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Sonette an eine Roverettanerin (73)
#3
.

XLI.

Gefährlich ist das Weib mit seinen Waffen,
Den hellen Geist vermag es zu umnachten;
Sein Reich zu mehren, ist sein einzig Trachten,
Schon dehnt's sich aus vom Engel bis zum Affen.

Mit dieser erde schönen Töchter machten
Des Himmels Söhne einstens sich zu schaffen;
Gott ließ mit Wasser von der Erde raffen
Die Kinder, die die Seraphsbräute brachten.

mit einem Blick, mit welchem sich die Seelen
Des Himmels Zukunft ahnend vorerzählen,
Trat schüchtern vor dich hin die Poesie.

Das ist kein Mensch, das ist ein Engel! schrie
Die Welt, nimm du des Menschen Travestie,
Den Affen hier, so kannst du doch nicht fehlen.


XLII.

Sei stolz, mein Kind! Die freien Geister sollen
Den Adel aus den Augen leuchten lassen,
Und nie den Mut verbergen, das zu hassen,
Was sie nicht lieben können oder wollen.

Das ist der echte Frauenstolz: zu grollen,
Daß Männer Paradiese noch verprassen,
Nicht jene Weiberlüge auf den Gassen
Moderner Städte, pomphaft aufgeschwollen.

Trieb je ein solches eitles Weib - das halbe,
Vornehme Lächeln um den Mund - die Schwalbe
Des Liedes weg von ihrem Hausaltar:

Lag sie gewiß in ihrem Boudoir,
Den stolzen Hals gebeugt, vor einem Kalbe,
Das nicht einmal aus Gold gegossen war.


XLIII.

Schön, wie der Griechen Gott, der junge Pan,
Steht ungebunden in dem Eichenhaine -
Das goldne Haar ist in dem Heil'genscheine
Noch licht und glänzend - St. Sebastian.

Und vor ihm auf dem Boden kauert eine,
Sein Liebchen ist es wohl, man sieht ihr 's an,
Hier wurde ein Entsetzliches gethan,
Und zieht den Pfeil ihm aus dem nackten Beine.

Ich sah dich öfter in den Kirchenstunden
Dies Bild betrachten, und dein Aug' verriet,
Was du dabei in tiefster Brust empfunden.

Du kennst noch einen, ebenso gebunden,
Der Pfeile Ziel, und eine, die da kniet
Und ihm das Eisen aus der Wunde zieht.


XLIV.

Denk' meiner heute nachts beim Ballparé,
Drück' mir die Hand im Geist bei der Quadrille,
Horch' aus des Walzers Melodienfülle
Heraus der Sehnsucht unnennbares Weh.

Du schweigst? In deinem Busem schwankt der Wille
Und schaukelt leise die Kamelie -
So schläft der Schwan im Schilf, indes der See
Schlägt unter ihm die Wellen in der Stille.

Nicht ja, nicht nein; doch etwas ist gewiß,
Daß andre ihre Arme um dich schlagen
Und deines Mundes süßen Atem schlürfen -

Und daß ich ferne bin - bedenke dies:
Daß andre dich in ihren Armen tragen,
Daß andre deinen Atem trinken dürfen.




XLV.

    Die Jesuitenmission — ich schriebe
    Es nicht, wär' nicht bewiesen die Geschichte —
    Trägt  auf dem faulen Stamm doch gute Früchte;
    Denn wundertätig wirkt sie auf die Diebe.

    Wenn nur das Mädchen, das ich heimlich liebe —
    Auf dem madonnahaften Angesichte
    Mischt sich der Glaube mit dem Morgenlichte —
    Den Vätern Jesu nicht so ferne bliebe.

    Vielleicht, dass den geraubten Schlaf der Nächte,
    Den Seelenfrieden, der von dannen schied,
    Mir bald die schöne Diebin wiederbrächte;

    Vielleicht sind meine Tage schon verblüht,
    Dass sie dem armen Vaterland vermächte
    Ihr reiches Herz und mein gestohlnes Lied.


