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Sonette an eine Roverettanerin (73)
#2
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XXI.

Ich will euch helfen, schreibt ein Wiener Koch,
Weh uns, wenn wir nicht selber sind imstande;
Wir wissen wohl, aus welchem freien Lande
Das Schlöangenpaar in unsern Busen kroch.

So gänzlich arm sind wir nicht an Verstande,
Zu glauben, daß die Wiener uns das Joch
Des Pfaffentums vom Nacken nähmen, doch:
Das dumme Tier sei stolz auf seine Schande!

Geh' nur, du kochst umsonst in deiner Schale
Josephische Gedankenfreiheit mit
Der abgeblasnen Milch der Bonhomie.

Wir wollen ganz frei werden oder nie,
Und besser ist ein schwarzer Jesuit,
Als du, ein grauer Wiener Liberale.



XXII.


Von unsern Bergen will ich zu dir sprechen,
Erzählen dir helldunkle Waldgeschichten,
Von Heidelbeeren unter schlanken Fichten
Und von den wilden Rosen an den Bächen;

Vom grünen Eise neben Blumenflächen,
Von Lilien, die auf die Felsen flüchten,
Zum kühnsten Jodler will ich Lieder dichten
Und mit Gefahr das Edelweiß dir brechen.

Du aber sollst Isera mir kredenzen,
Frühfeigen pflücken mit den weichen Händen
Und mir das Haupt mit Mandelblüten kränzen.

Und rufen wollen wir bis an die Grenzen,
Wie groß Tirol und seine Männer ständen,
Wenn so wie wir sich Nord und Süden fänden.


XXIII.

Kaum dass des Liedes Flügel sich entfalten,
Läuft's in die weite Welt, oft mit der Schale
Auf seinem Kopf; in welchem grünen Thale
Wird dies mein Lied den ersten Rasttag halten?

Vielleicht am Passerstrande, bei der alten
Burg von Tirol? Dort sitzt ein Freund beim Mahle,
Terlaner Most im funkelnden Pokale,
Der läßt die Gäste nach Belieben walten.

Doch hütet euch, ihr Lieder, ganz geheuer
Ist's nicht, Nachteulen lauern im Gemäuer,
Die gern das süße Blut der Lerchen saugen.

Sucht nur den Freund, in jeder Hut erfahren,
Ihr kennt ihn leicht an seinen langen Haaren
Und an den sanften blauen Schwabenaugen.


XXIV.

Im Mai war's in der Opernstagione,
Ich trat in deine Loge; welch ein Duft!
Das war die blütensatte Frühlingsluft
Der Pomeranzenwälder von Limone.

Wo ist das Veilchen, das verborgen ruft:
Such' mich! Es fehlt die Rose auf dem Throne
Von Elfenbein; starb sie vielleicht? Doch ohne
Die schöne Leiche ist die Fürstengruft.

In dem geheimnisvollen Duft zu sitzen
So nah bei dir, wie wurde mir zu Mute!
Die Seele trat mir in die Fingerspitzen.

Wenn deine Hand jetzt in der meinen ruhte!...
Ich ging - der Götter Wink muß man benützen -
Den unsichtbaran Strauß in meinem Hute.


XXV.

Gepresst im Liederbuche dreißig Wochen,
Liegt nun der schöne reiche Frühlingsstrauß,
Gealtert, seine Blätter dürr und kraus,
Die Rosenwangen schrecklich eingebrochen.

Was flüstern sich die Blumen zu? Was pochen
Sie an die Wand und rufen aus dem Haus,
Du lösest einmal - hast du es versprochen? -
Die Hochverräter deines Herzens aus.

Dann musst du auch die Kerkernacht erhellen
Den Liedern mein - das kostete nicht wenig -
Die schweigsam sitzen in des Todes Zellen -

Von Pensylvanien! Für Jahrtagsmessen
Giebst du vielleicht einmal den letzten Pfennig,
Die Blumen und die Lieder sind vergessen.


XXVI.

