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Sonette aus dem Orient ( von 1864 ) See und Hafen (14)
#2
Sonette aus dem Orient

Meerfahrt

I.


Wir fuhren auf der großen Wasserwüste,
So weit das Auge reichte, spiegeleben;
Kein grünes Eiland, keine ferne Küste,
Sogar kein Wölklein im Vorüberschweben!
 
Wie nun mein Herz sein großes Sehnen büßte!
Die weite Leere macht’ es zaghaft beben, -
O daß mich einer von den Bergen grüßte
Die kühn zum heimatlichen Himmel streben!
 
Doch horch, ist’s eines Flusses Rauschen nicht?
Die träge Flut durchwühlt des Dampfers Rad
Und mächt’gem Strome gleicht der Wasserpfad.
 
Aufperlend kühlt der Schwall mein Angesicht;
Ich starr’ in’s Wellenspiel, so kraus und schäumend,
Von deinen Wassern, grüne Heimat! träumend.


II.

Seid mir gegrüßt! Ich folge gleichem Drange.
Das Meer beschaut ihr euch im raschen Fluge,
Und netzt das Flügelpaar und folgt dem Zuge
der kühnen Menschenschifflein gern und lange.
 
Ob plötzöich vollsten Wind das Segel fange,
Ihr, Möwen, seid doch niemals im Verzuge.
Die sich zu weit gewagt, die minder Kluge,
Umklammert herzhaft eine Mastenstange.
 
Ihr mahnt uns an die nahe Sturmesstunde,
Wenn ängstlich euer Flug und schrill der Pfiff.
Und matter glänzen eure Silberschwingen
 
Ihr bringt von Land und Hafen frohe Kunde
Und warnt uns treulich vor dem falschen Riff.
Und vor den Wirbeln, die das Wrack verschlingen.


III. 

Die Nacht ist schwarz, von keinem Stern erhellt,
Kein Blick durchmißt der Finsternisse Strecken;
Es braust und prasselt, Sündflutregen fällt,
Es saugt ihn auf des Meeres weites Becken.
 
Weil Tropfen, plätschernd auf das Deck, dich wecken,
Erbangst Du, Herz, und ist dein Mut zerschellt?
Mehr ängstigt dich: ringsum derselbe Schrecken,
Es rauscht ein zweites Meer vom Himmelszelt!
 
Wer denkt es aus mit menschlichem Gehirne?
Das Meer, und rauscht der Regen voll und dicht,
Es wächst von Milliarden Tropfen nicht!
 
Hu, kalter Angstschweiß rieselt von der Stirne
Und Ahnungsschauer fröstelt durch’s Gebein:
Unendlichkeit! – o Mensch, wie bist du klein!


IV.

Mathilde stieg nach grauser Wetternacht
Auf’s Deck, das Angesicht noch angstgebleicht,
Das Auge trüb, die Schritte schwankend sacht;
Sie nahm den Arm, zur Stütze dargereicht.
 
Der goldnen Flut entschwebt in stiller Pracht
Die Sonn’, ein Schauspiel, dem kein and’res gleicht;
Auf Wellen glänzt ihr Bild vertausendfacht,
Wie weggehaucht der Nebelschleier weicht!
 
Des Mädchens feuchtes Auge klärte sich,
Die Wangen glühten wieder schön und jung.
Zu heller Loh’ erglomm das blonde Haar.
 
Die Stunde war so reich und feierlich,
So frei, so eins war unsrer Seelen Schwung,
Als sollten wir uns trennen nimmerdar.


V.

Wenn Meer und Himmelswölbung sich berühren
Und eine Linie kaum die Grenze zieht:
Wie schweift das Aug’! Ob es sich müde sieht,
Kein Halt ist ob den Wassern aufzuspühren.
 
Entmuthigt sinkt der Blick ... doch siehe, führen
Schiffsleute Gläser nicht ans Augenlid?
Es naht ein Punkt der wieder schnell entflieht,
Doch deutlicher sich bald beginnt zu rühren.
 
