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Sonette an eine Roverettanerin (73)
#4
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LXI.

Kohlschwarzes Haar, das nur mit zögern weicht
Von der atlaßnen Wange: Mittelgröße;
Ein blühend warmes Fleisch, soweit die Blöße
Der vollen Brust, der runden Schulter reicht -

Die feingeschnittne Griechennase leicht
Emporgeworfen, und der Mund, als schlösse
Sich eine Rose auf, so rot, und flösse
Sie über von des Morgens Thau; so feucht

Ein blaues Aug', das lange Wimpern zieren,
Und eine Hand, die niedlich und so nett,
Ein Kind, das starb, ins Paradies zu führen

Ich zeichne schlecht. Ein weibliches Porträt
Kann man nicht trefflich malen im Sonett,
So wenig als in Leipzig illustrieren.


LXII.

Laß doch die schwere Liebesnot beiseite
Und werde mir ja nicht sentimental,
Solch' Lindenblütenwangen sucht die Qual
Am allerliebsten auf als ihre Beute.

Der Morgen flammt, geh' du hinaus und läute
Die Frühlingsglocken rings in jedem Thal,
Und statt zu weinen, schleife mir den Stahl
Und segne mir die Fahne vor dem Streite.

Es giebt nur einen wahren großen Schmerz
Gefesselt in dem Kerker liegen müssen,
Wenn Rosenwolken alle Berge küssen.

Und will dir dünken, daß kein andres Herz
So still verschmachte unter glühnden Kohlen,
Denk' in des Urals Schachten an die Polen.


LXIII.

Es spielte der Athlete auf dem Rasen
So kühn und leicht mit des Aleiden Ast
Und Centnrtkugeln, daß die Gaffer fast,
Daß er wie er geboren sei, vergaßen.

Wenn erst die Leute wüßten, die da saßen,
Was du, mein Kind, für Riesenkräfte hast;
Mit meines Kummers ungeheurer Last
Spielst du so zierlich wie mit Seifenblasen.

Hebst mit des kleinen Fingers schwachem Glied
Von einem Grabe den granitnen Stein,
Dran ein Jahrzehent wälzte ... Schau' hinein,

Da liegt kein Gottmensch, bittrer Leiden müd,
Von deines Auges hellem Sonnenschein
Rot angelächelt, schlummert drin mein Lied.


LXIV.

Der alte Jude möchte seine Taschen
Mit deinem Golde füllen; denn sein Kahn
Braucht frischen Wind ... Trink nur, er setzt daran
Die Silberhäupter der Champagnerflaschen.

O sage mir, mit welchem schwarzen Plan
Die Stunde schwanger geht? Lass mich erhaschen
Ein Zeichen! Nur ein Blick! Mit einem raschen
"Wie geht es Ihnen?" werd' ich abgethan.

Was soll ich sagen? "Fräulein, gut, zu dienen" -
Und mit der Eifersucht beredten Mienen
Dir schnöde lügen in das Angesicht?

Mich wundert nur, dass du den Heiland nicht,
Des Auge hier am Kreuze sterbend bricht,
Nicht auch schon fragtest: "Nun, wie geht es Ihnen?"


LXV.

Kannst du die Eiche, sprich, des Sturms Ergötzen,
Des Ruhmes Liebe und des Donners Braut,
In einen Topf vor deine Fenster setzen,
Wie irgend ein gemeines Küchenkraut?

Willst du von ihren Sängern einen Laut,
Ein einzig Blatt von ihren grünen Schätzen,
Mußt du hinaus und dir den Fuß benetzen,
Wenn es dir auch im dunkeln Walde graut.

Du sollst nicht sagen, daß ich dich betrogen!
Ich stehe fest für eine Ewigkeit,
Gewurzelt in dem Haß und in der Liebe;

Dir aber war der Weg u mir zu weit,
Und alles wohl ermessen und erwogen,
Schmeckt doch die Eichel herber als die Rübe.


LXVI.

Ich werd' mich nicht in Sack und Asche kleiden,
Mit Thränen nicht den teuern Boden netzen;
Es müßt', um zu beweinen alle Leiden,
Gott noch zwei Augen mir ins Antlitz setzen.

Seht dort den Berg! Seit hundert Jahren schneiden
Sie ihm die Haut, die blühende zu Fetzen,
Daß sich die Adler flüchten mit entsetzen,
Und wühlen ihm in seinen Eingeweiden.

Doch was sie auch Entsetzliches gethan,
Wie tief sie auch ihm in das Herz geschnitten,
Des Dulders Stirn' ist rein und hell geschliffen,

Und gerne legt des Himmels weißer Schwan,
Die Wolke, dort am späten Abend an,
Um morgens vor der Sonne herzuschiffen.


LXVII.

Wir müssen scheiden! Wohl, so sei's denn heute,
Doch bind' das Opfer lächelnd an den Pfahl,
Und gieb dem mörderischen Wurm der Qual
Den Pfirsich deiner Wangen nicht zur Beute.

Geh' nicht, wie andre, auf den markt und läute,
Die Augenlider rot, das Antlitz fahl,
Und in dem Busen des Verräters Stahl,
Zusammen die verleumderische Meute.