Ob ich auf Erden etwas liebe mehr
Und inniger als dich? Das Lied, das Licht?
Das bist ja du! Fehlt mir dein Angesicht
So ist es stumm und dunkel um mich her.

Doch einen Wunsch giebt's, dessen Wiederkehr
in jede Lust mir scharfe Dornen flicht,
Ein Eiland auf des Lebens wüstem Meer,
das unnennbare Seligkeit verspricht.

Sprüh' aus den Augen dunkelglühend Erz,
Leg' auf die Wange der Granate Rot
Und lächle, um die Engel zu verführen.

Doch gäb' heraus ein Opfer nur der Tod,
Und müßt' in dieser Stund' ich dich verlieren,
Ich stürzte weinend an das Mutterherz.


XXVII.

Kommt dem Araber plötzlich auf den Wegen
Im Atlas-Thal ein Löwe zu Gesicht,
Steigt er vom Pferde, geht ihm kühn entgegen
bis auf zehn Schritte, sieht ihn an und spricht:

"Gewaltiger! Ich bin kein feiger Wicht,
Mein Blut ist edel und mein Arm verwegen;
An keiner besern Brust bist du gelegen,
Und was dir gleich ist, das berührst du nicht."

Der Löwe weicht, daß er den Weg nicht hemme.
Hätt' er in ihm gefunden eine Memme,
Wär' er dem Roß gesprungen ins Genick.

Dem Löwen gleicht das drohende Geschick,
Denn stolz und groß weicht es vor dem zurück,
der Muth hat, ihm entgegen sich zu stemmen.


XXVIII.


in Waffen steht die Welt zum Kampf gerichtet,
Der Streit ist los, den ein Jahrtausend spann,
Der Streit, der nicht mit Worten wird geschlichtet,
Der Streit, der nur verblutet werden kann.

Wer hat das neue Babel aufgerichtet,
Wo nur die Sprache gilt und nicht der Mann?
Wohin hat sich die Liebe denn geflüchtet,
Daß alles Blut in Hass zusammenrann?

Es stehn im Süden tief ein Dutzend Linden;
Da war's, wo ich die Liebe wieder fand,
Die Flüchtige, die wenige mehr finden.

Sie hielt die Augen halb zu mit der Hand,
Denn säh' sie ganz hinaus ins kranke Land,
Müßt' von dem vielen Weinen sie erblinden.


XIX.

Ich war schon öfter in Gesellschaftssälen,
Da saß, von jedem Manne streng geschieden,
Ein halbes Dutzend Mädchen, scheu in Frieden,
Sich ihre neuen Kleider vorzuzählen.

Kein freies Wort darf in den Kreis sich stehlen,
was Frauenherzen hebt und was zum Sieden
die Wangen bringt, wird wie das Gift gemieden,
Die Mädchen sind nur da, sich zu vermählen.

Was braucht das Weib auch seinen Geist zu adeln!
Der Mann hat Geld und alte Wappenbriefe,
Die Poesie macht Ketzer nur und Narren.

Wenn ich nur auch das Nichtstun so begriffe,
Wie diese Frauen mit den Strickstrumpfnadeln
Und diese Herren mit den Lang-Cigarren.


XXX.

Ich bin ein Patriot, so gut wie jeder,
Der einen Spitzhut trägt und grauen Loden;
Ich hab' ein sinnig Aug' für eure Moden
Und lieb' den Trotz von einer Spielhahnfeder.

Doch scheidet nicht das Land nach Zwilch und Leder,
Und teilt es nicht nach Mais- und Roggenbroten.
Mit gleicher Brunst küßt den Tiroler Boden,
Olivenwälder oder Alpenmähder.

Ich sah im Süden oft das Nadelholz
Demütig nach Orangenblüten langen,
Und war solch weißes Rosenkind gefangen,

Sah ich den trotzigen Germanstolz
In diesen rauhen, nordgebornen Stangen,
Wie er in süßer Lust zusammenschmolz.


XXXI.

