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Das Kesselfleisch
#1
Das Kesselfleisch
(Versuchs-Anordnung auf deutschem Gelände)



„Zum kühlen Grunde“ lockt, von reichlich Lindenbäumen
beschirmt, von Jägerzaun begrenzt, die Strauß-Wirtschaft.
Hier liegt das Wachstuch aus rot-weiß und hübsch gestrafft.
Die Wirtin äugt herum, schon Gläser abzuräumen.

Schön gleitet Zeit dahin mit Schwätzen, Trinken, Träumen.
Die gute Sonne scheint, wie selten, meisterhaft.
Es saust der Wein, das Bier steigt auf mit großer Kraft,
allein das Kesselfleisch will noch nicht richtig schäumen.

Da kommt ein Schwarzer an. In einem Jaguar!
Mit einer blonden Frau am Arm! Das ist nicht wahr!
Das gibt es nicht! Infarkt bedroht jetzt die Idylle.

Das Paar sucht einen Tisch. Aufschäumt das Kesselfleisch
und tobt im Topf. Doch dann wird alles stumm und keusch:
Die Frau reicht ihrem Mann die dicke Blindenbrille.
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#2
Lieber Zaunkönig,

diesem Sonett liegt ein Gedankenbild zugrunde, das von Hermann Glaser stammt, dem Kulturhistoriker (hatte auch schon die Ehre, mit ihm zusammen zwischen 2 Buchdeckeln zu erscheinen: Gestylte Geschichte. Vom alltäglichen Umgang mit Geschichtsbildern, Münster 1989). Er beschrieb die Nachkriegsatmosphäre in der BRD als "panisches Idyll". Diese Formulierung hat mich fasziniert und jahrelang begleitet. Ich suchte nach einem geeigneten Stoff, das einmal darzustellen. Das sonett (Ende der 90er geschrieben) ist ein solcher Versuch.

Liebe Grüße aus freiburg

Dirk
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