„Ein Schiff in Sicht!“ Und alle Blicke langen
Nach ihm, und weiße Segel, Masten, Stangen
Erscheinen und die stolze Flagge vorn.
 
Ein Schiffergruß! Als Antwort scholl ein zweiter;
dann glitt der Segler haltlos, ruhig weiter,
Ein Riesenschwan, nach Stambuls goldnem Horn. 


VI.

Ein Meer von Nebel auf dem Wassermeer!
Das ein’ ist naß, das andre, leichtre, feucht;
Das eine braust zum Bord empor, der keucht,
Das andre wälzt sich lautlos drüber her.
 
An allen Wimpern hängt es trüb und shwer,
Wo weilt das Licht, das Nacht und Nebel scheucht?
Sieh hin und sag, was Schiff und Mast dich deucht.
Der Mast ein Strunk, das Schiff ein Wrack nur mehr.
 
Bleibt eng und traulich auf dem Deck geschaart-
Wie Jener schnell im Dämmer sich verlor,
Und schnitt von uns nur wen’ge Schritte vor!
 
Wie diese, so des Menschen Lebensfahrt,
Umgeben oben, unten, ringsumher
Von grauen Nebeln, grausem Flutenmeer.
 

VII.

Der Dampfer naht, vom Ruße rein und Fette,
Zum Grunde fährt die dreigezungte Hyder,
Geschäftig eilen Barken hin und wieder
Und zeichnen Bahnen auf die Spiegelglätte.
 
Vom Boote rankt sich der Begrüßung Kette
Zum Deck hinan, vom Deck zum Boote nieder,
Matrosen, schmuck gewichste, summen Lieder
Und rühmen ihre Fahrten um die Wette.
 
Sonntäglich heiter ist die Hafenrast
Und freudig schwankend tritt der Fuß an’s Land,
Wenn festlich sich verbrüdern Stadt und Mast.
 
und wenn dich keinerlei Sirenen riefen,
Belausch das Meer und schau vom Schiffesrand
Des Mondes Bild in Flammenhieroglyphen.


VIII. Quarantaine
 
Wir sind im Hafen. Deutlich unterschieden
Am Molo wogt das Volk in bunter Tracht;
Der Thürmchen grüßt, der Kuppeln heitre Pracht,
Und golden lockt die Frucht der Hesperiden.
 
Die Boote kehren wieder, die geschieden,
Und nehmen freudig auf der Segler Fracht; -
Bei uns nur legt nicht eines an. Die Nacht
Beginnt, wir sind vergessen, sind gemieden.
 
Auf uns’rem Decke gähnt die Langeweile;
Kein Kahn, daß er mit uns hinübereile,
Wird losgebunden, keine Brücke sinkt.
  
Der gelbe Wimpel, der vom Maste weht,
Gibt kund, wie träg uns hier ein Tag vergeht,
Der drüben noch in tausend Lichtern blinkt.


IX

Es dämmert; zögernd stoßt das Boot vom Lande.
Wo Gruß und Scheiden sich zu nahe sind;
Schon qualmt der Schlot, den Rauch entführt der Wind,
Der Anker reißt sich ächzend los vom Sande.
 
Hurrah! vom Bord, Addio! her vom Strande,
Und Gruß um Gruß verweht, verhallt geschwind;
Der Ferne Dunkel macht das Auge blind,
Nur Punkte flimmern noch vom Molorande.
 
Und wie nun aus der Bucht das Schifflein biegt,
Nur noch ein Schatten auf den Schatten liegt,
Doch selbst vom Schatten läßt das Auge schwer.
 
Noch weidet sich der Blick an hellem Strahle,
Des über Klippen ragenden Fanale,
Dann dehnt sich Nacht und Schweigen übers Meer.



 
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Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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Sonette aus dem Orient ( von 1873 ) Meerfahrt (9) - von ZaunköniG - 18.09.2023, 07:53

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