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Sonette aus dem Orient ( von 1864 ) Die Wüste (16)
#2
Sonette aus dem Orient
( von 1873 )


Die Wüste

Die Pyramide

I.


O Königspyramid’! Im Morgenschein
Ein erzener Kolossus im Erglühen!
Geschmolzen Erz, d’raus Lichtesfunken sprühen,
Ist rings der Sand und Erz der Felsenrain.

In leichte Schleier hüllt der Nil dich ein,
Die rosig dämmern in den Tagesfrühen
Und purpurn mit dem Abendroth verblühen;
Die Mittagssonne schaut dein nackt Gestein.

Dein Schatten dehnt sich, ist der Mond entfacht,
Weit über starre Fluten Sandes hin,
Als wolltest du dem bleichen Licht entfliehn.

Bist wahrhaft groß in solcher Vollmondsnacht
Und hehr und werth, o Pharaonenmal,
Daß sich verdopple deiner Jahre Zahl.


II.

Erklettert hab ich deine Stufenwände,
Wie’s Andre freventlich vor mir gewagt;
Denn Staub sind längst, die frommen Sinns gezagt
Dem größten Werk zu nahn der eignen Hände.

Ich grüß euch, Palmen, so ihr Datteln tragt,
Dich Nil, verborgner Gottheit Segenspende,
Oasenland, dich reiches Stromgelände,
Dich, Stadt, von hundert Kuppeln überragt!

Könnt’ ich den Stift in eu’re Farben senken,
Und wollt’ ein Genius die Hand mir lenken,
Ich schüf ein Bild zu schönster Augenweide:

Des Niles Eden rechts, und links die Wüste,
Und hingestellt als Markstein zwischen Beide
Der Pyramide riesig Schaugerüste.


Die Sphinx

I.

Sahara’s Kind und Königin zugleich!
Du hast die Wüsten unruhvoll durchzogen;
Der königliche Leu war dir gewogen,
Dein Pfühl war die Oase, kühl und weich.

Doch hehre Lust befiel, der Liebe gleich,
Dein Herz, zu schaun, wo früh am Himmelsbogen
Empor der Sonne goldne Strahlen flogen,
Zu schau’n der Sonne lichtes Freudenreich.

Die Sehnsucht trieb dich an der Wüste Saum,
Hier sahst du Menschen, Menschenthum und Sitte,
Des Landes Pracht, den Nil in seiner Mitte –

Das war der Sonne Reich, dein schöner Traum!
Dein Herz, wie konnt’ es solch’ Entzücken tragen?
Wie sollt’ es länger noch in Sehnsucht schlagen? -


II.

Du trägst ein frohes, lichtes Menschenhaupt,
Des Segens Fülle bergen deine Brüste;
Und bist zur Hälfte doch ein Tier der Wüste,
Dein Rücken ist vom rothen Sand bestaubt.

Ja, Kind der Wildniß, wer die Lösung wüste!
Du starrtest dann nicht länger sprachberaubt,
Ein Eden sproß’te wieder, kühlbelaubt,
Du regtest dich, erwachtest, Süßbegrüßte!

O Räthselbild, für ewig hingestellt,
Ich steh, ein Zwerg, vor dir in ernstem sinnen,
Läßt eine Deutung sich dir abgewinnen?

Cultur, du Leuchte, die den Geist erhellt,
Sie, die den Sohn der Wildniß reich gemacht,
Sie hat um Freiheit ihn und Kraft gebracht.


Vorüberziehende Karawane

Der Führer saß auf hohem Dromedar,
Auf rother Decke, gold und quastenreich,
Das Antlitz mächtig, ernst und mild zugleich,
Zum Gürtel floß des Bartes Silberhaar.

Vorüber zog der Wüstensöhne Schaar
Auf braunem Sande buntem Streifen gleich,
So feierlich der Trab, so leis und weich,
Als ob sie folgten einer Todtenbahr.

Wohl spickten ihren Gurt Pistolen, Dolche,
Doch drohte mehr der Männer Blick, als solche.
Wie mußten fremd den Fremden wir erscheinen!

Ich suchte mir ihr Bildnis festzuhalten,
Mir war beim Antlitz jenes schönen Alten,
Als schaut’ ich noch der Patriarchen Einen.


Geier

Die Sonne, blendend hell zurückgestrahlt,
Verriet uns Wassers Nähe: schneller traben
Die Gäule, wir auch lechzten uns zu laben –
Ein fauler Sumpf benahm den Wahn uns bald.

Zwölf Geier, an Gefieder mannigfalt,
Mit nackten Hälsen, die Cystern’ umgaben
Und schlürften aus dem schlammgefüllten Graben,
Mißgönnend unsren Tieren Tränk und Halt.

Sie schwärmen lautlos, wie’s der Wüste eigen,
Um unsre Häupter, und es wirkt beklemmend
Dies dumpfe Kreisen, und den Athem hemmend.

Von Aesern satt vollzog die Geierschaar
In stummen Lüsten einen Todesreigen,
Der grauenvoller als die Wüste war.


Eine Mondnacht

Zu fahlem Dämmer bleicht das heitre Licht
Des Mondes, über Wüstensand ergossen.
Kein Schatten kommt in’s Schimmergraun geflossen,
In’s große schweigen nur dein Athem bricht.