Es wundert dich mein ungewöhnlich Sinnen?
Die Glut der Liebe zehrt an meinem Leben,
Es müht sich der Gedanke tot im Streben,
In heißer Brust Entfaltung zu gewinnen.

Im Auge quillt's, lass' mich die Schleusen heben,
O lass' die Wasser fluten, nur von innen
Den Strom der Thränen in die Wüste rinnen,
Damit die Toten alle wieder leben.

Der Mittag glüht, die matten Blumen neigen
Die Häuser stumm, die trocknen Blätter schweben
bis abends Thau vom Himmel ist gesunken.

Da wird es wieder laut im Blumenreigen,
Es singt und jubelt in den nassen Zweigen,
Als hätte jedes Blatt ein Lied getrunken.


XXXII.


Die Liederangel in den See zu senken,
Nennt höhnend ihr vergebliches Bemühen;
Würd' ich den Goldfisch aus dem Wasser ziehen,
Müßt' ich ihm doch die Freiheit wieder schenken.

Ihr Egoisten glaubt, die Reben blühen
Mit neuem Weine jährlich euch zu tränken;
Ihr geht so weit, im Übermuth zu denken,
Daß euch zulieb die Sonnen alle glühen.

Ich sing' das Lied des Liedes willen, hassen
Könnt' ihr's, noch mehr, ihr könnt's verbieten lassen,
Das ist nicht neu mir, ist ein Landsgebrauch.

Die deutsche Eiche - wer kann sie umfassen? -
Grünt doch auf euren Felsen, wenn sie auch
Es niemals weiter brachte, als zum Strauch.


XXXIII.

Die deutsche Sitte, daß es jeder wisse,
Mein Muttererbe, ehrt' ich immer treu,
Nur mit dem deutschen Ofen ist's vorbei,
Seit beim Kamine ich mein Mädchen küsse.

Kamine baut! Saßt ihr nie dort, die Füße
Verschlungen auf dem Marmor, euer zwei?
An jenem Tage würde Deutschland frei,
An dem es seine Öfen niederrisse.

Viel weiß es von der Freiheit zu erzählen,
Jedoch am Ofen, wo es langsam muß
Das Herz erwärmen, kommt's zu keinem Wählen.

Bei dem Kamin schlägt's Feuer an die Seelen,
Und zeitigt schnelle, wie den Liebeskuß
Der Thaten frühe Blume, den Entschluß.


XXXIV.

Welch' Seelenqualen ruft die Klarinette
Durch die besternte Nacht? Zwei Violinen
Verzweifeln mit, es wachen auf die Bienen,
Als ob die Lerche sie gerufen hätte.

Mach' Licht, mein Kind, spring' eilig aus dem Bette,
Die Königin der Nächte ist erschienen,
Mit ihrem ew'gen Wohllaut dir zu dienen,
Mit deinem treuen Sklaven an der Kette.

Denn als ich gestern seinem Schreibtisch nahte,
Ging er mit seinem Handelsbuch zu Rate
Und zitterte und zog das Facit aus.

Vergnügt schloß er die Strazze in in die Lade:
Das trägt zehn Pfund Salami in das Haus
und meinem Liebchen eine Serenade.


XXXV.


Du hast ein Ölbild noch aus alten Zeiten,
Wo Knabe David in dem waffenstillen
Palastgemach die königlichen Grillen
Dem Saul vertreibt mit seiner Harfe Saiten.

Das Lied war stets den Königen zu Willen,
Die von den rohen Fesseln es befreiten,
War stets bedacht, mit seinen Süßigkeiten
Die bösen Stunden ihnen auszufüllen.

Jetzt klopft es, längst verwiesen, an die Hütten,
Sitzt auf das Strohbett zu den kranken Armen,
Ins bittre Herz den süßen Klang zu schütten.

Wie lang darf es sich dieser noch erbarmen?
Denn schon begleiten heimlich die Gendarmen
Den Sänger seines Volks auf allen Schritten.


XXXVI.


Ich hab' mir oft im Ernste vorgenommen,
Dir stolz und trotzig ins Gesicht zu sagen,
Daß ich dich lieb hab', doch in all den Tagen
Bin wunderbar ich nie dazu gekommen.

