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Waldandacht
#1
I.

Soll ich die Gottheit meiner Andacht nennen?
Den Tempel, wo das Herz mir überfließt?
Diana ist’s, wo duftend Halden brennen,
Der Bergwald sich zu dichten Schatten schließt.

Wo frei und üppig mich umgarnt die Wildnis
Und unentweiht der Erde Frühlingsschoß,
Beschwört mein Geist der herben Hoheit Bildnis
Und klaget Nymphen ein entartet Los.

Mag Purpur an beschwerter Tafel zechen
Und in des Marmors dumpfe Kerker fliehn,
Den Laib des Hirten will ich segnend brechen,
Der Quelle Labsal dürstend in mich ziehn,

Und mit des Neugebornen frohem Stammeln
Die Blütengabe reinen Opfers sammeln.
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#2
II.

Verhaßte Kuppeln, die von Golde strahlen;
Des eingemauerten Geschlechtes Stolz!
Das Morgenrot beleuchtet eure Qualen
Und jeder Tag spannt euch aufs Marterholz.

Er schleift das Elend keuchend durch die Gassen,
Hohlwangige Gespenster ihrer Gruft;
Von ihrem Schweiß läßt er die Lüste prassen
Und füllt mit Seufzern die bequalmte Luft.

Und du, o Markt der Flitterherrlichkeiten,
Um den sich Gier und Neid begaffend drängt,
Ihr, Prunk und Glanz und schnöde Eitelkeiten,
Erstickender Genuß, in Haß gezwängt:

Ich lache eurer von den blauen Gipfeln
Und bette meine Ruh’ zu hohen Wipfeln.
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#3
III.

Die Quelle nur genießt des holden Reizes
Der strengen Göttin, die den Küssen gram.
Die Lockung wächst im Banne solchen Geizes;
Denn wen verführte nicht die herbe Scham?

O Seele, flieh! vertraue nur den Liedern
Den schnelleren, den bangen, müden Schlag.
Du tauchst hinab mit keuschen Liebesgliedern
In weicher Rhythmen Flut am hohen Tag.

Laß keinen Frager deine Nacktheit schauen!
Dein Buhler sei der Wind, die Welle Magd,
Die Wolke Botin, deine Wohnung Auen,
Dein Ruhebett der blumige Smaragd;

Und in der Dichtung kühlend-blankem Spiegel
Gewahre deiner Bildung Himmelssiegel.
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