Dein Fuß, er wagt vom Lager der Genossen
Ins Oede, Leere wen’ge Schritte nicht,
Und wie dein Adlerblick zu Boden kriecht,
Dem doch Unendlichkeit sich rings erschlossen!

Ein weiter Totenacker ist die Wüste –
Wie lange harrt das nackende Gerippe,
Daß ihm den Hügel schichte Wind und sand?

O Schauder! Wenn ich hier verderben müßte!...
Im Zelte kreis’te hell von Lipp’ zu Lippe
Der Cyperwein, und jedes Schreckbild schwand.


Der Kakusin

Wie Goldstaub war der Wüste feiner Sand,
Die Sonne streifte scheidend d’rüber hin;
Doch keinen Ruhepunkt das Auge fand –
Ein endlos Einerlei, das tödtend schien!

Da plötzlich nordwärts ohne Widerstand
Mit heißen Schwingen raste Kakusin,
Ein Leben, kühn, gestaltenreih, entwand
Der regungslosen Wüste sich durch ihn.

Ein Körnlein rückt erst nachbarlich zum andern,
Dann eilen in Mäandern tausend fort,
Und mehr noch, mehr, Lawinen Sandes wandern!

Doch was er heut entführt und aufgeschichtet,
Die Wellenhügel hier, die Berge dort,
Das hat der Stürmer morgen schon vernichtet.


Beduinen

Wie Sturmesmöwen über Meere fliegen,
Durchjagt der weiße Burnus braune Strecken, -
Der Wüste Poesie, der Wüste Schrecken –
Im Wady seine dunklen Zelte liegen.

Noch weiden Rinder auf der Trift und Ziegen;
Der Morgen wird sie kaum mehr hier entdecken,
Geplündert melden jene Dörfer, Flecken
Vom Zug der Wüstenmänner, ihren Siegen.

Sich zinsbar halten sie die ganze Welt,
Mit ihrem Lager zieht vom Saatenfeld
Das zarte Grün, der Ernte reifer Segen.

Doch heilig wird der Handschlag noch geachtet,
Und wenn der Wand’rer einsam schier verschmachtet,
Sie laben ihn auf ihren schnellen Wegen.


Eine Wüstenkönigin

Ein reiches Dromedar wird vorgeführt,
Mit Talisman gefeit und Amuletten,
Des Stammes Schönste will darauf sich betten,
Wie stolz das Thier die stolze Last verspürt!

Sechs Männer sie zu Schutz und Diensten kürt,
Bereit, sie durch der Feinde Schwarm zu retten
Und Gut und Blut an ihren Wink zu ketten,
Sie wissen, was der Königin gebührt.

Die Heldenjungfrau sitzt im Rath der Männer,
Zu Boten ordnet sie die schnellsten Renner
Und ihrem Worte horcht der weisen Ohr.

Der schmählich seine Königin verlor,
Geächtet ist der Stamm, verfehmt, gebannt;
Sein Name wird fortan nicht mehr genannt.


Moses

I.


Nach Raphidim kam Amalek zu streiten
Mit Gottes Volke; Moses stieg bergan
Mit Hur und Aaron, hob zu beten an
Und Hand und Arme flehend auszubreiten.

Nach Hülfe langt’ er aus und schon begann
Der Feind verwirrt zu fliehn nach allen Seiten;
Doch als die Arme lässig niedergleiten,
Erwächst den Feinden Übermacht fortan.

Da rücken Hur und Aaron einen Stein
Zur Stell’ und stützen knieend Mosis Hände
Und lehnen Gottes Stab in seine Rechte.


Und Moses ward nicht müd an Arm und Bein,
Er betet sitzend, bis der Tag zu Ende.
Bis Israel Obsieger im Gefechte.


II.

Und Moses stieg vom Berg der Donner wieder
Auf dem er vierzig Tage lang verblieben;
Er trug die Tafeln des Gesetzes nieder,
Das Gottes Finger selbst in Stein geschrieben.

Er horcht; es rauscht bergan wie Siegeslieder.
Wird Israel geschlagen und vertrieben?
Und welchen Feindes Jubel hallen wider
Die Hänge, die sich hundertfach zerklieben?

Und näher schreitet Moses dem Gejohle.
Jehova’s Volk, es tanzt und jauchzet laut,
Sein Reigen gilt dem goldenen Idole.

Und siehe, der Prophet ergrimmt deshalb,
Zerschmeißt die Tafeln, daß dem Volke graut,
Zornwettert und zermalmt das Götzenkalb.


Elias

„Ich eiferte für Dich mit Kraft und Mut;
Mit Grimm bewaffnet hast Du meine Rechte,
Hast hingerafft durch sie die Götzenknechte,
Daß noch der Kischon dampft von ihrem Blut!

Doch ob ich täglich Dir auch Opfer brächte,
Und Du sie zündetest mit Himmelsglut:
Kein Zeichen frommt dem störrigen Geschlechte,
Es stößt von sich das Bündnis deiner Hut.

Sieh hin, sie räuchern auf den Höhn und beten
Zu todten Götzen, Herr! und die Propheten
Die du gesandt hast, würgt die Frevlerhand.

Mich sucht der Tod, umlauert das Verderben,
Mein Fuß ist wund, mein Lager Wüstensand,
Die Kraft dahin: - - Jehova laß mich sterben!“



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Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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Sonette aus dem Orient ( von 1873 ) Die Wüste (13) - von ZaunköniG - 09.09.2023, 09:29

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