in’s glühe Kohlenbecken,
Und Gegenwart, Zukunft, Vergangnes necken
Rasch wechselnd ihn in höhnischem Gewühle.

So blaßt die Zeit hin. Kämpfer ihm zu Häupten
Sind Tod und Heimweh, wer sein Engel würde?
Und die Genesung, über den Betäubten

Ihr Antlitz neigend, trägt zu Schiff die Bürde.
Bald her um ihn des Radschaums Tropfen stäubten:
Er war gerettet, wie vom Wolf die Hürde.
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#6
VI.

Die Thür steht offen, schwere Düfte fließen
Vom Garten zum Kamine, leise schwirren
Guitarrenklänge, die ein Mädchen kirren,
Und Lichtes voll, Dianas Schalen gießen

Die Sehnsucht her zu ruhn und zu genießen.
Die blaue Meerfluth schlummert; manchmal klirren
Die Anker, die im Lufthauch sich verwirren,
Und still und schön des Traumes Lilien sprießen.

in solchem Glanz war einst mir aufgegangen
Der Weihnachtstag, an unserm Baume glühten
Goldfrucht und Licht in buntvermischtem Prangen.

Heut rings um mich Decembernebel brüten,
Drum fragest Du, was stillt mein Heimverlangen?
Dein Herz, mein Kind, und Deines Kusses Blüthen.
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