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Nürnberger, Woldemar: Zwischen Himmel und Erde (5)
#1
Woldemar Nürnberger
(Solitaire)
1818 – 1869

Zwischen Himmel und Erde
Vom Krankenbett

I.


Die Lampe stirbt, schwer auf mich sinkt die Nacht.
Mein Aug ohn Schlaf, mein Busen ohne Rast,
Doch heißt’s: der Herr hat alles wohl gemacht,
Und wohl verdien ich’s, daß er so mich haßt.

Die Lampe starb, ihr selgen Himmelssterne,
Mit euerm holden, milden Niederglühn,
Ich seh zu euch: o zeigt mir eine Ferne,
Nach der vergönnt mir Ärmsten zu entfliehn.

Nur fort, nur fort von diesem dumpfen Bette,
Nur fort, nur fort an eine sonnge Stätte.
Zu menschen laßt mich aus dem stummen Grunde,

Zum Klopfen einer Brust, zum Wort aus einem Munde.
Zu einer Hand, die meine Hand berührt,
Und mir den Trank zur heißen Lippe führt.
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#2
III.

Musik da unten, o! erbarmt euch mein,
Habt Mitleid mit mir armem, krankem Wurm,
Ich kann’s nicht tragen, laßt das Spielen sein,
Euch ist’s Musik, mir aber ist es Sturm!

Euch ist’s Musik, ihr tänzelt mit den Füßen,
Ihr hebt taktierend euren Arm empor,
Mir ist es Höllenflammen-Aufwärtssprießen,
Mir von Dämonen tausendstimmger Chor.

Euch sind es Blüten, mir geschwollne Schlangen,
Die mir den Leib, die mir die Seel umfangen.
Erbarmt euch mein und laßt mein Ohr nicht hören

Der Liebe Sprach’, das tönende Begehren.
Von Tönen nichts, und nichts von Melodieen,
Die vom Vergangenen den Vorhang ziehen.
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#3
V.

Mann! beten soll ich? und du gabst den Wein?
Was könnt’ ich wohl vom Herren noch erflehn,
Als diesen Trank, den hier am Busen mein,
So will ich gern, wohin du forderst, gehn!

Laß mich nicht beten, laß den letzten Hauch
Des armen Daseins, das sich mir geboten,
Vergehen in dem Zaubertrank, dem roten,
Du schwarzer Mann! Und trinkest du nicht auch?

Zwar dir zählt nicht wie mir sich die Minute,
Dir wird des Weins noch mancher Trunk zugute.
Mir aber botest du im Abendmahl

Den purpurschäumenden Goldpokal
In dieser Stund zum allerletzten Male,
Und dann hinauf aus diesem Erdenthale.
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#4
VI.

Du winkst noch einmal, daß ich beten soll;
Sieh, dieser Trank war heiligstes Gebet,
Wenn andachtsvoll so jede Lippe fleht,
So hat die Gottheit gnug an solchem Zoll.

Mich darf sie nicht, mich wird sie nicht verschmähen,
Ich habe warm für diese Welt gefühlt,
Oft hat mein Aug zu ihr emporgesehen,
Wenn Erdenschmerz den Busen mir durchwühlt:

Wenn mir von meiner namenlosen Pein
Die Knie ohnmächtig zitternd brachen ein.
Und das war oft, ich kann es dir beschwören,

Und manche Mitternacht, sie kann es, ach!
Ihr könnt’s, ihr Geister meiner heißen Zähren,
Du kannst’s mein Herz, mit deinem letzten Schlag!
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#5
VIII.

Er ging! Und nun du dir, mein einzger Gott,
Jetzt bin ich frei, zertrümmert ist der Spiegel,
In dem des Menschengeistes schnöder Spott
Dein Antlitz zeigt! Auf goldnem Cherubflügel

Empor zu dir! Ich fühl’s, du nimmst mich an,
Zu jeder Freude, die ich tragen kann.
O dieser Wonne unbegrenzte Schranken!
Den letzten Tropfen irdischer Gedanken

Wirst himmlisch schaudernd von sich mein Gefieder,
Ich fluch’ dir nicht, du kreisgewundne Hyder,
Die man den Erdball nennt, ach! Fluch

Bist du dir selbst auf ew’ge Zeit genug.
Ich segne dich aus dieser Himmelsferne,
Wie ich als Mensch gesegnet oft die Sterne.
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