Doch glaube nicht, daß ich vielleicht aus Zagen
Das Wort nicht sprach, wer sah mich je beklommen?
Bald ist es wie ein Wolkenbild verschwommen,
Bald hat es mir ein Schmetterling vertragen.

Bald hat damit ein Röslein sich geschmückt,
Damit vollstrahlend an des Himmels Rand
Der Mond die Sonnenwitwe oft entzückt.

Bald hat es mir dein heißer Blick verbrannt,
Und - es ist schwer zu glauben - deine Hand,
die zarte Taube, es zu Tod gedrückt.


XXXVII.


Als jüngst ein Fräulein einen Herren kränkte,
Von dem sie einen Blumenstrauß empfing,
Und diesen dann, als sie vom Balle ging,
Am selben Abend ihrem Tänzer schenkte,

Sprachst du: Erhielt' ich nur das kleinste Ding,
Den ärmsten Grashalm, den der Regen tränkte,
Der Mittags seine Lanzenspitze senkte,
Ich hüb' es auf und hielt' es nicht gering.

Als du so sprachst, da ward mir warm und wohl
Ums Herz, das Eis trat wieder bis zum Pol,
Womit es überrindete der Spott.

Ich liebte einst ein Fräulein aus Tirol,
Das eines Tags - ich war dabei und Gott ...
Mit meinen Liedern ihre Gerste sott.


XXXVIII.

Heut' fanf bescheiden under Maulbeerbäuen
Ich eine Fichte, die grünseidnen Tressen
Mit Gold vermischt - da hab' ich dich vergessen,
um von den Fichten Pusterthals zu träumen.

Die kahlen Felsen, die das Thal umsäumen,
Bewalden ihre nackte Brust, indessen
Aus all den Dörfern ringsum statt Cypressen
Der Heimat grüne Gotentürme keimen.

Der sanfte Melodientakt der Tenne,
Der tiefgebückten Schnitterinnen Chor
Im Roggenfelde schlagen an mein Ohr.

Glaub' nicht, daß ich ein Mädchen heimlich nenne,
Ist's nicht ein Gemsschütz mit dem Feuerrohr,
So ist's ein alter, rauchgeschwärzter Senne.


XXXIX.

Der Saal ist voll, ein junger Virtuos
Steht schwarzgekleidet bei dem Kontrabasse,
Der Hals des Instrumentes, dick und groß,
Berührt die Stirn ihm, die gedankenblasse.

Und leise tönt's ... so röpfelt in das Moos
Der Regen aus der vollen Blumentasse ...
Dann stürmt's und braust's, als wär' in diesem Fasse
Voll Harmonie die ganze Hölle los.

Der arme Mann, wie muß er ohne Rasten
Die Saiten, dick wie an der Schiffe Masten
Die Segeltaue, mit dem Bogen fegen:

Ich darf nur leise deinen Arm betasten,
Nur meine Hand auf deine Schulter legen,
Um Höll und Himmel in mir aufzuregen.


XL.

Ich steh' so nah bei deiner Sessellehne,
Doch ist's nicht möglich, bei dem Schein der Kerzen
Im vollen Saal, wie sehr ich mich auch sehne,
Verbotne Worte dir ins Ohr zu schwärzen.

So viele Augen schauen in die Herzen,
So viele Lichter spiegeln in der Thräne,
Und aus der Brust vor den Palst der Zähne,
Wälzt sich der Barrikadensturm der Schmerzen.

Musik beginnt. Um deine Mitte schmiege
Ich meinen Arm, daß auf des Walzers Weisen
Ich wie ein halbentschlummert Kind dich wiege.

Nur Sinnenspiel seht ihr in diesen Kreisen,
Fragt doch die Sonne und die Wasserfliege,
Warum sie tanzend ihren Schöpfer preisen.

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Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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RE: Sonette an eine Roverettanerin - von ZaunköniG - 05.07.2023, 17:33

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