XLVI.

Am Katharinentag, einmal im Jahre,
Ist hier ein Markt, wo sich die ganze Welt
Anschreit und drückt und sich begafft und prellt
Und sich bemüht, daß niemand es erfahre.

Sie haben dich ans Fenster hingestellt
Nach Kaufmannsart, des Platzes schönste Ware,
Damit das Licht recht auf die seidnen Haare
Und auf der Wangen reichen Sammet fällt.

Verkauft! steht dir geschrieben im Gesicht,
Zwar auch von welschen Krämern, aber nicht
Von jenem großen Handelsmann aus Süden.

Verkauft! wie lange werden sie hienieden
Noch solche Fesseln um die Leiber schmieden,
Die in der Brautnacht schon der Geist zerbricht?


XLVII.

Du hast uns freie Lieder vorgelogen -
Hör' ich die vorwurfsvollen Stimmen vieler -
Dein heißer Haß wird jeden Morgen kühler,
Seit dich ein Weib an seine Brust gezogen.

Das Meer bleibt Meer, ob glatt, ob voller Wogen,
Mein Gott der Liebe ist der Freiheit Schüler;
Schaut ihn nur an, den jungen Herzenwühler,
Ob er nicht etwas hat vom Demagogen?

Als er sich bittend vor den Censor warf,
Ließ von den Schultern er die Flügel lösen
Ihn mit der Schere ellenlang und scharf.

Mein Lied ist nur ein Wolkenbild gewesen,
Vom Mond beschienen; denn Tirol, das darf,
Mein welsches Mädchen aber kann's nicht lesen.


XLVIII.

Der Mönch verbirgt vor jeder Tageshelle
Hier in Tirol verbotner Liebe Keim,
Verstohlen nur schwärzt er den Honigseim
In seine kalte, liebeleere Zelle.

Nur einer ist, der klingelt mit dem Reim
und läutet durch die Straßen mit der Schelle,
Kehrt er berauscht von seines Liebchens Schwelle
Beim feuerroten Wolkenhimmel heim.

Und frägt der Abt, was denn das Frühgeläute
Mit all den Schellen groß und klein bedeute,
Reicht er ihm eine Prise Spaniol,

Und spricht gehorsam mit gebücktem Rücken:
Das ist die Poesie der Katholiken,
Das sind die echten Lieder aus Tirol.


IL.

Der Wirt schenkt roten Wein auf der Altane
Von deinem Fenster gegenüber ... der Jasmin
An meiner Seite flattert weiß und grün
Im Abendwind, wie die Tiroler Fahne.

Und während rings die Wolkenrosen blühn,
Reicht jenem Sterne, der im roten Kahne
Der erste droben schifft, die Tulipane
Den hellen Amethistenbecher hin.

Wenn Gott vom Himmel auf die Erde schaut
In dieser stillen Stunde, wird er meinen,
Das ist das Paradies, das er gebaut;

Und sieht er dich am Fenster drüben weinen,
So wird er glauben, eine Rose thaut,
Wie alle thauen, wenn die Sterne scheinen.


L.

Auf der Altane saßen ihrer drei,
Weil ihres Lebens Linien sich mitten
In jener nahen Thränenperle schnitten,
Und unter diesen war auch ich dabei.

Viel wurde, wie's zu kommen pflegt, gestritten:
Die Kirchen, wie die Staaten wollt' ich frei,
Dem zweiten war dies alles einerlei,
Der letzte kämpfte für die alten Sitten.

Da klopften plötzlich deines Liedes Töne
Um Frieden schmeichelnd an die Blätterwände
Von dem Balkon ... da war der Streit zu Ende.

Wenn Deutschland nur, daß es die Eintracht kröne
Auch eine solche Liederstimme fände
Für seine stets im Zank getrennten Söhne.


