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Arlt, Ingeborg: Drei Sonette von I. für J.
#1
Ingeborg Arlt
© bei der Autorin


Drei Sonette von I. für J.

1


Und wie es mir denn geht? Ich kann nicht klagen.
Zwar ist es schwer, in Worte nichts zu fassen
(für mich, die ich die leeren Worte hassen
und meiden soll), doch meine Freunde schlagen

sich auf die Seite derer, die nichts wagen
und viel verraten. Stumm bin ich. verlassen
wird ich mich doch auf die nicht. Aufzupassen
ist besser und kein Wort von dir zu sagen.

Denn dass ich dich hab, doch nicht ich dich habe
Zu klagen denen, wär Verrat. Ich schwatze
Jetzt so wie sie. Jedoch nicht lange mehr.

Zahlt sich der Wortschatz aus, nach dem ich grabe,
zahl ich’s auch ihnen heim mit jedem Satze.
Und dann wird’ ich auch klagen. Laut und sehr.
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#2
2

Ich bin nicht lieb und schön. Ich bin. Und schreibe
Auch das dir zu, dass ich nicht mehr vergehe
Vor Scham darüber, wie ich selbst mich sehe
Und dass ich nun vergnügt mein Wesen treibe.

Zu gleichen keinem Bild von einem Weibe
Ist nämlich kein vergnügen sonst. Ich stehe
Die Angst nur nicht mehr aus in deiner Nähe
Vor dem, was ich erfuhr am eignen Leibe:

Dass harte Strafen stehen auf die Treue,
die man sich selber hält. Die Strafen alle,
für die ich dem Gerücht nichts schuldig blieb.

Denn dir ist Recht, dass ich sie nicht mehr scheue.
Du findest schön, dass ich so oft missfalle,
und dir ist, was ich für ein Weib bin, lieb.
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#3
3

Ach, Lust, Mensch, hatt ich schon. Was ich entbehrte,
war doch nicht die. Bei Leibe nicht. Ich brannte
auf Liebe aber. Und mich übermannte
fast nichts von allem, was das Herz begehrte.

Und Liebe? Die, nach der ich mich verzehrte?
Wenn mich schon mal wer seine Liebe nannte,
dann war es einer, der nicht mich erkannte,
sich dafür aber mir sehr schön erklärte.

Ich liebte nicht bisher. Nicht wie wir sollen.
Und wär doch gern wem ganz bekannt gewesen.
Ich lieb erst jetzt. denn jetzt erst kann ich’s sein.

Du hast dir nichts vom Leibe halten wollen.
Du hast das Herz, du ja, in mir zu lesen.
Und dein, Mensch, bin ich. Dein und ich und dein.


Zuerst veröffentlicht in „Auswahl 80“
Berlin, Verlag Neues Leben“ 1980
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#4
Das vierte Sonett von I. für J.

Komm, du, soll ich im Ernst Entwürfe machen,
den Geist, des Kind ich bin, im Ernst vertreten,
im Ernst das Wort dem Übermorgen reden,
dem Leben nämlich, dem milliardenfachen,

und allen Ernst, geht es ums Leben, machen
doch Fleisch und Blut (Was zeugt denn gegens Töten
wenn nicht bei Sinnen sein, bei schön beredten!) –
ja sprechen so, du, Taten und Tatsachen,

dann, dass ich höre, rieche, schmecke, sehe
und dass ich fühl, wie sich in uns so vieles
entgeistert allem Enden widersetzt,

fang oft so an, dass ich durch deine Nähe
schon bald den bittren Ernst des süßen Spieles
vergesse, fast besinnungslos, im „Jetzt!“


zuerst veröffentlich in
„Temperamente. Blätter für junge Literatur“, Heft 4 / 1982
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