Sei du der Baum, der seine Blüten rein
Dem Winde lieber gibt, als abgelesen
Im Herbst zu werden dann mit Stock und Stein -

Und deine Seele wird alsbald genesen,
Und was noch heute dunkler Schmerz gewesen,
Wird morgen eine lichte Perle sein.


LXVIII.

Von Fenstern und Balkonen hängt die Seide,
Die Kaiserjäger treten ins Gewehr,
Psalmierend kommt von Geistlichen ein Heer,
Und wer nicht niederkniet, der ist ein Heide.

Ein zitterndes Gerippe, weiß wie Kreide
Vom Knochenmark der Katakomben her,
Wird durch die Stadt getragen, das Geschmeide
Des Sammetmantels ist ihm viel zu schwer.

Du bist die einzige, aus deren Angesicht
Durch den gestickten feinen Musselin
Das Hohngelächter der Verachtung bricht.

"Ora pro nobis, sancte Valentin!"
Glückauf, Italien! Noch bist du nicht
Verloren! sprach ich leise vor mich hin.


LXIX.

Ihr habt den Wein verdünnt, der frisch gegoren
Den Becher meines Liedes überschäumte,
Der Liebe Leidenschaft, die hochgebäumte
Hab' ich gezähmt mit Zügel und mit Sporen.

Ich prahlte noch gleich jenen Glaubensthoren
Im Marterbett, daß ich den Lenz verträumte,
Die Zeit der Rosen liederlich versäumte,
Bis du warst - nicht vergessen - doch verloren.

Als deine Hand mir eine Rose bot,
Sprachst heute du mit einem Aug', als flösse
Es über - und es floß -: "Es ist die letzte."

Da liegt sie, die mit deiner Thrän' benetzte -
Und ich? Du hattest recht, und tot ist tot -
Ich war ein Narr mit meiner Seelengröße.


LXX.

Wie leichten Sinns ging ich die Waldeswege!
Wutschäumend zürnt der Wildbach in der Tiefe,
Bewegungslos und still, als ob sie schliefe,
Sitzt eine Elster auf dem Dorngehege.

Erst Wald, dann eine Wiese, rechts das schiefe
Verfaulte Kruzifix, links eine Säge,
Dann blühnde Haidefelder überm Stege,
Wo Bienen öffnen süße Liebesbriefe.

Dann wieder Wald, wo die Gebieterin,
Die Föhre nicht den Lärchen, nicht den Birken,
Den Rosen selbst nicht je den Zutritt gönnte.

Wie bald wollt' ich uns beiden ihn erwirken,
Wenn ich nur wieder mit so leichtem Sinn
Des Waldes grüne Wege gehen könnte.


LXXI.

Wie langsam wachsen doch die jungen Glieder
Des Freiheitsbaums; der strenge Himmel kargt
Mit Lenz und Sonnenschein; was heut' erstarkt,
Wirft morgen schon ein Sturm aus Süden nieder.

Und vieles stirbt, wird leise eingesargt,
Und heimlich nur gehofft: Wir sehen's wieder:
In dem Jahrhundert bring' ich meine Lieder
Vor meinem Volke nicht mehr auf den Markt.

Mein Tagwerk ist gethan; ich hab' gerungen,
Hab' in Tirol ein freies Lied gesungen,
Und habe dich gesehen und geküßt.

Ihr andern aber wartet still und duldet,
Bis ihr, was eure Väter einst verschuldet,
Der Weltgeschichte habet abgebüßt.


LXXII.

Du willst, daß von Isera ich erzähle,
Der liebsten meiner kleinen Wanderfahrten,
Da gab es Trauben, edle Feigenarten,
Kastanien mit weißem Zuckermehle.

Und auf dem Friedhof, bei den Eingescharrten
Da war ich auch und sah, ob keiner fehle,
Hinauszuhängen seine arme Seele
In dieses Thales schönen Rebengarten.

Die Etsch lag wie ein Silberband im Grünen,
Die Kalkgebirge glänzten wie Rubinen,
Und aus der Kirche tönte weich das Credo.

Merk' dir, im letzten Willen zu testieren,
Daß sie dich nach Iseras Friedhof führen,
Nicht in den feuchten Sand von Rovereto.


LXXIII.

Was sie im Wahn den Tod der Liebe nennen,
Ist nur ein Schlaf, so leis und federleicht,
Daß ihn vom Aug' ein Mückenflügel streicht
Und ihn hinweg di kalten Sterne brennen.

Selbst in dem Schmerz, in dem sich Herzen trennen,
In diesem Boden noch von Thränen feucht,
Liegt der Erinnrung Same aufgeweicht,
Daß sie sich ewig nicht vergessen können.

Wohl heilt die Zeit - und was wir einst gelitten,
ist Frevel fast vor dem Gesetz der Sitten
Und vor der Pflichten angewöhntem Band.

So hat doch jede Wolke, zugeschnitten
Der Art, wie sie an unserem Himmel stand,
Den Hammer deines Herzens in der Hand.



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Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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RE: Sonette an eine Roverettanerin - von ZaunköniG - 16.08.2023, 09:11

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