LI.

Hier ist kein Schütz, bei mir daheim ist's jeder,
Der etwas hat von seiner Väter Blute,
Den Bart der Gemse trägt er auf dem Hute
Und eine dunkelgrüne Spielhahnfeder.

Sahst welchen du, schlank gleich der jungen Ceder,
Wenn seine Hand stolz auf den Stutzen ruhte!
Denn deutlich redet von des Eigners Mute
Die weiße Pfauenschrift im Gurtenleder.

Ich sah' dich heut' im fliegenden Gewand,
Die rauchende Pistole in der Hand,
Zur Scheibe fliegen; welch ein schöner Schuß!

Jetzt weiß ich erst, warum in jedem Kuß
Die Schwegelpfeife von dem Schützenstand
Die alten lieben Töne mischen muß.


LII.

Die Klerisei hat sich mit Anathemen
Der Ehe breites Himmelbett verrannt,
Ein Streiter Gottes, sagte Hildebrand,
Darf sich kein Weib in seine Kammer nehmen.

Und wir, die Streiter für das Vaterland
Und für das Licht, wie müßten wir uns schämen,
Wenn stürmend wir auf unser Schlachtfeld kämen
Mit unsern runden Weibern an der Hand.

Mein Weib kannst du nicht sein, bleib' du mein Kissen,
Worauf das müde Haupt ich niederlehne,
Der Mahner meines Liedes, mein Gewissen;

Der leuchtende Krystall für meine Thräne,
Das kannst du sein, nur das, was bei den Füßen
Des Heilands war Maria Magdalene.


LIII.

Daß du mich liebst, les' ich auf deinen Wangen,
Du brauchst's mit keinem Schwure zu vereiden,
Dieselben Glocken schlugen in uns beiden,
Bis sie ugleich an einem Tag zersprangen.

Hätt' ich gewußt, als diese Berge klangen
Im morgenrot von ihren stillen Leiden,
Hätt' ich gewußt, es gelt' von dir zu scheiden,
Ich wär' den Weg der Freiheit nicht gegangen.

Es ist zu spät, ich kann nicht mehr zurück,
Die Sterne oben schrieben mein Geschick
Und legten mir das Schwert in meine Wiege.

Doch hörst du einmal von des Lichtes Siege,
Dann denke stolz an unsrer Liebe Glück
Und frage nicht, wo ich begraben liege.


LIV.

Die innern Stimmen lasse nur gewähren,
Horch' fleißig auf, was sie dir alles sagen;
Denn sie vermögen über alle Fragen
Der Zukunft dich prophetisch zu belehren.

So konnt' ich niemals ohne Grausen hören
Das zischend-feine widerliche Nagen,
Womit die Seidenwürmer auf dem Schragen
In einem Tag den Maulbeerbaum verzehren.

Jetzt brach in meiner Liebe grünes Eden
Ein solcher Seidenwurm, so kalt, so kalt,
Um dort zu halten sein gefräßg Mahl.

Und sieh', in einem Tage sind von jedem
Der stolzen Bäume alle Blätter fort,
Und tot, wie tief im Winter, ist der Ort.


LV.

An deinen frischen Lippen laß mich laben
Den Durst, der meine Seele brennt; sei mein
So lang nur, als ein Kuß! Wir können sein,
Was wir zu sein den festen Willen haben.

Gieb mir den Mund! Tief in den Boden ein,
Viel tiefer als die andern will ich graben
Die zwei Minuten, daß von allen Raben
Sie keiner bringe an des Tages Schein.

Ich kann nicht warten; gieb mir deinen Mund,
Die schwarzen Jäger gehen auf die Pirsche,
Von hundertzwanzig wimmelt schon der Grund.

Verend' ich einst gleich dem gehetzten Hirsche,
Dann neigt sich wieder diese süße Kirsche
Auf meine Lippen in der letzten Stund'.


LVI.

