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Weltuntergangs-Sonette
#1
Weltuntergangs-Sonette

I.


Am Tage, da die Welt sollt' untergehen,
Berührt vom Flammenschweife des Kometes,
Wie es verheißen kundige Propheten,
Die mehr als andre in den Sternen sehen;

Da, unter Weinen, Jammern, Schluchzen, Flehen,
Beim nahen Schall der Weltgerichtstrompeten,
Indeß die Einen fluchen, Andre beten,
Da ist der Wunder köstlichstes geschehen.

Nicht fraget, was! Nie wird aus meinem Munde
Ein sterblich Ohr die Kunde je erlangen
Von dem Geheimniß jener süßen Stunde.

Nur so viel wißt: indessen, furchtbefangen,
Die alte Erde bebt' in ihrem Grunde,
Ist eine neue Welt mir aufgegangen.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#2
II.

Ja, es versank die altgewohnte Erde,
Dies Schattenthal, wo nichts als Thränen fließen,
Wo stets die Reue folgt auf das Genießen,
Der Nebelball voll Kummer und Beschwerde.

Durch neue Himmel lenkt die Flammenpferde
Der Sonnengott, in neuen Ufern fließen
Die Ströme jetzt, und neue Blumen sprießen,
Die nie verblühn, auf neues Schöpfungswerde.

Wie aber hat sich dieses zugetragen?
Wer hat, o sprecht, dies Wunder angerichtet?
Ein lächelnd Kind – nichts weiter darf ich sagen.

Der Seele Himmel hat sie mir gelichtet,
Daß wiederum, wie in der Jugend Tagen,
Mein jauchzend Herz in Tönen denkt und dichtet.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#3
III.

Brich denn herein! Laß deine Donner rollen,
Weltuntergang! Ich lache deiner Schrecken,
Der Flammen lach' ich, die begierig lecken,
Als ob sie Erd' und Meer verschlingen wollen.

Was kümmert mich der Sterne zürnend Grollen?
Der Arm der Liebe, weiß ich, wird mich decken,
Ein treuer Wächter, wird sie mich verstecken
In ihrem Schoß, dem süßen, wonnevollen. –

Und so geschah's! Der Sturm, der uns bedrohte,
Zum Zephyr ward er; mit verkohlten Gluten,
Verschämt entwich der feur'ge Todesbote.

Und duftend hob aus neugestillten Fluten
Ein Eiland sich, verklärt vom Morgenrothe,
Darauf zwei Liebende in Schlummer ruhten.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#4
IV.

Und war es wirklich keine falsche Kunde,
Und haben die Propheten nicht gelogen,
Und brechen wirklich heut' des Himmels Bogen,
Und Flammen schlagen aus dem finstern Schlunde:

Gegrüßt auch du, des Erdballs letzte Stunde!
Von der Geliebten süßem Hauch umflogen,
Verschränkten Armes, Mund an Mund gesogen
Im Wonnerausch, wie gern' geh' ich zu Grunde!

Rast, Stürme, rast! Entweicht, ihr goldnen Herden,
Die ihr am Himmel weidet! Brich zusammen
Im tiefsten Kern, du morscher Bau der Erden!

Versiegt, o Sonnen, ihr urew'gen Ammen!
Zum Brautbett muß das Chaos selbst uns werden,
Indeß als Hochzeitfackel Welten flammen!
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#5
V.

Nein, höhnt ihn nicht, den Aermsten, den Kometen,
Weil er sich heimlich machte auf die Socken!
Vor meiner Liebsten ist er so erschrocken,
Daß er es vorzog, gar nicht aufzutreten.

Das blaue Auge sah er, süß betreten,
Das flammende, vor dem die Pulse stocken,
Es sah von fern das Wallen ihrer Locken,
Wie sie gleich einem Schleier sie umwehten;

Und sprach zu sich: O welche holde Tücke!
Mit diesem Weib fürwahr kann ich nicht streiten,
Vor ihrem Glanze zieh' ich mich zurücke.

Sprach's und versenkte sich in Dunkelheiten,
Gebannt von meiner Liebsten süßem Blicke,
Als blasser Mond die Erde zu begleiten.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#6
VI.

Nicht zürne mir, daß ich vermag zu scherzen
Und Lieder reime mit verwegnem Munde
Von jenem Tage, da zu ew'gem Bunde
Sich in einander gossen unsre Herzen.

Laß dich mein übermüthig Spiel nicht schmerzen!
Du weißt ja, Liebste, was mir diese Stunde,
Und wie in meiner Seele tiefstem Grunde
Nun ewig leuchten ihre heil'gen Kerzen.

Es giebt ein Glück, so über alle Grenzen,
Daß, während dankerfüllt die Lippen beten,
Die Augen doch von süßer Lust noch glänzen.

Solch Glück, solch sel'ges, gabst du dem Poeten,
Und wie man Heil'ge schmückt mit bunten Kränzen,
So nimm auch du die Lieder vom Kometen!
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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