Du sollst mir bei den Sternen nichts versprechen,
Die haben jede Lüge noch verschwiegen,
nicht bei den Göttern, die den Meineid rächen -
So lang sie selber nicht im Staube liegen;

Nicht bei des Busens ungestümem Fliegen,
Nicht bei des Auges reichen Thränenbächen,
Die stolze Woge kann zusammenbrechen,
und jene süße Quelle kann versiegen.

Auf diese Veilchen schwör' mir deine Liebe,
Die du mir in ein Epheublatt gewunden,
Und die noch diese Nacht verwelken werden;

Doch jedes Jahr bringt einen Lenz auf Erden,
Dein Wort ist so in Veilchenduft gebunden,
Daß dich der Meineid aus dem Frühling triebe.


LVII.

Die Lichter auf dem Wasser sind verglommen,
Und leise tönt das Nachtlied der Cikade,
Nur über einen ist die volle Gnade
Des zauberreichen Himmels nicht gekommen.

Denn einsam und verdrossen und beklommen
Sieht nieder von der Brückenbalustrade
Ein heimwehkranker deutscher Kamerade
Als wär' ihm all sein Glück davongeschwommen.

Ich sprach ihn an: Du brauchst dich nicht zu schämen;
Denn wert der Thränen ist die Muttererde,
Doch giebt es Arzenei für dieses Grämen:

Du sollst, daß dir ein Ort zur Heimat werde
Und du nie Fremdling bist am fremden Herde,
Die Götter, wie Äneas, mir dir nehmen.


LVIII.

Mit deines Fächers marabutnen Schwingen
Wirst du den Brand in diese Lüfte jagen,
Die beider Indien Wohlgerüche tragen,
Und mir die Adern noch zum Sieden bringen.

Mach' zu den Fächer! Und ich will dir sagen,
Womit des Südens Gluten zu bezwingen:
Aus deinen Locken laß ein Zelt mich schlagen,
Wohin nicht soll der Strahl der Sonne dringen.

In deines Auges blauen Alpensee
Laß stürzen mich und mit dem Himbeereis
Frisch aus dem Becher deiner Lippen laben,

Und meine Stirne, die wie Lava heiß,
Laß in dem reinen, unbefleckten Schnee
Auf deiner vollen Schulter mich begraben.


LIX.

Es wird wohl keine Landschaft, es wird kaum,
So weit du wanderst, eine Fernsicht geben,
Wo nicht allein und einsam steht ein Baum,
Im Feld, im Sand, am Meer, wo eben Raum

Für dieses eine abgeschiedne Leben,
Für dieses Eremiten stillen Traum.
Hier schläft der Rabe gern, indes daneben
Zum Schlaf die Raupen ihre Linnen weben,

Bis ervom Blitz erreicht, mit fahlem Lichte
Zum Himmel lodert im Gewitterregen.
Sie sprach zu mir: Kommt dir auf deinen Wegen

Ein Baum vereinzelt stehend zu Gesichte,
Sollst du im Geist die Hand in meine legen
Und denken: Das ist unsere Geschichte.


LX.

Ich habe etwas Größres als die Frau
In dir geliebt: die Allmacht, die dir eigen -
Der Erde Frühling schien mir kalt und grau,
Da kamst du, mir das Paradies zu zeigern.

Zum erstenmal fand ich den Himmel blau,
Verstand des Walds geheimnisvolles Schweigen
Und sah die Engel mit dem Morgenthau
Auf Sonnenfäden auf- und niedersteigen.

Nun unsre Lieb' ist in den Grund gehagelt,
Möcht' in den Grund das Paradies ich stampfen,
Doch seine Lichter sind so tief genagelt,

So fest hält jeder Grashalm seine Fackel,
Und alle Blumen beten und verdampfen
Den Weihrauch vor dem leeren Tabernakel.


.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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RE: Sonette an eine Roverettanerin - von ZaunköniG - 05.07.2023, 17:49

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